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Kleider machen Leute

Prüfungsfragen

  • Wie setzt der Erzähler Metalepsen ein?

    Der Erzähler kommentiert das Verhalten Strapinskis vor allem zu Beginn seines Goldacher Aufenthalts, also im Wirtshaus. Er stellt fest, an welchem Punkt Strapinski die Täuschung, die über ihn entstanden ist, aktiv bestätigt und rückt sein Verhalten in eine dezidiert moralische Perspektive.

  • An welchen Stellen äußert sich die Nullfokalisierung (Allwissenheit) des Erzählers besonders deutlich?

    Wenn Strapinski von der Gesellschaft beim Amtsrat aufgefordert wird, ein polnisches Lied zu singen, singt er eines, dessen Bedeutung er selbst nicht versteht. Auch die Zuhörer verstehen kein Polnisch. Der Erzähler aber weiß um den Inhalt, er übersetzt das Volkslied und teilt, um des komischen Effektes willen, die Übersetzung dem Leser mit.

  • An welchen Stellen hält der Erzähler absichtlich Informationen zurück?

    Wenn kurz vor der Verlobungsfeier gesagt wird, dass Melchior Böhni gerade nach Goldach zurückgekehrt ist, wird suggeriert, es handele sich hierbei um einen Zufall. Tatsächlich wird bald deutlich, dass Böhni den Maskenzug der Seldwyler angeregt und den Streich, den sie Strapinski spielen, mitgeplant haben muss. Die Information wird zurückgehalten und später nur über Andeutungen mitgeteilt, um dem Leser Strapinskis Perspektive zu vermitteln. Es handelt sich also gewissermaßen um eine temporäre personale Fokalisierung.

  • Benennen Sie eine Funktion der Sinnbilder, die Strapinski auf den Goldacher Häusern findet!

    Die Sinnbilder gehören in den semiotischen Komplex. Strapinski missdeutet sie als verlässliche Anzeiger dessen, was sich tatsächlich in den Häusern abspiele. Ihm unterläuft so ein ähnlicher (und genau genommen noch naiverer) Irrtum wie den Goldachern im Bezug zu ihm selbst.

  • Was sind die hervorstechendsten Märchenmotive?

    Typisch für ein Märchen ist vor allem der Eingang der Novelle. Der Held musste sein Zuhause verlassen, er ist jetzt unterwegs. Auf der Straße trifft er auf jemanden oder etwas, das sein Schicksal bestimmen wird. Über Umwege findet er zu seinem Glück.

  • Welche Funktion hat das Glücksspiel?

    Das Glücksspiel dient Strapinski in seiner angenommenen Grafenrolle als Einkommensersatz. Während er anfangs noch bei dem Kartenspiel der gehobenen Gesellschaft mitmacht und sich so ein erstes Vermögen erspielt, verfällt er später aufs Lotteriespiel, das er nun vor den Goldachern verbergen muss. Er hofft, mit dem Gewinn ohne Gesichtsverlust aus seiner Rolle aussteigen zu können, und dies gelingt ihm beinahe.

  • Was ist der gemeinsame Nenner der Goldacher und der Seldwyler Schlittenzier?

    Beide Schlittenzüge werden von Sinnbildern der Fortuna angeführt. Die Glücksgöttin steht für die willkürliche, das heißt unbeeinflussbare, zufällige Zuteilung irdischer Güter und weltlichen Ansehens. Der frühneuzeitliche Roman sieht die Welt unter ihrer Herrschaft: Sie sorgt für die Verwirrungen, die nur im Lichte der göttlichen Vorsehung aufgelöst werden können. Der Schneider, der zwischenzeitlich die Grafenrolle spielt, könnte geradezu als Versinnbildlichung der unter Fortunas Herrschaft üblichen Glückswechsel gesehen werden.

  • Welche Ebenen der Handlung lassen sich unterscheiden?

    Ausgangspunkt der Handlung ist ein Element aus Strapinskis beruflicher Laufbahn. Wie das öfters vorkommt, muss er wegen des Konkurses seines ehemaligen Arbeitgebers eine neue Anstellung suchen. Die erste Handlungsebene betrifft also die berufliche Existenz Strapinskis, oder, etwas allgemeiner gefasst, sein weltliches Glück: sein Ansehen, sein Vermögen, seine Arbeit. Die zweite Handlungsebene ist die der Liebeshandlung zwischen ihm und Nettchen. Auf einer dritten Handlungsebene geht es um die Auseinandersetzung der beiden benachbarten Städte Goldach und Seldwyla.

  • Welche Rolle spielt die ästhetische Dimension?

    Erst einmal spielt sie nur eine untergeordnete Rolle. Es gibt in der Novelle keine Dichter und keine Künstler. Dennoch beruht die Täuschung, die über Strapinskis Stand in Goldach entsteht, auch auf einer im ästhetischen Bereich zu verortenden, besonderen Stimmigkeit. Er sieht ebenso aus wie ein Graf, und er hat selbst ein unschuldiges, nämlich selbstgenügsames Vergnügen an der Nachahmung herrschaftlichen Gebahrens. Zweitens hat die Form, in der Strapinski bei der Verlobungsfeier enttarnt wird, eine entschieden ästhetische Komponente: Die geschäftstüchtigen Goldacher wären hier ganz anders verfahren.

  • Welche Rolle spielt das Geld?

    Ökonomische Verhältnisse stehen am Beginn der Novelle. Strapinski ist ohne jedes Vermögen – er müsste betteln. Dank seiner Grafenrolle gerät er in die für die Oberschicht spezifische Kreislaufökonomie des Glücksspiels: Nach bestimmten Regeln werden innerhalb der Oberschicht mitunter große Summen in Bewegung gesetzt. Wer einmal an diesem Spiel teilhat, kann leicht zu Vermögen gelangen und es leicht wieder verlieren. Schließlich kommt Wenzel aufgrund der Heirat Nettchens zu echtem Kapital, mit dem er ein Geschäft gründen kann. Dann erweist er sich als tüchtiger Kapitalist und kommt zu ehrlichem Vermögen.

Veröffentlicht am 24. Januar 2024. Zuletzt aktualisiert am 24. Januar 2024.