Streuselschnecke

Die Kurzgeschichte »Streuselschnecke« von Julia Franck wurde im Jahr 2000 in dem Sammelband »Bauchlandung« veröffentlicht. Sie handelt von der Liebe der Ich-Erzählerin zu ihrem Vater, dem sie mit vierzehn zum ersten Mal begegnet. Ort der Handlung ist Berlin. Die erzählte Zeit umfasst drei Jahre in der jüngeren Vergangenheit. Die Ich-Erzählerin ist mit dreizehn bei ihrer […]

Werkdaten

Titel
Streuselschnecke
Autorin
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
2000
Originalsprache
Deutsch

Inhaltsangabe

Die Kurzgeschichte »Streuselschnecke« von Julia Franck wurde im Jahr 2000 in dem Sammelband »Bauchlandung« veröffentlicht. Sie handelt von der Liebe der Ich-Erzählerin zu ihrem Vater, dem sie mit vierzehn zum ersten Mal begegnet. Ort der Handlung ist Berlin. Die erzählte Zeit umfasst drei Jahre in der jüngeren Vergangenheit.


Die Ich-Erzählerin ist mit dreizehn bei ihrer Mutter ausgezogen und wohnt seitdem bei Freunden in Berlin. Sie ist vierzehn, als sich ein fremder Mann telefonisch bei ihr meldet. Die beiden verabreden sich. Aus dem anfänglichen Unbehagen des Mädchens wird Sympathie und Verständnis für den zurückhaltenden Mann. Er stellt das Mädchen seinen Freunden vor und sie darf ihn bei seiner Arbeit beim Film besuchen. Über gelegentliche Treffen hinaus meint sie jedoch nichts von ihm erwarten zu dürfen.

Zwei Jahre später bekommt der Mann eine unheilbare Krankheit. Im Krankenhaus bittet er das Mädchen um eine tödliche Dosis Morphium. Sie kann und will ihm die Drogen nicht besorgen. Stattdessen bietet sie ihm an Kuchen mitzubringen, da sie seine Vorliebe für Torten kennt. Er wünscht sich einfache Streuselschnecken. Das Mädchen backt zwei Bleche davon für ihn. Der Mann gesteht daraufhin, dass er gern mit ihr gelebt hätte. Kurz nach ihrem siebzehnten Geburtstag stirbt er. An seiner Beerdigung nimmt die kleine Schwester der Erzählerin teil, nicht aber die Mutter. Jetzt wird deutlich, dass es sich bei dem anfangs fremden Mann um den Vater der Erzählerin handelt.

Das Symbol der Streuselschnecke
  1. Der Begriff kann als Metapher für die sich im Schneckentempo entwickelnde Vater-Tochter-Beziehung verstanden werden: Fremde Stimme – nicht unsympathisch – kannte ihn kaum – noch immer etwas fremd – wusste, wie gern er Torte isst.
  2. Die Schnecke und ihr Haus könnten auch als Metapher stehen für den emotionalen Rückzug des Mädchens: ihr Unbehagen, die langsame Annäherung, ihr kühles Abwägen im Hinblick auf die Beschaffung der Drogen, die Verdrängung des nahen Todes ihres Vaters.
  3. Selbst gebackene, noch warme Streuselschnecken stehen im Sinne einer Metonymie für Zuwendung, Geborgenheit und Liebe.
Veröffentlicht am 17. November 2015. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autorin des Werkes

Deutsche Schriftstellerin
Julia Franck, Jahrgang 1970, ist eine deutsche Schriftstellerin. Ihr Werk umfasst überwiegend Romane und Kurzgeschichten. 2007 wurde sie für den Roman »Die Mittagsfrau« mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Ihre Bücher wurden insgesamt in 39 Sprachen übersetzt.

Hauptpersonen

Ich-Erzählerin

  • kommt aus schwierigen Familienverhältnissen (zieht mit dreizehn von zuhause aus; ihren Vater lernt sie erst mit vierzehn kennen)
  • ist gewöhnt für sich selbst zu sorgen (geht nach der Schule putzen und babysitten)
  • hütet sich vor falschen Erwartungen und neuen Enttäuschungen (wagt nicht, ihren Vater um Geld zu bitten)
  • hat Selbstvertrauen und die Hoffnung, ihren Platz im Leben zu finden (» […] und vielleicht würde ja auch noch eines Tages etwas Richtiges aus mir.«)
  • befindet sich in zweifelhafter Gesellschaft (hat Freunde, die Drogen nehmen)
  • beobachtet ihren Vater genau, macht ihn sich vertraut, versteht ihn (kann sein feines ironisches Lächeln deuten, weiß um seine Schwäche für Torten)
  • liebt ihren Vater, auch wenn sie einen Rest Fremdheit zwischen ihm und sich spürt

Vater der Ich-Erzählerin

  • nimmt erst vierzehn Jahre nach der Geburt seiner Tochter Kontakt zu ihr auf
  • bekennt sich zu ihr (stellt sie seinen Freunden vor, nimmt sie mit zur Arbeit)
  • schüchtern
  • wenig Mut (will sich mit Morphium aus dem Leben stehlen)
  • wenig Selbstvertrauen (schränkt den Wunsch nach gemeinsamem Leben mit seiner Tochter ein: hätte es »zumindest gern versucht«)
  • hat die Chance versäumt, mit seiner Tochter zu leben (auch wenn er nicht gestorben wäre, war der Zeitpunkt vermutlich verpasst – die Siebzehnjährige ist selbständig und fast erwachsen)
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