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Die Räuber

Akt 3, Szene 1-2

Zusammenfassung

Szene 1

Amalia singt im Garten des Schlosses ein Lied, als Franz dazukommt. Franz versucht, sie von sich zu überzeugen, da er sie zur Frau nehmen will, doch sie gibt ihm die Schuld an Karls Tod und lehnt ihn ab.

Als Franz ihr droht, schlägt sie ihn sogar. Als er sie daraufhin nicht mehr zu seiner Ehefrau, sondern zu seiner Mätresse machen will, ändert sie die Taktik und bittet ihn um Verzeihung. Dies ist allerdings nur ein Vorwand, um ihm nahe genug zu kommen, ihm den Degen zu entwenden.

Nachdem sie Franz mit dem Degen davongejagt hat, kommt Hermann zu ihr. Er erzählt ihr, dass Karl und auch der Graf von Moor noch leben.

Szene 2

Die Räuber lagern erschöpft von dem vorangegangenen Kampf, den nur Roller nicht überlebt hat, an der Donau. Moor ist des Lebens unter Verbrechern müde und sehnt sich nach dem Tod. Er schwärmt von den Tagen seiner Kindheit.

Nachdem Schweizer ihm Wasser gebracht hat, ändert sich seine Stimmung wieder und er schwört der Räuberbande ewige Treue.

Kosinsky, ein bis dahin Unbekannter, tritt hinzu und möchte sich der Räuberbande anschließen. Er hat nichts mehr zu verlieren, da er aufgrund einer Intrige unschuldig ins Gefängnis gesperrt wurde. Seine Geliebte konnte ihn zwar befreien, allerdings nur dadurch, dass sie einen anderen Mann geheiratet hat.

Während die Räuber dafür sind, Kosinsky aufzunehmen, versucht Karl zunächst, ihn vom Räuberleben fernzuhalten.

Als er Kosinskys Geschichte hört und erfährt, dass dessen Geliebte ebenfalls Amalia heißt, zieht ihn die Erinnerung an seine Amalia zurück in seine Heimat. Er weist die Räuber und auch Kosinsky an, das Lager abzubrechen, um nach Franken zu ziehen.

Analyse

Szene 1

Das Lied, das Amalia zu Beginn des dritten Aktes singt, weist genau wie das Hektorlied im zweiten Akt Parallelen zu Amalias eigener Geschichte auf. Als »Engel« (S. 81, Z. 4) bezeichnet Amalia Karl schon im vorherigen Verlauf des Dramas (vgl. S. 49, Z. 23). Und auch in dem Lied ist der Geliebte verstorben (»Er ist hin«, S. 81, Z. 20).

Unterbrochen wird sie von Franz, der sie mit den Worten »Lass die Toten schlafen, und mache die Lebenden glücklich!« (S. 81, 31f) dazu auffordert, sich von Karl und seinem Vater ab- und ihm zuzuwenden. Er sieht darin keinen Widerspruch, im Gegenteil: »Die Liebe meines Vaters, musst du in seinen Söhnen belohnen, und Karl ist tot« (S. 82, Z. 15f). Da der alte Moor Amalia gut behandelt hat, ist sie der Familie in Franz‘ Augen etwas schuldig, und da Franz das einzig verbleibende Familienmitglied ist, muss sie die Schuld bei ihm begleichen.

Seine Befehle und seine Drohungen, Amalia ins Kloster zu schicken, bewirken bei Amalia allerdings nur ein »Hohnlachen« (S. 82, Z. 36). Und die Drohung, sie zu einer Hochzeit zu zwingen, erwidert Amalia mit einer »Maulschelle« (S. 83, Z. 18). Während es Franz im ersten Akt nicht gelungen ist, Amalia mit einer falschen Entschuldigung zu überlisten, gelingt es Amalia anschließend aber, Franz durch eine vorgetäuschte Entschuldigung so nahe zu kommen, dass sie ihm den Degen entwenden kann (vgl. S. 83, Z. 32-34).

Während Amalia zu Beginn der Szene noch die »eigensinnige Schwärmerin« (S. 81, Z. 25) ist, wird sie nun »grimmig wie die Tigerin« (S. 84, Z. 4f). Beide Facetten ihrer selbst sind durch die Liebe zu Karl und die Abneigung gegenüber Franz begründet. Ihr Charakter zeichnet sich durch diesen Dualismus aus.

Nachdem sie Franz davongejagt hat, tritt Hermann an sie heran. Er bittet um Vergebung (vgl. S. 84, Z. 15) und informiert sie darüber, dass Karl lebt. Amalia ist daraufhin so euphorisch, dass sie die Nachricht, auch der alte Moor lebe noch, überhört. Zuerst unterbricht sie Hermann mehrmals, als er versucht, es ihr zu sagen (vgl. z. B. S. 84, Z. 34f), und dann übergeht sie diese Information einfach: »Karl lebt noch!« (S. 85, Z. 7). Somit erklärt die erste Szene des dritten Aktes auch Amalias Überraschung, den alten Moor zu sehen, in der Schlussszene des Dramas: »mein Oheim lebendig« (S. 143, 9).

Szene 2

Die zweite Szene spielt außerhalb des Schlosses, der dritte Akt ist also genau wie das gesamte Drama in zwei Handlungsstränge aufgeteilt. Die Szene spielt nach dem Kampf der Räuber, der Kampf selbst wird im Drama nicht behandelt. Durch die Erschöpfung (»ihr seid alle matt bis in den Tod«, S. 85, Z. 16) befindet sich Karl in einer pessimistischen Stimmung (»Es wird alles zugrunde gehen«, S. 85, Z. 27).

Rhetorisch anspruchsvoll philosophiert er über die Menschheit. Erst stellt er zwei Antithesen auf (»Bienensorgen« vs. »Riesenprojekte«, S. 85, Z. 34 und »Götterplane« vs. »Mäusegeschäfte«, S. 86, Z. 1), wobei die erste klimaktisch und die zweite antiklimaktisch verläuft. Die Aufzählung, die folgt, ist ebenfalls antiklimaktisch aufgebaut: »Rosses« (S. 86, Z. 3), »Esels« (S. 86, Z. 4) und »eigenen Beinen« (S. 86; Z. 4). In dieser melancholischen Stimmung hadert er mit seiner Lebensführung, da er sich bewusst ist, »aus einer Ordnung herausgefallen zu sein, nicht mehr im Paradiese wohnen, seine Unschuld verloren zu haben« (Große: 54). Der Widerspruch zwischen der »herrlichen Erde« (S. 87, Z. 2f) und ihm als »Ungeheuer« (S. 87, Z. 2) macht ihm zu schaffen, und da die Gegenwart ihm nicht passt, verliert er sich in Schwärmereien über die Kindheit (vgl. S. 87, Z. 31-35), wobei ihm bewusst ist, dass diese »unwiederbringlich« (S. 87, Z. 38) verloren ist.

Verloren ist auch Roller, der in der Schlacht »einen schönen Tod« (S. 88, Z. 19f) starb. Der Tod kann in Moors Augen als schön empfunden werden, da Roller nicht wehrlos am Galgen, wie es fast geschehen wäre, sondern heldenhaft im Kampf für die Freiheit starb. Durch den Kampf sind die Räuber und Karl noch enger zusammengerückt und so sieht sich Karl in der Pflicht, zu schwören: »Bei den Gebeinen meines Rollers! Ich will euch niemals verlassen« (S. 88, Z. 32f).

Karl zeigt in dieser Szene, dass er im Grunde für eine patriarchale Weltordnung ist: »die ganze Welt eine Familie und ein Vater dort oben« (S. 87, Z. 9f). Sein eigener Vater kann diese Position wegen seiner Schwäche aber nicht ausfüllen (»Mein Vater nicht«, S. 87, Z. 10f). Karl möchte gegenüber Kosinsky diese Vaterrolle besser ausfüllen (»mein Sohn«, S. 91, Z. 30, und »ich rate dir als ein Vater«, S. 91, Z. 31), indem er versucht, ihn davon abzuhalten, den gleichen gesetzlosen Weg zu gehen wie er selbst.

Dieser Versuch scheitert aber daran, dass er durch die Erzählung über Kosinskys Geliebte, die ebenfalls Amalia heißt (vgl. S. 92, Z. 31), an seine eigene Geliebte erinnert wird, sodass er abgelenkt ist, weil es ihn in die Heimat zieht (»Ich muss sie sehen«, S. 94, Z. 16).

Veröffentlicht am 18. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 18. April 2023.