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Kleider machen Leute

Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1874
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Über das Werk

»Kleider machen Leute« ist neben »Romeo und Julia auf dem Dorfe« die bekannteste Erzählung des Schweizer Dichters Gottfried Keller (1819–1890). Sie eröffnet als erste von fünf Novellen den zweiten Teil der Novellensammlung »Die Leute von Seldwyla« (erster Teil: 1856, zweiter Teil: 1873–1875) und erschien am 20. November 1873 im dritten Band der sogenannten »Zweiten vermehrten Auflage« des Zyklus. Sie ist wahrscheinlich in zwei Phasen entstanden (1865–69 und 1870–72).

Wenzel Strapinski, ein arbeitslos gewordener Schneider aus Seldwyla, der sich gerne vornehm kleidet, wird in Goldach, wohin er zufällig in einer herrschaftlichen Kutsche mitfahren durfte, ohne sein Zutun für einen polnischen Grafen gehalten. Er wird in die höhere städtische Gesellschaft aufgenommen und lernt Nettchen, die Tochter eines Amtsrates, kennen. Das sich anbahnende Liebesverhältnis hindert ihn daran, seinen Vorsatz, die Stadt zu verlassen und aus der Entfernung seine angefallenen Schulden mit Lotteriegewinnen zu begleichen, auszuführen. Bei der großen Verlobungsfeier wird er aufgrund der Bemühungen eines Goldacher Rivalen durch die Seldwyler enttarnt. Nettchen rettet ihn vor dem Tod im Schnee, den er sucht, stellt ihn zur Rede und bekennt sich erneut zu ihm. Das Paar heiratet in Seldwyla und gründet ein bald prosperierendes Tuchgeschäft.

Die Novelle ruht auf einem breiten stofflichen Vorrat, der sich aus Werken der Weltliteratur, der romantischen Literatur (Märchen und Kunstmärchen) und der Tradition des Schelmenromans ebenso speist wie aus volkstümlicher Überlieferung zum Schneiderhandwerk, aus zeitgenössischen Vorstellungen über Polen und aktuell in den Zeitungen verbreiteten Fällen von Hochstapelei.

Kombiniert werden die Hochstaplerhandlung, eine Liebeshandlung und die Ebene der Auseinandersetzung zwischen den beiden benachbarten Städten Seldwyla und Goldach. Die Goldacher, deren Geschäftstüchtigkeit und ordentliche Oberflächlichkeit die Täuschung über den Stand Strapinskis ermöglichen, bilden einen Entwicklungsstand ab, auf den, laut dem Vorwort des zweiten Teils der Novellensammlung, auch die Seldwyler zusteuern, die sich zuerst durch sonderliche Einfälle, Mut zu größeren Streichen und traditionellere Wirtschaftsformen auszeichneten.

Die Novelle hat ausgedehnte szenische Schwerpunkte in der Ankunft Strapinskis in Goldach und in dem Verlobungsfest, auf dem er als Schneider erkannt wird. Schauplätze sind Goldach und Seldwyla und ein Gasthaus auf halber Strecke. Die Handlung beginnt an einem Novembertag und endet im späten Winter (Fastnacht). Ein Ausblick geht über die nächsten zehn Jahre hin.

Komische und ernste Elemente halten in der Novelle dank eines beweglichen, keineswegs homogenen, fein auf die referierten Sachverhalte eingehenden Stils ein Gleichgewicht, das schon in der zeitgenössischen Rezeption rühmend hervorgehoben wurde. Die Novelle wurde rasch ins Französische und Englische übersetzt und gehört heute zum Bestand der Weltliteratur; sie ist häufig vertont und verfilmt und für das Theater adaptiert worden.

Veröffentlicht am 2. Februar 2010. Zuletzt aktualisiert am 24. Januar 2024.

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