Skip to main content

Die Räuber

Akt 5, Szene 1-2

Zusammenfassung

Szene 1

Der fünfte Akt steigt damit ein, dass Daniel fortgehen will, um sich Franz’ Herrschaft zu entziehen. Franz stürmt herbei, er wirkt aufgewühlt und erschreckt Daniel, bevor er ihn fortschickt, um Licht anzuzünden. Die anderen Bediensteten werden angewiesen, alle zu wecken und zu bewaffnen.

Franz wirkt paranoid. Als Daniel mit einem Licht zurückkehrt, berichtet er ihm von einem apokalyptischen Traum, versucht dabei aber zu überspielen, wie verstört er durch die Traumbilder ist. Statt Franz zu beruhigen, verlässt Daniel den Raum und Pastor Moser tritt ein.

Franz versucht, sich gelassen zu geben und spricht mit dem Pastor über die Existenz Gottes. Er klammert sich an die Hoffnung, dass es keinen Gott gebe, um nicht für seine Taten büßen zu müssen. Als Pastor Moser aber Bruder- und Vatermord als die schlimmsten Sünden benennt, fällt Franz verzweifelt in seinen Stuhl und der Pater verlässt ihn.

Ein Bediensteter informiert Franz darüber, dass Amalia und der Graf verschwunden seien und Daniel berichtet ihm von der Räuberbande, die über das Dorf hergefallen ist. Während Franz der Religion vorher kritisch gegenüberstand, beginnt er nun zu beten.

Die Räuber nähern sich und Franz fordert Daniel auf, ihn zu töten, um den Räubern zu entgehen. Weil Daniel dies verweigert und flieht, erdrosselt Franz sich selbst mit einer Hutschnur. Als Schweizer erkennt, dass er Karls Auftrag nicht ausführen kann, da Franz bereits tot ist, erschießt er sich.

Szene 2

Die letzte Szene des Dramas spielt wieder am Lagerplatz der Räuber im Wald. Karl wartet ungeduldig darauf, dass seine Räuber mit Franz zurückkehren. Als sein Vater erwähnt, dass er Franz verzeihen möchte, reagiert Karl ungehalten. Der alte Moor wünscht sich außerdem Karls Vergebung, die Karl ihm zusichert. Noch immer erkennt er ihn dabei nicht als seinen Sohn.

Als die Räuber zurückkehren und berichten, dass Schweizer und Franz tot seien, freut Karl sich über den Tod seines unmoralischen Bruders. Die Räuber führen Amalia herbei und als diese ihren Geliebten erkennt, reagiert Karl abweisend, da er sich seiner Taten schämt.

Der alte Moor stirbt vor Schreck und Entsetzen, als er erkennt, dass es sich bei dem Räuberhauptmann um seinen Sohn handelt. Obwohl auch Amalia zunächst schockiert ist, will sie weiterhin mit Karl zusammenbleiben.

Karl schöpft Hoffnung, am Ende doch mit Amalia vereint sein zu können, doch die Räuber erinnern ihn an seinen Schwur, für immer ihr Hauptmann zu bleiben. Ohne Karl will Amalia nicht leben und fleht nun darum, getötet zu werden. Diesen Wunsch erfüllt ihr Karl schließlich.

Mit Amalias Tod sieht Karl seine Schuld bei der Räuberbande bezahlt. Daher wendet er sich von seinen Gefolgsleuten ab, um sich der Gerichtsbarkeit zu stellen.

Analyse

Szene 1

Im fünften Akt stellen sich sowohl Franz als auch Karl vor ein Gericht. Während es sich bei Franz um das göttliche Gericht handelt, gibt sich Karl in die Hände der menschlichen Gerichtsbarkeit (vgl. Große: 62).

So beginnt die erste Szene auch mit dem Motiv des Jüngsten Gerichts (vgl. S. 130, Z. 15), da Franz‘ Traum von dieser Szenerie geprägt ist: z. B. »ungeheurer Donner« (S. 129, Z. 36) und »eherne[n] Posaunen« (S. 130, Z. 5). Auch der Chiasmus »Erde, gib deine Toten, gib deine Toten, Meer!« passt in das apokalyptische Bild. Franz betont mehrfach, dass es sich nur um einen Traum handele und dieser nichts bedeute (»Träume bedeuten nichts«, S. 129, Z. 4). Doch Daniel nimmt das Ganze ernster, denn »Träume kommen von Gott« (S. 131, Z. 21). Das Verhältnis von Traum und Wirklichkeit verschiebt sich in dieser Szene. Franz argumentiert beispielsweise, dass sein Traum nichts mit der Realität zu tun haben könne, da die »Toten […] noch nicht auf[stehen]« (S. 128, Z. 21). In der Szene zuvor ist mit dem alten Moor aber zumindest ein Totgeglaubter wieder zurückgekehrt.

Franz versucht, seine geistige Verwirrung durch Krankheit zu erklären (»Ich habe das Fieber«, S. 128, Z. 24), doch zeigt sich in der Szene eher ein umgekehrter Effekt, da die geistige Belastung durch den Traum ihm auch körperlich zusetzt, sodass er kurzzeitig sogar ohnmächtig wird (vgl. S. 129, Z. 6f).

Franz‘ Unsicherheit zeigt sich auch dadurch, dass seine Befehle am Ende des Gesprächs mit Daniel vermehrt von Fragen abgelöst werden (vgl. Große: 63, z. B. »Ich befehle, es ist nicht! Wenn’s aber doch wäre?«, S. 132, Z. 4).

Der nächste Teil der Szene wird durch das Gespräch mit Pastor Moser und das darin thematisierte Verhältnis von Franz zur Religion geprägt. Der Pastor zeigt sich überrascht, da Franz sich vorher nicht für religiöse Fragen interessiert hat (»Das erste Mal in meinem Leben«, S. 132, Z. 15).

Franz versucht, seine Angst zu überspielen, indem er zuerst die Existenz Gottes leugnet (»Es ist kein Gott«, S. 132, Z. 28f) und anschließend Langeweile als Grund für das Gespräch vorschiebt (»Weil ich Langeweile hab«, S. 133, Z. 12). Um sich vor einer möglichen Bestrafung in der Hölle zu retten, beschreibt er den Tod als andauerndes Nichts (»eine plötzliche Pause, die zunächst an das Nichtsein grenzt, und ihre Fortdauer ist der Tod«, S. 133, Z. 24f). Moser bezeichnet dies als »Philosophie der Verzweiflung« (S. 133, Z. 31), da Franz sich seine Glaubenssätze so zurechtlegt, dass sie seiner Situation angepasst sind.

Doch Moser glaubt, dass Franz diese Einstellung zur Religion im Angesicht des Todes nicht mehr beibehalten kann (»wenn euch im Tode nur der mindeste Schauer anwandelt, weh Euch dann«, S. 134, Z. 1f). Als Franz nicht mehr gegen Mosers Worte argumentieren kann, richtet er sich in seinen Antworten gegen Moser selbst (z. B. »Pfaffengewäsche, Pfaffengewäsche«, S. 134, Z. 28f oder »Lügengeist du«, S. 135, Z. 21).

Franz kann das Bild, das Pastor Moser vom Jenseits zeichnet, nicht ohne weiteres annehmen. Es würde ihn hart treffen, da er im irdischen Leben ausschließlich auf seinen Vorteil bedacht war: »was hier endlicher Triumph war, wird dort ewige unendliche Verzweiflung« (S. 135, Z. 18f). Sollte Franz die Religion für sich annehmen, muss er sich dem göttlichen Gericht stellen (»Der Gedanke Gott weckt einen fürchterlichen Nachbar auf, sein Name heißt Richter«, S. 134, Z. 32f).

Davor muss sich Franz fürchten, da seine Sünden zu den schlimmsten überhaupt gehören (»Vatermord heißt die eine, Brudermord die andere«, S. 136, Z. 12f). Franz hat zwar weder die eine noch die andere begangen, doch er weiß nicht, dass sein Vater seinen Anschlag überlebt hat und ihm ist klar, dass er auch Karls Leben durch seine Taten gefährdet hat.

Franz kann seine religionskritische Fassade nun nicht mehr aufrechterhalten, und als er von dem Räubertrupp erfährt (»jagt ein Trupp feuriger Reuter die Staig herab«, S. 137, Z. 5f), lässt er seine Untertanen für sich beten (»beten für mich«, S. 137, Z. 9).

In seiner Unsicherheit ist er nun auch nicht mehr in der Lage, das Wort »Teufel« ohne weiteres auszusprechen, womit er vorher kein Problem hatte (vgl. S. 128, Z. 3). Er kürzt das Wort ab: »ins T-ls Namen« (S. 137, Z. 33). Doch selbst in seiner Verzweiflung fällt es ihm noch schwer, Gott als Autoritätsfigur mit Respekt gegenüberzutreten (»Das ist ja gottlos gebetet«, S. 138, Z. 4f). Schließlich gibt er das Gebet völlig auf (»Ich kann nicht beten«, S. 138, Z. 22), und nachdem Daniel ablehnt, ihn zu töten (vgl. S. 138, Z. 32f), beendet er sein sündiges Leben mit einer letzten großen Sünde: dem Selbstmord (vgl. S. 139, Z. 4f). Dies zeigt, dass er nach wie vor mehr Angst vor dem irdischen Leiden hat, das er durch die Räuber befürchten muss, als vor dem göttlichen Gericht.

Schweizer beweist seine bedingungslose Loyalität gegenüber Karl, indem er sich das Leben nimmt, weil er seine Aufgabe nicht erfüllen kann: »mich sieht er nicht wieder« (S. 139, Z. 20).

Szene 2

Zu Beginn der Szene ist das Gespräch zwischen Karl und dem alten Moor durch das Motiv der Vergebung geprägt. So will der alte Moor Franz verzeihen (»Verzeihung sei seine Strafe«, S. 139, Z. 28) und sucht die Vergebung Karls (»Vergib mir. Oh vergib mir!«, S. 140, Z. 16). Während Karl sich Franz gegenüber unversöhnlich zeigt (»Die große Schandtat soll er mit sich in die Ewigkeit hinüberschleppen«, S. 139, Z. 31f), sichert er seinem Vater, der ihn noch nicht erkennt, die Vergebung Karls zu: »Er vergibt Euch« (S. 140, Z. 17).

Auch in diesem Kontext wird wieder ein Kontrast zwischen Franz und Karl erschaffen, Franz ist der »böse[…] Sohn« (S. 140, Z. 29), der die Schuld an Karls Schicksal trägt. Da Karl bisher für den Vater immer noch der Unschuldige gewesen ist, ist der Schock, als der alte Moor seine Position als Räuberhauptmann erkennt (»Dein Karl ist ihr Hauptmann«, S. 144, Z. 10), zu groß für ihn. Das Bild des guten Sohnes lässt sich nicht mehr aufrechterhalten und er muss erkennen, dass seine Söhne beide schlecht gehandelt haben, was ihn als Vater zur gescheiterten Existenz macht. »Die Paradoxie der Handlung ist, daß [sic!] nicht Franz, der es zweifach versuchte, sondern Karl der eigentliche Mörder seines Vaters ist, jener also, der seinen Vater am meisten liebte und der von diesem am meisten geliebt wurde« (Große: 64). Karl erkennt seine Schuld am Tod seines Vaters an, noch bevor dieser überhaupt stirbt: »Stirb Vater! Stirb durch mich« (S. 144, Z. 8).

Mit dem Tod von Franz in der ersten Szene des fünften Aktes wird ein direktes Gespräch zwischen den beiden Brüdern endgültig verhindert, sodass der Konflikt zwischen ihnen nie aufgelöst werden kann. Karl zeigt sich über den Tod seines Bruders erleichtert. Er muss dessen Schicksal nun nicht mehr besiegeln, da eine höhere Macht dies schon getan hat (»Habe Dank, Lenker der Dinge«, S. 143, Z. 2f). Karl geht davon aus, dass nun »[a]lles überstanden« (S. 143, Z. 5) ist, »[a]ber darin irrt er sich« (Große: 63), da er im Anschluss durch Amalia enttarnt wird (vgl. S. 143, Z. 10) und sich die Handlung mit dem Tod des Vaters und dem Abschluss der Amalia-Handlung ihrem Höhepunkt zuwendet.

Amalia ist zwar zunächst auch schockiert, doch sie kann den Kontrast zwischen dem Räuber (»Mörder! Teufel!«, S. 144, Z. 34), zu dem Karl sich entwickelt hat, und ihrem Geliebten Karl (»Ich kann dich Engel nicht lassen«, S. 144, Z. 34f) nicht verarbeiten, sodass Karls negative Seiten die positiven in ihren Augen nicht überlagern. Ihre Liebe überwiegt am Ende.

Karl schöpft kurz Hoffnung, dass er am Ende doch noch mit Amalia glücklich werden kann (vgl. S. 145, Z. 8-17), doch diese Hoffnung ist nur von kurzer Dauer, da er den Räubern ewige Treue geschworen hat. Dabei ist der Schwur im dritten Akt nach dem Kampf (»Bei den Gebeinen meines Rollers! Ich will euch niemals verlassen«, S. 88, Z. 32f) ausschlaggebender als der im ersten nach der Gründung der Räuberbande (»Nun, und bei dieser männlichen Rechte! schwör ich euch hier, treu und standhaft euer Hauptmann zu bleiben bis in den Tod!«, S. 37, Z. 1-3), da er sich beim ersten Schwur nur auf sich selbst bezogen hat und beim zweiten auf Rollers Namen, der sein Leben für ihn gegeben hat. Dass der zweite Schwur für die Räuber wichtiger ist, ist auch daran zu erkennen, dass die Räuber diesen Schwur explizit erwähnen: »Denk an die böhmischen Wälder« (S. 145, Z. 22).

Amalia, die es nicht erträgt, Karl erneut zu verlieren, sehnt sich nun nach dem Tod: »Tod ist meine Bitte nur« (S. 146, Z. 25 & Z. 28). Doch sowohl Karl als auch die Räuber zögern zunächst. Als Amalia aber andeutet, sich selbst töten zu wollen, indem sie auf die antike Königin Dido anspielt, die sich selbst tötete, nachdem ihr Geliebter sie verlassen hatte (»so lehre mich die Dido sterben«, S. 147, Z. 7), deutet ein Räuber an, Amalia doch töten zu wollen. Doch Karl zeigt sich hier ein letztes Mal autoritär: »Moors Geliebte soll nur durch Moor sterben!« (S. 147, Z. 9f).

Damit sieht er seine Schulden bei den Räubern bezahlt (»ich hab euch einen Engel geschlachtet«, S. 147, Z. 17f), sodass er sich nun von den Räubern abwenden kann. Er hadert mit seinem Räuberleben, da er versucht hat, »die Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrecht zu erhalten« (S. 148, Z. 9f). Hier zeigt sich, dass Karl nicht gegen die gesellschaftliche Ordnung rebelliert hat, sondern im Gegenteil für ihre Einhaltung kämpfen wollte (vgl. Große: 65). Doch da dieser Versuch durch das unmoralische Verhalten der Räuber fehlgeschlagen ist, will er sich nun opfern, um die gesellschaftliche Ordnung wieder herzustellen (vgl. 148, Z. 22-28).

Im Gegensatz zu Franz scheut er davor zurück, die »Todsünde« (S. 148, Z. 32) Selbstmord zu begehen und will sich »in die Hände der Justiz […] überliefern« (S. 148, Z. 36f), um sich dem menschlichen Gericht zu stellen. Auch im Anblick der Todesstrafe denkt er aber nicht nur an sich selbst, sondern an das Wohl anderer, sodass er einem Mann das auf ihn ausgesetzte Kopfgeld verschaffen will (vgl. S. 149, Z. 14-18).

Veröffentlicht am 18. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 18. April 2023.