Skip to main content

Die Räuber

Figuren

Figurenkonstellation

Die Räuber – Figurenkonstellation
  • Karl

    Karl wird zu Beginn des Dramas erst indirekt durch seinen Bruder Franz und den Vater charakterisiert, bevor er in der zweiten Szene des ersten Aktes selbst auftritt.

    Es wird deutlich, dass Karl dem Vater lieber ist als Franz (»Euer Busenkind«, S. 16, Z. 26), er ist der ältere Sohn (vgl. S. 19, Z. 5) und damit der rechtmäßige Erbe des Grafen von Moor. Franz benennt »Weichheit des Gefühls« (S. 14, Z. 5), »Mut« (S. 14, Z. 7) und einen »feurige[n] Geist« (S. 14, Z. 2) als Charaktereigenschaften Karls. Diese Eigenschaften scheinen ihn aber auch für ein »Luderleben« (S. 13, Z. 5) empfänglich zu machen.

    Die Kindheit Karls ist von »psychischer und physischer Zuwendung« (Neumeyer: 255) geprägt, die er nicht nur von seinem Vater, sondern auch von dem Bediensteten Daniel erhält, der für ihn ebenfalls eine Art Vaterfigur ist (vgl. S. 104, Z. 31f): »Wie manches Zuckerbrot, oder Biskuit oder Makrone ich Euch hab zugeschoben, hab Euch immer am gernsten gehabt« (S. 106, Z. 10-12). So wird Karl »zur Gottheit geformt« (Neumeyer: 255). Das erklärt auch, warum er mit der Zurückweisung in Form des Briefes von Franz in der zweiten Szene nicht umgehen kann, da er sich bis dahin der Zuneigung seines Vaters sicher war (»Die Verzeihung meines Vaters ist schon innerhalb dieser Stadtmauren«, S. 28, Z. 3f).

    In der zweiten Szene des ersten Aktes wird aber zunächst der von Franz bereits erwähnte »feurige Geist« (S. 14, Z. 2) offenbar, da er emotionsgeladen (z. B. »Auf den Boden stampfend«, S. 23, Z. 9) gegen die Gelehrten seines Jahrhunderts wettert (vgl. S. 22, Z. 3-11). »Er fühlt sich durch die Beschränktheit des Denkens seiner Zeit eingeengt« (El-Dandoush: 186), sein Drang nach Autonomie und Freiheit wird deutlich (vgl. Neumeyer: 258) und er präsentiert sich (typisch für den Sturm und Drang) als »Genie-Figur« (Große: 86). Dass die Szene durch einen rapiden Stimmungswechsel Karls geprägt ist (»Mit den Narrenstreichen ist’s nun am Ende«, S. 24, Z. 10f), zeigt, wie inkonsequent Karl in seinem Charakter ist: »Plötzlich zählt für ihn einzig und allein das Gegenteil: die weltabgewandte Familienidylle, die der erstgeborene Sohn des Grafen Moor als dessen würdiger Erbe und als zärtlicher Bräutigam aufzubauen gedenkt, in edlem Wohlverhalten« (Luserke-Jaqui: 32).

    Diese Inkonsequenz zeigt sich auch in seinem Verhalten gegenüber den Räubern. Während er sie im Affekt zu größtmöglicher Grausamkeit aufruft (vgl. S. 36, Z. 30-32), bestraft er das grausame Verhalten von Schufterle später mit Verbannung (»Fort Ungeheuer!«, S. 71, Z. 31f). So funktioniert auch sein Gewissen nicht als regulierende Instanz, sondern lässt ihn seine Taten immer erst im Nachhinein bereuen (vgl. Neumeyer: 259).

    Auch wenn Karl von Beginn an als Führungspersönlichkeit erscheint (»du an der Spitze«, S. 24, Z. 27) und von den anderen zum Räuberhauptmann gewählt wird (»Ohne den Moor sind wir Leib ohne Seele«, S. 34, Z. 28f), ist er ein eher passiver Charakter, der erst handelt, wenn »äußere Umstände oder Anstöße anderer« (Michelsen: 102) ihn dazu drängen. So ist er auch nicht als Charakter zu verstehen, der eine Revolution anstrebt (vgl. Große: 87), sondern als jemand, der im Affekt durch seine Emotionen geleitet Entscheidungen trifft, die ihn an den Rand der Gesellschaft treiben.

    Dass er seine Beute an »Waisenkinder« (S. 64, Z. 25) verteilt, ist daher auch nicht als »systemkritisch betriebene Umverteilung der Güter« (Große: 89) zu verstehen, sondern als Beruhigung seines Gewissens. Mit seinen Überfällen versucht er außerdem nicht gezielt, der gesellschaftlichen Ordnung zu schaden, sondern greift im Gegenteil in erster Linie Personen an, die sich nicht an die gesellschaftlichen Regeln halten (vgl. S. 77, Z. 4-21). »Nicht die patriarchalische Ordnung greift er mit der Gründung seiner Räuberbande an, sondern diejenigen, die sie verraten« (Michelsen: 86).

  • Franz

    Franz sieht sich selbst im »Kontrast« (S. 15, Z. 8) zu Karl. Er beschreibt sich selbstironisch als »der trockne Alltagsmensch, der kalte, hölzerne Franz« (S. 15, Z. 6f). Während Karl sich seiner eigenen Bevorteilung nicht bewusst ist, agiert Franz aktiv gegen sein Stigma als jüngerer, weniger beliebter Sohn (vgl. Neumeyer: 255f). »Die permanente Abwertung des einen bei gleichzeitiger Aufwertung des anderen Sohnes bringt den Hass auf den Vater ebenso hervor wie den Neid gegenüber dem privilegierten Bruder« (Neumeyer: 255). Zudem beschreibt er auch sein äußeres Erscheinungsbild als hässlich (»Hässlichkeit«, S. 19, Z. 7).

    Franz ist der einzige Charakter in den »Räubern«, der auf sich allein gestellt ist (vgl. Michelsen: 81). Er bedient sich zwar anderer Menschen, doch diese Beziehungen beruhen auf Manipulation und nicht auf gegenseitiger Wertschätzung; so ist beispielsweise Hermann für ihn nur ein »Ochse« (S. 48, Z. 25), den er als Werkzeug für seine Ziele einsetzen kann.

    Im Gegensatz zu Karl ist er ein aktiver Charakter, der seine Pläne stets in die Tat umsetzt und kein Mittel scheut, um seine Ziele zu erreichen (vgl. Michelsen: 103). Er beruft sich auf das Recht des Stärkeren (vgl. Große: 84) und sieht sich seiner Familie nicht verpflichtet, da er die familiären Bande auf eine rationale Ebene reduziert: Sein Vater hat ihn in einem »viehische[n] Prozess« (S. 21, Z. 7) gezeugt und sein Bruder ist zufällig aus »ebendem Ofen geschossen« (S. 20, Z. 20).

    Auch die Religion sieht er, ebenso wie die Familie, nur als regulierende Instanz, die von den Herrschenden instrumentalisiert werden kann (vgl. Große: 84), sodass er seine Autonomie nicht von der Religion und auch nicht von seinem Gewissen begrenzen lassen möchte. Er erkennt die göttliche Ordnung zwar an (vgl. Neumeyer: 286), behauptet sich durch den Selbstmord aber trotzdem als »autonomes Subjekt« (Neumeyer: 286).

  • Maximilian Moor

    Maximilian, der regierende Graf von Moor, ist der Vater von Karl und Franz. Über die Mutter der beiden erfährt man nichts.

    Er wird von Beginn an als körperlich schwacher Charakter dargestellt, indem Franz eine große Sorge um seine Gesundheit zeigt: »Aber ist Euch auch wohl, Vater? Ihr seht so blass« (S. 11, Z. 5). Seine körperliche Schwäche zieht sich durch das Drama: Zunächst wird er nach seiner Ohnmacht von Amalia für tot gehalten (vgl. S. 58, Z. 2-7) und dann glaubt Karl, dass der Geist seines Vaters vor ihm stehe (»Geist des alten Moors«, S. 122, Z. 1).

    Sein Charakter ist häufig synchron zu dem empfindsamen Charakter von Amalia, was sich durch Parallelen in ihren Aussagen zeigt (z. B. »Schlaf des Todes von dem Gebet eines Sohnes«, S. 50, Z. 18f vs. »Schlaf des Todes von dem Gesang des Geliebten«, S. 50, Z. 21). Während die Empfindsamkeit bei Amalia zu ihrer Position als Geliebter zu passen scheint, ist sie bei dem alten Moor insofern problematisch, als seine Schwäche zu einer Orientierungslosigkeit bei Franz und Karl führt (vgl. Große: 91). Der Vater müsste in der patriarchalen Gesellschaft als Autoritätsfigur dienen, kann dies aber nicht leisten.

  • Amalia

    Amalia wird zunächst von Karl als Sehnsuchtsobjekt in der Heimat (»in den Armen meiner Amalia lockt mich edler Vergnügen«, S. 27, Z. 34f) in die Handlung eingeführt und behält diese Position der Geliebten Karls im gesamten Drama.

    Im Gegensatz zum alten Moor zweifelt sie nie wirklich an Karl und kann so die Lügen von Franz erkennen (z. B. »alles war Lüge«, S. 40, Z. 24), auch wenn dieser mehrfach seine Taktik ändert. Sie erhebt Karl zu einem gottähnlichen Helden (z. B. »Nachstrahl der Gottheit«, S. 112, Z. 7) und ist ihm treu ergeben. Dies ist auch dann noch der Fall, als sie seinen wahren Charakter erkennt: »Mörder! Teufel! Ich kann dich Engel nicht lassen« (S. 144, Z. 34f).

    Da ihr ganzer Charakter von der Sehnsucht nach Karl geprägt ist, kann sie auch den erneuten Verlust ihres Geliebten am Ende des Dramas nicht ertragen. Obwohl ihre Sprache von religiöser Symbolik geprägt ist (z. B. »himmlischen Hörern«, S. 56, Z. 20), scheut sie den Selbstmord nicht daher, »dass sie aus religiösen Gründen Angst vor dem Tod hat. […] Vielmehr hat Amalia Angst davor, sich selbst körperliche Gewalt zuzufügen. Wie bei Franz meldet sich der Selbsterhaltungstrieb, und wie Franz delegiert sie deshalb die Tötung an einen anderen« (Neumeyer: 293), sodass sie am Ende durch die Hand ihres Geliebten stirbt (vgl. S. 147, Z. 10).

  • Spiegelberg

    Spiegelbergs Name kann insofern wörtlich verstanden werden, als er in Bezug auf gewisse Charakterzüge einen verzerrten Spiegel für Karl darstellt (vgl. Luserke-Jaqui: 32). Über seine Vorgeschichte ist so gut wie nichts bekannt (vgl. Große: 79). Und auch wenn einige seiner Angaben, z. B., dass er beschnitten ist (vgl. S. 23, Z. 32f) und sich auf Jerusalem beruft (vgl. S. 24, Z. 5), darauf hindeuten, dass er Jude ist, wird dies von Schiller im Drama nicht explizit benannt (vgl. Große: 82).

    Durch sein rhetorisches Geschick kann er seinen Weggefährten zwar vor Augen führen, »welches schmähliche Leben sie im Rahmen der bürgerlichen Ordnung erwartet« (Luserke-Jaqui: 33), seine Pläne sind allerdings nicht ausgereift und ihm »fehlt jegliches politisches Kalkül« (Große: 81), sodass er am Ende Karl gegenüber zurückstecken muss.

    Er selbst übernimmt im Drama durch seine grausamen Taten und die »Ästhetisierung der Hölle« (Luserke-Jaqui: 33) die Rolle eines mit dem Teufel in Verbindung stehenden Charakters.

    Dadurch, dass er sich im Gegensatz zu Karl nicht einmal für seine Taten schämt (»Hast du nicht einmal so viel Scham, dich dieser Streiche zu schämen?«, S. 25, Z. 17f), bildet er einen Kontrast zu Karl und steht ihm durch seine Mordpläne (vgl. S. 36, Z. 18) von Beginn an entgegen.

  • Die Räuber

    Die Räuber leben zwar abseits der Gesellschaft, weichen in ihrer hierarchischen Struktur mit Karl an der Spitze aber nicht sehr weit von der gesellschaftlichen Ordnung ab (vgl. Luserke-Jaqui: 22).

    Spiegelberg gründet die Räuberbande zwar (vgl. S. 30, Z. 26-31), Karl führt sie allerdings an. Gründungsmitglieder sind außerdem Schweizer, Grimm, Roller, Schufterle und Razmann. Durch weitere Rekrutierungen steigt die Zahl der Räuber im Verlauf der Handlung auf »achtzig« (S. 73, Z. 1) an.

    Während einige durch Karls edelmütige Taten angezogen worden sind (vgl. S. 64, 17f), sind viele aber auch zu Grausamkeiten fähig, sodass Karl die Bande nicht immer kontrollieren kann. Schufterle wird für seine Taten zwar verbannt (vgl. S. 71, Z. 30-32), aber auch Razmann lässt sich von Spiegelberg fast zu einem Mordkomplott gegen Karl überreden (vgl. S. 115, Z. 8).

    Dies wird durch Schweizer verhindert, der Karl treu ergeben ist (»fahr hin Meuchelmörder«, S. 115, Z. 17). Zu den Karl treu ergebenen Räubern zählt außerdem Roller, der erst von Karl vor dem Galgen gerettet wird (vgl. S. 67), um dann für ihn zu sterben (»mein Roller starb einen schönen Tod«, S. 88, Z. 19f). Schweizer stirbt am Ende ebenfalls, allerdings durch Selbstmord, da er Karls Auftrag nicht ausführen kann (vgl. S. 139, Z. 20f).

    Eine besondere Rolle bei den Räubern nimmt außerdem Kosinsky ein, der durch die Parallelität zu Karls Leben dessen Sehnsucht nach Amalia und seiner Heimat verstärkt und so das Finale des Dramas auslöst.

Veröffentlicht am 18. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 26. April 2023.