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Die Küchenuhr

Prüfungsfragen

  • Welche metaphorischen Zuschreibungen erhält die Uhr?

    Ihr wird an einer Stelle ein rundes Gesicht zugesprochen; dass ihr Mechanismus kaputt ist, wird von dem jungen Mann auf eine vermenschlichende Weise ausgedrückt; und das, wofür sie für den jungen Mann steht – die nächtlichen Heimkünfte –, wird von ihm metaphorisch als Paradies bezeichnet. Damit steht sie 1) für den Gesprächspartner, den der junge Mann auf der Bank nicht findet, 2) für ihn selbst und 3) für die verlorene familiäre Geborgenheit.

  • Auf welchen Analogien beruhen diese Metaphern?

    Gesichter und Uhren sind beide mehr oder weniger rund. Sie sind beide veränderlich. Die Zeiger können, je nach Stellung, als veränderliche Gesichtspartien begriffen werden – als Mund etwa oder Nase.

    Auch der junge Mann ist – wenn ein solcher Rückschluss zulässig ist – durch seinen Verlust innerlich gebrochen, äußerlich aber – wie die Szene auf der Bank beweist – zur freundlichen und aufrichtigen Verständigung durchaus in der Lage.

    Er ist aus dem vorherigen Zustand – dem Leben im elterlichen Zuhause – gewaltsam vertrieben worden wie Eva und Adam aus dem irdischen Paradies (jedoch ohne eigene Schuld), oder der vorherige Zustand steht zu dem jetzigen in einem Verhältnis wie das himmlische Paradies zur Hölle.

  • Nennen Sie ein für eine Kurzgeschichte charakteristisches Merkmal!

    Typisch ist die Anonymität der Figuren und das Fehlen ihrer Einführung. Sie werden von Beginn an mit dem Personalpronomen oder allenfalls mit Appellativen geführt (der Mann, die Frau). Es gibt keine Versuche ihrer Individualisierung.

  • Inwieweit unterscheidet sich die Binnenerzählung des jungen Mannes von ihrem Rahmen?

    Zentrale Figur der Binnenerzählung ist die Mutter des jungen Mannes. Anders als die anonymen Figuren der Rahmenerzählung (die Zuhörer) ist sie über ihre Beziehung zu einer anderen, bereits eingeführten Figur definiert. Sie agiert nicht flach und minimalistisch, wie jene, sondern ambivalent. Ihre Körperlichkeit wird dank mehrerer Hinweise plastisch in Szene gesetzt.

  • Welche Verbindungen unterhält die Kurzgeschichte zu den historischen Bedingungen ihrer Entstehung?

    Überraschend wenige. Die zentralen Phänomene der Kurzgeschichte sind ohne weiteres auf andere Erdteile und Epochen übertragbar: überall dorthin, wo Städte bombardiert werden natürlich, aber auch darüber hinaus, wenn man nur bereit ist, der radikalen Verlusterfahrung, die der junge Mann gemacht hat, auch andere Ursachen zu geben. Dann könnte die Geschichte auch in einem Erdbebengebiet nachvollzogen werden. Dass alltägliche Fürsorge erst im Nachhinein gewertschätzt wird, ist ebenfalls ein universelles Phänomen.

  • Welchen Platz nimmt »Die Küchenuhr« in der Prosasammlung ein, in der sie erschienen ist?

    Es ist die zweite Geschichte der neun Geschichten, die in der zweiten, »Und keiner weiß wohin« überschriebenen Sektion versammelt sind. Es gibt motivische und thematische Bezüge zu den anderen Geschichten; ihre Reihenfolge ist aber sonst nicht zwingend.

  • Bewerten Sie das Ende der Kurzgeschichte!

    Borchert lässt offen, wie die Gesprächssituation eigentlich aufgelöst wird. Er schreibt nur vom Verstummen des jungen Mannes, nicht aber davon, dass er wieder aufsteht, sich verabschiedet oder ähnliches. So gewinnt man den Eindruck, er nähme die an Gleichgültigkeit grenzende Apathie seiner Zuhörer an. In einer Theaterinszenierung würde nach eher quälenden Momenten der Stille vor der auf der Bank versammelten Gruppe wohl einfach der Vorhang fallen oder das Licht ausgehen. Ein Weggehen des jungen Mannes ist nicht vorgesehen.

  • Bewerten Sie die Aussage: »Das ist ja gerade der Witz«, im Hinblick auf die Gesprächssituation!

    Der junge Mann benutzt eine für seine Lage tendenziell unangemessene Formulierung. Alternativ hätte er sagen können: »Deswegen ist die Uhr für mich so bedeutsam«, oder: »Das macht die Uhr für mich so wertvoll«, oder: »Das Schicksal hat sie bei dieser Uhrzeit stehenbleiben lassen, um mir etwas zu sagen.« Dadurch, dass er das lockerere Register wählt, versetzt er die Zuhörer in eine etwas unangenehme Lage. Denn sie können das Register nicht auch bedienen, ohne unhöflich zu erscheinen.

  • Begegnen dem jungen Mann seine Zuhörer mit Desinteresse?

    Das kann man so nicht sagen. Offenbar erzeugt seine Erzählung auf der Bank doch eine gewisse Spannung, sonst wäre auf sie nicht so eine gebannte Stille gefolgt. Auch die Fragen der Zuhörer zeugen nicht von Teilnahmslosigkeit, eher von höflicher Zurückhaltung oder – wenn man so will – von einer Überforderung durch die direkte Ansprache des jungen Mannes und die Konfrontation mit seinem Schicksal.

  • Welches Zeichenverhältnis versucht der Mann zwischen der Uhr und dem Bombeneinschlag zu etablieren?

    Auf Grundlage seiner kausalen Erklärung – der Druck der Bombendetonation hätte die Uhr zum Stillstand gebracht – wäre eine metonymisches, also auf kausaler Kontiguität beruhendes Zeichenverhältnis etabliert worden, das in gewissem Sinne robuster gewesen wäre als das, was der junge Mann priorisiert, und das nur einer zufälligen äußerlichen Übereinstimmung zweier Zustände der Uhr basiert. Gerade wegen dieses lockereren Zusammenhangs muss der junge Mann seinen Status als Botschaft oder als zu verstehendes Rätsel durch die Formulierung, dies sei ja gerade der Witz, betonen.

Veröffentlicht am 7. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 7. September 2023.