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Die Räuber

Akt 4, Szene 1-5

Zusammenfassung

Szene 1

Die Räuber sind in der Nähe des Schlosses Moor angekommen und Karl bittet Kosinsky, ihn im Schloss anzumelden, allerdings unter einem anderen Namen.

Nachdem Kosinsky weggegangen ist, um den Auftrag zu erfüllen, erfreut sich Karl ausführlich daran, die Gegend, in der er aufgewachsen ist, wiederzuentdecken und in Erinnerungen an seine Kindheit zu schwelgen.

Karls Stimmung schlägt um, nun hinterfragt er seine Entscheidung, seine Freiheit für ein Leben im Schloss aufzugeben. Da er sich aber danach sehnt, Amalia und seinen Vater wiederzusehen, eilt er schließlich doch auf das Schloss zu und tritt ein, begleitet von einer düsteren Vorahnung.

Szene 2

Amalia und Karl, der sich als Graf von Brand ausgibt, betrachten in der Galerie des Schlosses Familienporträts aus der Ahnenreihe der Grafen von Moor.

Amalia erkennt Karl nicht, fühlt sich aber von dem fremden Grafen angezogen. Amalia deutet den Verlust an, den sie erlitten hat, und wird dabei von ihren Gefühlen überwältigt. Sie entflieht weinend und Karl sieht in ihrem Verhalten eine Bestätigung dafür, dass sie ihn liebt. Gleichzeitig gibt er sich aber auch die Schuld am vermeintlichen Tod seines Vaters.

Im Gegensatz zu Amalia ist Franz in der Lage, Amalias Reaktion auf den Fremden richtig zu deuten. Er erkennt, dass es sich um Karl handelt. Als Daniel die Szene betritt, wittert Franz einen Verrat. Er bittet ihn um Wein, beschuldigt ihn dann aber, den Wein vergiftet zu haben. Er bedroht Daniel, damit dieser zugibt, sich mit Amalia und Karl gegen ihn verbündet zu haben.

Daniel beschwört seine Unschuld und bestreitet, den Grafen von Brand zu kennen. Franz ordnet an, dass Daniel den fremden Grafen töten soll und droht ihm, als dieser nicht sofort zustimmt. Er stellt ihm ein Ultimatum und Daniel willigt schließlich ein, den Mord am folgenden Tag auszuführen.

Die Szene endet damit, dass Franz über den Sinn des Lebens philosophiert.

Szene 3 und 4

In der dritten Szene treffen Daniel und Karl im Schloss aufeinander. Als Daniel Karl eröffnet, dass er ihn erkannt hat, kommt es zu einem freudigen Wiedersehen.

Karl versucht anfangs zwar, die Fassade aufrechtzuerhalten, aber Daniel erzählt Geschichten aus seiner Kindheit. Unter anderem erinnert er daran, wie Karl sich die Narbe an seiner Hand zugezogen hat. Als Karl erkennt, dass es keinen Sinn mehr ergibt, seine Identität zu verleugnen, fällt er Daniel um den Hals.

Sie sprechen über Amalia, aber Karl bittet Daniel, ihr und auch Franz nichts zu verraten. Daniel deutet an, welche Verbrechen Franz begangen hat, und geht anschließend fort, während Karl über die Niedertracht seines Bruders wütet.

Er beauftragt Kosinsky, die Pferde zu satteln, um dem Schloss schnellstmöglich zu entfliehen. Nachdem Kosinsky den Auftrag ausgeführt hat, bittet Karl ihn aber, noch etwas zu warten, damit er sich ein letztes Mal mit Amalia treffen kann.

Dieses Treffen wird in der vierten Szene beschrieben: Amalia hält sich im Schlossgarten auf und denkt über ihre Liebe zu Karl und ihre Gefühle für den Grafen von Brand nach. Sie befindet sich in einem Zwiespalt, weil sie sich zu dem Grafen von Brand hingezogen fühlt, Karl aber treu sein möchte. Sie kommt gerade zu dem Entschluss, dass sie den fremden Grafen meiden sollte, als der verkleidete Karl den Garten betritt.

Sie starrt auf ein Bild von Karl. Als der Graf sie über dieses Bild befragt, beginnt sie, von Karl zu schwärmen. In Gestalt des vermeintlichen Grafen von Brand erzählt Karl ihr nun von seiner Geliebten, die auch Amalia heiße. Während Amalia glücklich ist, weil sie darauf hoffen kann, im Tod mit ihrem Geliebten wiedervereint zu werden, sagt Karl, dass seine Geliebte nicht glücklich sein könne, weil er ein Mörder sei.

Amalia beginnt, das Hektor-Lied zu spielen, und Karl steigt kurz ein, um die Szenerie dann fluchtartig zu verlassen.

Szene 5

In einem nahe dem Schloss gelegenen Wald lagern die Räuber. Sie singen ein Lied über ihr Räuberleben, in dem Gewalt und Diebstahl verherrlicht werden. Die Räuber stellen fest, dass ihr Hauptmann Karl nicht zum verabredeten Zeitpunkt zurückgekehrt ist.

Spiegelberg nutzt die Gelegenheit, um Razmann davon zu überzeugen, Karl zu töten. Schweizer aber hat das Gespräch belauscht und tötet daraufhin Spiegelberg. Razmann wird davongejagt.

Es ertönen Schüsse, die die Ankunft des Hauptmanns ankündigen. Karl und Kosinsky betreten das Lager. Karl zeigt sich bestürzt über den Mord an Spiegelberg, worauf Schweizer sich verdrossen entfernt.

Karl schickt die Räuber schlafen, damit er allein sein kann, und spielt auf seiner Laute ein Lied über Brutus, der seinen Vater Cäsar ermordete. Er verliert sich in seinen finsteren Gedanken und setzt dazu an, sich selbst zu töten. Schlussendlich entscheidet er sich aber gegen den Selbstmord und dafür, sein Schicksal zu ertragen.

Karl beobachtet, wie Hermann einem unbekannten Gefangenen Essen bringt, und hält ihn auf, als er wieder verschwinden will. Hermann erschrickt jedoch und flieht. Als Karl den gefangenen alten Moor befreit, erkennt dieser seinen Sohn nicht; Karl wiederum hält den Gefangenen zunächst für den Geist seines Vaters. Der alte Moor gibt sich jedoch als lebendigen Menschen zu erkennen, allerdings ohne zu merken, dass er mit seinem Sohn Karl spricht. Er erzählt, dass sein Sohn Franz schuldig an seiner Lage sei, da dieser seinen Vater beseitigen wollte, um Herr über Schloss Moor zu werden.

Karl, der nun über Franz’ Untaten Bescheid weiß, weckt die Räuber und schwört, sich an seinem Bruder zu rächen. Er gibt Schweizer den Auftrag, Franz lebend zu ihm zu bringen.

Analyse

Szene 1

Karl kehrt im vierten Akt in seine Heimat und zum väterlichen Schloss zurück. Er will allerdings unerkannt bleiben und schickt Kosinsky, um ihn als »Graf von Brand« (S. 95, Z. 7) im Schloss anzumelden.

Karl begrüßt die alte Heimat (»Sei mir gegrüßt, Vaterlandserde! […] Vaterlandshimmel! Vaterlandssonne!« (S. 95, Z. 10f) und schwelgt in Erinnerungen an die »goldenen Maienjahre der Knabenzeit« (S. 95, Z. 24f). Doch je »mehr und je deutlicher die Erinnerungsbilder wieder wach werden, um so [sic!] mehr wächst auch seine Verzweiflung« (Große: 56). Seine Stimmung schlägt um und er vergleicht sich mit einem »Gefangenen« (S: 95, Z. 33), da seine Heimat auch der Ort ist, an dem er nicht frei sein kann. Er setzt sein vergangenes und sein jetziges Ich in Kontrast: Der »Knabe Karl war ein glücklicher Knabe – itzt saht ihr den Mann, und er war in Verzweiflung« (S. 96, Z. 5f). Bevor er sich aber endgültig von seiner Heimat abwenden kann, will er Amalia und auch seinen Vater noch ein letztes Mal treffen (»sehen muss ich sie – muss ich ihn«, S. 96, Z. 10f). Auch wenn Karl noch nicht wissen kann, was ihn erwartet, verspürt er eine Vorahnung: »Todesschauer – Schreckenahndung« (S. 96, Z. 20).

Szene 2

Die zweite Szene des vierten Aktes besteht aus zwei Teilen. Zuerst dreht sich die Handlung um Karl und Amalia, anschließend treten Franz und Daniel auf.

Karl gibt sich auch hier nicht zu erkennen, doch er zeigt Amalia, dass er den alten Moor kennt. Dieser sei am »sanftmütigen Zug um den Mund« (S. 97, Z. 4) erkennbar. Seine Sanftmütigkeit zeichnet den Grafen von Moor aus, macht ihn aber auch innerhalb einer patriarchalischen Struktur ungeeignet zum Oberhaupt einer Dynastie.

Obwohl Karl beim Anblick des Bildes seines Vaters diesen auch »Vater« (S. 97, Z. 11) nennt, kann Amalia nicht die richtigen Schlüsse ziehen. Sie zeigt aber in dieser Szene die gleiche pessimistische Lebenseinstellung wie Karl in der zweiten Szene des dritten Aktes: »Alles lebt, um traurig wieder zu sterben« (S. 97, Z. 22f). Dass Karls Vater noch lebt, teilt sie ihm nicht mit (vgl. S. 97, Z. 16), da sie diesen Teil von Hermanns Nachricht in der ersten Szene des dritten Aktes offenbar nicht wahrgenommen hat.

Dass Amalia zu weinen beginnt, als sie bei Karls eigenem Bild ankommen (»dies Bild rechter Hand«, S. 97, Z. 32), zeigt Karl, dass Amalia ihn nicht vergessen hat: »Sie liebt mich, sie liebt mich!« (S. 97, Z. 36). Diese Freude wird aber dadurch getrübt, dass Karl sich die Schuld am vermeintlichen Tod seines Vaters gibt (»Ich, ich habe ihn getötet!«, S. 98, Z. 7f).

Franz erkennt seinen Bruder, denn er merkt: »Amalia ist nicht gleichgültig gegen ihn« (S. 98, Z. 16). Da er von ihr selbst genug Beweise für ihre Liebe zu Karl bekommen hat, macht ihn dies misstrauisch. Schließlich erkennt er ihn auch an markanten optischen Eigenschaften: »Sein langer Gänsehals – seine schwarzen, feuerwerfenden Augen, […] – sein finsteres, überhangendes, buschigtes Augenbraun« (S. 98, Z. 25-28). Er zeichnet hier allerdings ein eher düsteres Bild von Karls äußerer Erscheinung, das zeigt, wie bedrohlich Karl auf ihn wirkt. Sein Auftauchen droht, seine bisherigen Erfolge zu gefährden. Daher beginnt er auch direkt zu planen, wie er Karl beseitigen kann, da es auf eine unmoralische Tat mehr für ihn nicht mehr ankommt: »Bin ich doch ohnehin schon bis an die Ohren in Todsünden gewatet, dass es Unsinn wäre zurückzuschwimmen, wenn das Ufer schon so weit hinten liegt« (S. 99, Z. 2-5).

Da Franz sich als Einzelkämpfer sieht, der Beziehungen zu anderen nur pflegt, wenn diese ihm nutzen (z. B. Hermann), kann er anderen gegenüber nur Misstrauen empfinden (vgl. Große: 57). Dies zeigt sich nun darin, dass er eine Verschwörung von Karl, Amalia und Daniel vermutet (»den haben sie auch schon gegen mich aufgewiegelt?«, S. 99, Z. 11f). So sehr er es auch versucht, kann er Daniel allerdings keine Informationen dazu entlocken. Er gibt diesem aber durch seine eigene Investigation den entscheidenden Hinweis, um Karl zu erkennen, wie sich in der nächsten Szene zeigt.

Um sich Daniels »blinden Gehorsam« (S. 101, Z. 32) zu sichern, bedroht er ihn und stellt ihn vor die Wahl: »Glück und Unglück« (S. 103, Z. 10). Daniel sichert ihm zwar nur Gehorsam zu, »wenn es nicht wider Gott und mein Gewissen geht« (S. 101, Z. 19f), doch für Franz ist es unvorstellbar, dass Daniel ihm am Ende nicht gehorchen könnte, da er ihn nicht als »Märtyrer« (S. 103, Z. 16) sieht.

Der Glaube an Gott ist für ihn kein ausschlaggebender Punkt, da es sich dabei nur um »Weihnachtsmärchen« (S. 101, Z. 22) handeln würde, die dazu dienten, die »erwachende Vernunft an Ketten abergläubischer Finsternis zu legen« (S. 104, Z. 3-5). Diese Art von Religionskritik charakterisiert ihn als Mensch der Aufklärung. Seine moralische Verkommenheit begründet sich in der Sinnlosigkeit, die Franz im Leben sieht. Dass es in einem ewigen Kreislauf im »Morast« (S. 104, Z. 12) beginnt und endet, mindert auch den Wert des Lebens selbst. So fühlt sich Franz seinem Gewissen nicht mehr verpflichtet und scheut nicht vor dem Brudermord zurück (vgl. Große: 58).

Szene 3 und 4

In der dritten Szene treffen Karl und Daniel aufeinander. Daniel ahnt, dass es sich bei dem Grafen von Brand um Karl handelt. Er besteht darauf, seine Hand zu küssen (»Eure Hand, Eure Hand! Ich bitt Euch«, S. 104, Z. 33), weil er weiß, dass Karl an der rechten Hand eine Narbe hat (»Diese Narbe!«, S. 105, Z. 19), an der er Karl erkennen kann.

Karls Reaktion auf Daniel zeigt, dass dieser für ihn in der Kindheit eine wichtige Vaterfigur war (»Den ich Vater nennen möchte«, S. 104, Z. 31f). Die Zuneigung, die Daniel für Karl empfindet, wird ebenfalls sehr deutlich (z. B. »mein goldiger Junker«, S. 106, Z. 26f).

Karls Fokus liegt allerdings auf Amalia, sodass er sofort beginnt, Daniel über sie auszufragen: »Was macht meine Amalia?« (S. 106, Z. 31f) und »Steh auf, sage mir, was macht meine Amalia?« (S. 107, Z. 8). Nicht ahnend, dass Amalia tatsächlich von Karls Hand sterben wird, sagt Daniel ihm: »Amalia, oh die wird’s nicht überleben, die wird sterben vor Freude!« (S. 107, Z. 10f). Amalias Tod wird hier also schon angedeutet, ohne dass Daniel selbst die Wahrheit hinter seinen Worten erkennen kann.

Daniel erzählt Karl davon, was Franz alles getan hat. Karls wütende Reaktion zeichnet sich durch viele Interjektionen und Wiederholungen aus (z. B. »oh Schelmerei, Schelmerei!«, S. 108, Z. 14). Er sinnt an dieser Stelle jedoch nicht auf Rache, sondern sucht sein Heil in der Flucht: »Wir müssen vor Sonnenuntergang noch über den Grenzen sein!« (S. 108, Z. 27f). Dies liegt darin begründet, dass sich die Dinge, die er von Daniel erfahren hat, in erster Linie gegen ihn selbst richten und er noch nicht weiß, was Franz dem Vater eigentlich angetan hat. Das wird sich erst in der fünften Szene ändern.

Karl bringt es aber nicht über sich, zu gehen, bevor er Amalia noch ein letztes Mal gesehen hat: »ein Lebewohl noch« (S. 109, Z. 13). Erst durch diese Verzögerung nimmt die Handlung ihren weiteren drastischen Verlauf, da Karl ohne sie nicht später auf Hermann treffen und seinen Vater finden würde (vgl. Große: 58).

»Die vierte Szene ist wieder lyrischer Ruhepunkt in der Dynamik und Hektik des Geschehens« (Große: 59). Bevor die Handlung ihr aufwühlendes Finale erreicht, baut Schiller noch einmal eine ruhige Gartenszene ein.

Amalia fragt sich: »[…] warum meine Seele, so immer, so wider willen [sic!] nach diesem Fremdling?« (S. 109, Z. 30-32). Dass sich hinter dem fremden Grafen von Brand Karl verbirgt und sie sich deshalb von ihm angezogen fühlt, bemerkt sie in dieser Szene immer noch nicht. So schimpft sie auf ihr »falsches treuloses Herz« (S. 109, Z. 25) und kann sich auch nicht mit dem Entschluss behelfen, den Grafen nie wieder zu sehen (vgl. S. 110, Z. 1-2), da er genau in diesem Moment den Garten betritt.

Sie fühlt sich durch ihren Zwiespalt gelähmt (»da hat mich’s angewurzelt«, S. 110, Z. 6). Sie setzt sich selbst im Kontrast zu den beiden Männern herab; während es sich bei diesen um »Gottheiten« (S. 110, Z. 9) handelt, ist sie nur ein »sterbliches Mädchen« (S. 110, Z. 9f) und darum den beiden hilflos ausgeliefert. Amalia verdeutlicht durch die an die Anapher »hier« geknüpfte Aufzählung (S. 110, Z. 31 – S. 111, Z. 5), wie sehr ihre Liebe zu Karl an diesen Ort gebunden ist. Sie hält sich im Schlossgarten oft und auch in diesem Moment des Zweifelns auf, weil sie sich Karl dort näher fühlen kann. Trotzdem erkennt sie Karl auch an diesem Ort nicht, obwohl er ihr durch die Wiederaufnahme ihrer Worte Hinweise gibt: »er wandelt durch ungebahnte, sandigte Wüsten« (S. 111, Z. 8f - Amalia) – »Sie weiß mich in Wüsten irren« (S. 111, Z. 24). Nicht einmal ihr eigener Name von Karls Lippen kann ihr den entscheidenden Hinweis geben: »Auch heißt sie Amalia wie Sie« (S. 111, Z. 26).

Auch der Widerspruch zwischen Karls Geliebter als »unglückliches Mädchen« (S. 112, Z. 5) und ihr selbst als »glückliches Mädchen« (S. 112, Z. 6f), fällt ihr nicht auf, da sie überzeugt ist, dass ihr Karl nicht »eine Fliege […] leiden sehen« (S. 112, Z. 8f) konnte. Sie singt erneut das Lied über Hektor, das sie schon in der zweiten Szene des zweiten Aktes gesungen hat, doch diesmal steigt Karl mit ein (vgl. S. 112, Z. 22-23), flieht dann allerdings, von seinen Gefühlen überwältigt, da er nun weiß, dass Amalias Bild von ihm nicht mit seiner realen Persönlichkeit übereinstimmen kann und so eine für ihn unüberwindbare Barriere geschaffen ist.

Szene 5

Im Anschluss an den vierten Akt, der mit einem Lied endet, beginnt auch der fünfte Akt mit einem Lied. Da die beiden Lieder aber unterschiedlicher nicht sein könnten, wird dadurch ein großer Stimmungskontrast hergestellt (vgl. Große: 59). In dem Lied werden die schlimmen Taten der Räuber verharmlost, sie sind bloßer Zeitvertreib: »Stehlen, morden, huren, balgen – Heißt bei uns nur die Zeit zerstreun« (S. 112, Z. 30f). Der Preis für ein »freies Leben« (S. 113, Z. 1) ist der »Galgen« (S. 112, Z. 32). Das Motiv der Freiheit spielt auch im weiteren Verlauf dieser Szene eine wichtige Rolle.

Karls Abwesenheit (»Es wird Nacht, und der Hauptmann noch nicht da!«, S. 113, Z. 32f) wird von Spiegelberg genutzt, um sich mit Razmann gegen den Hauptmann zu verbünden. Um Razmann zu überzeugen, führt er ihm vor Augen, dass sie unter Karls Führung nicht wirklich frei sein könnten (vgl. S. 114, Z. 19). Außerdem zeigt sich, dass die Geschehnisse im zweiten Akt immer noch in ihm nachwirken. Auch wenn Karl von den anderen zum Hauptmann ernannt wurde, hat er ihm aus seiner Sicht den Titel streitig gemacht, der »von Rechts wegen« (S. 114, Z. 29) ihm zustünde, da er es war, der die Idee für die Räuberbande hatte. Die Eindringlichkeit von Spiegelbergs Rede wird durch die häufige Nennung von Razmanns Namen deutlich (vgl. S. 115, Z. 2-4). Auch das Motiv der »Freiheit« (S. 115, Z. 6) wird von Spiegelberg erneut aufgegriffen, da dieses zentral für das Räuberleben ist.

Der Mord kann durch Schweizer zwar vereitelt werden, indem dieser wiederum Spiegelberg tötet (»fahr hin Meuchelmörder«, S. 115, Z. 17), es deutet sich durch diesen Komplott aber schon an, was sich anschließend bestätigt: »Karl […] ist keine Führernatur mehr« (Große: 59). Auf den Mord reagiert er folgerichtig auch nicht mit Befehlen an die Räuber, wie diese es wünschen (»Gib uns Ordre, Hauptmann«, S. 116, Z. 28), sondern schickt sie nur schlafen (vgl. S. 117, Z. 7) und widmet sich seiner Laute. Durch diese hofft er, seine »Kraft« (S. 116, Z. 32) wiedererlangen zu können, da er sich in diesem Moment orientierungslos und auf sich selbst gestellt fühlt (vgl. Große: 60).

Das von Karl gesungene Lied über Cäsar und Brutus thematisiert einen klassischen Vater-Sohn-Konflikt, da der eine nicht führen kann, solange der andere noch lebt (»Wo ein Brutus lebt, muss ein Cäsar sterben«, S. 118, Z. 25). Karls Orientierungslosigkeit gipfelt in Selbstmordgedanken, die Pistole fungiert als »[g]rauser Schlüssel, der das Gefängnis des Lebens« (S. 119, Z. 19f) hinter ihm zu schließen vermag. Die einzige Freiheit, die ihm jetzt noch bleibt, ist die für oder gegen das Leben selbst (»Diese Freiheit kannst Du mir nicht nehmen«, S. 120, Z. 6f). Doch sein »Stolz« (S. 120, Z. 11) überwiegt am Ende. Er entscheidet sich für das Leben, weil er nicht aufgeben will (vgl. Große: 61).

Der zweite Teil der Szene setzt ein und wird von schaurigen Elementen (z. B. »Kauz«, S. 120, Z. 15) untermalt (vgl. Große: 61), sodass es in die Szenerie passt, dass Karl seinen Vater zunächst für dessen Geist hält (»Geist des alten Moors«, S. 122, Z. 1). Karl erkennt aber immerhin, dass es sich überhaupt um seinen Vater handelt, während es dem Vater nicht möglich ist, Karl zu erkennen, da er diesen nach wie vor für tot hält, auch wenn Hermann ihm einen Hinweis gibt: »droben dein Helfer, dein Rächer. – Verfluchter Sohn« (S. 121, Z. 3f).

Nach seiner Befreiung erzählt der alte Moor den bisher fehlenden Teil der Handlung, in dem Franz ihn zu beseitigen versucht hat. Da Franz die Schuld nun eindeutig zugeordnet wird (»Das hat mein Sohn Franz getan«, S. 122, Z. 25f), muss Karl nun tatsächlich zum Rächer seines Vaters werden, da das brüderliche »Band der Natur« (S. 124, Z. 18) durch Franz‘ Tat zerrissen ist. Das unterstreicht Karl auch gestisch, indem er seine Kleidung zerreißt (S. 125, Z. 1).

Schweizer, der sich durch den Mord an Spiegelberg als treu erwiesen hat, bekommt die Aufgabe, Franz zu Karl zu bringen, allerdings lebendig (»liefr‘ ihn mir nicht tot!«, S. 126, Z. 19f). Durch die Worte »Entweder, du siehst zwei zurückkommen, oder gar keinen« (S. 126, Z. 29f) besiegelt Schweizer am Ende der Szene sein eigenes Schicksal.

Veröffentlicht am 18. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 18. April 2023.