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Kleider machen Leute

Rezeption und Kritik

»Kleider machen Leute« und »Romeo und Julia auf dem Dorfe« stechen unter den zehn Novellen der »Leute von Seldwyla« hervor – sie sind beide in die Weltliteratur eingegangen.

Schon die zeitgenössische Aufnahme der Novelle war weitgehend positiv – dabei freilich eingebettet in die Aufnahme des zweiten Teils der »Leute von Seldwyla« insgesamt. Die Kritiker hatten sich eine Meinung über die Novellensammlung also bereits bilden können, und fanden sich nun durch den hinzugefügten zweiten Teil nicht enttäuscht.

Emil Kuh schreibt z. B. am 28. Dezember 1874 in der Wiener Abendpost: 

    Ein drolliges Scherzo, in welches fortwährend Adagiolaute hereinklingen. Meisterhaft hat der Dichter dargestellt, wie das dem rechtschaffenen Schneider seit seinen Knabentagen anhaftende Flöckchen Huchmuth in dem ohne sein Verschulden entstandenen Wirbel lustig mittanzt und wie der ehrliche Schelm aus diesem Grunde, bevor die freundliche Lösung eintritt, gleichsam sich selber die bösen Dinge zurechnet, die ein grillenhaftes Ungefähr angezettelt hat. Das ist eben einer der Hauptvorzüge der Darstellung Kellers, daß sie jedesmal, wenn es nöthig ist, den Punkt zu gewinnen weiß, wo die an ihrer Eigenart zappelnden Creaturen ihrer Verantwortlichkeit innewerden. (Wiener Abendpost, 28.12.1874)

Berthold Auerbach, in der »Deutschen Rundschau« vom Juli 1875, hebt in seiner Besprechung die Trivialität des Stoffes hervor: 

    Solch ein Thema hätten Andere lustig romantisch in Eichendorff’scher Weise oder in grauer, sogenannter strenger Realistik durchgeführt. Gottfried Keller vermeidet Beides, er macht eine anmuthige Geschichte mit dem Hintergrunde zweier Städte daraus, wie eben nur er es machen kann. (Auerbach 42)

Sehr früh wurde die Novelle übersetzt. Marie Rambert fertigte eine französische Übersetzung mit dem Titel »L’Habit fait l’homme« auf der Grundlage der Korrekturfahnen noch vor der Auslieferung des dritten Bands der »Zweiten vermehrten Auflage« (der »Kleider machen Leute« das erste Mal enthielt) für die Westschweizer Zeitschrift »Bibliothèque universelle et Revue suisse« an. Die Novelle war auch das erste Werk Kellers, das ins Englische übersetzt wurde (»Clothes make the man« von Albert Singeisen).

Die Forschung zur Novelle befasste sich besonders ausführlich mit der Suche nach möglichen literarischen und stofflichen Vorbildern.

Es gibt Vertonungen (eine Komische Oper von Alexander Zemlinsky von 1910), Verfilmungen (z. B. mit Heinz Rühmann als Wenzel, Deutschland 1940), Theateradaptionen (Gertraude Röhricht, 1950) und Hörspielbearbeitungen (von G. Ohlisschlaeger, Ursendung am 31. Mai 1932).

Die Novelle ist fester Bestandteil des Schulkanons.

Veröffentlicht am 24. Januar 2024. Zuletzt aktualisiert am 24. Januar 2024.