Skip to main content

Kabale und Liebe

Rezeption und Kritik

Schillers »Kabale und Liebe« zählt heute zu den Klassikern der deutschen Literatur. Seine Rezeptionsgeschichte ist jedoch von unterschiedlichen Phasen geprägt. Kurz nach der Uraufführung 1784 in Frankfurt a. M. und der Mannheimer Inszenierung im selben Jahr gab es zunächst entweder wenig Resonanz und Desinteresse oder aber negative Kritik. Keinesfalls konnte sich der Erfolg des Stückes mit dem der 1782 uraufgeführten »Räuber« messen. 

Hinzu kam die teilweise schneidende Kritik aus dem Kreise anderer Dichter und Dramatiker. Unmittelbar nach dem Erscheinen des gedruckten Werkes wurden bereits die ersten sechs Kritiken veröffentlicht. Sie erschienen u. a. in der Königlich privilegirten Berlinischen Staats- und gelehrten Zeitung sowie in der Allgemeinen deutschen Bibliothek, die zur damaligen Zeit die größten Organe für die Rezension deutscher Literatur darstellten. Zwei Punkte durchziehen viele der Rezensionen: zum einen die Betrachtung vor dem Hintergrund Schillers bisheriger Werke, insbesondere seiner Dramen, zum anderen der Bezug auf Normen und Anforderungen der dramatischen Gattung.

Vor allem Karl Philipp Moritz, der Autor des berühmten Entwicklungsromans »Anton Reiser« (1785/86), verreißt das Stück geradezu. Er greift den Unmut auf, den es in der Öffentlichkeit auslöste, und demonstriert anhand einer detaillierten Betrachtung des Werkes die Schwachstellen, die es aus seiner Sicht hat. Dabei zweifelt er die Glaubwürdigkeit der Figuren und die Wahrscheinlichkeit der Handlung an. Außerdem demontiert er die sprachlichen Handlungen und charakterisiert sie als widersprüchlich. Moritz kritisiert, dass das Werk die Personen zu unmittelbar einführe, ohne Vorgeschichte oder Biografie, und behauptet, Schiller sei unfähig, die Emotionen der Rezipient*innen zu berühren und Gefühle mit der Sprache und den Handlungen der Figuren zu transportieren (vgl. Meise 79/80).

Die Aufführung von Schillers Drama war jedoch nicht ausschließlich von negativer Kritik begleitet. So wird von C. F. Zelter, einem Freund Schillers, die »elektrische Macht« (zitiert nach Meise 81) des Stückes beschrieben, die es vor allem auf die junge Generation ausübte. Besonders der zweite Akt von Schillers Stück, bei dem in der zweiten Szene ein Randverweis auf den Soldatenhandel erfolgt, wurde bei der Aufführung des Stückes in Mannheim vom Publikum positiv aufgenommen und löste euphorische Begeisterung aus (vgl. Meise 80).

Schillers Zerwürfnis mit dem Mannheimer Theater führte jedoch dazu, dass das Stück dort nur selten aufgeführt wurde. Insgesamt hielt sich die Anzahl der Aufführungen gering (vgl. ebd., 80–82). Inszenierungen in Göttingen, Mainz, Berlin, Frankfurt a. M. und Leipzig lösten ebenfalls Kritik aus, die der von Moritz glich: Es gelinge Schiller nicht, Mitgefühl auszulösen und die Zuschauer*innen zu berühren. Nach 1790 wird es ruhiger um das Stück. Lediglich in Stuttgart wird es komplett verboten, weil Adelige sich gegen seine Aufführung aussprechen; andernorts wird es z. T. in zensierter Fassung aufgeführt (vgl. ebd. 81).

Erst mit dem aufkommenden Naturalismus erhält »Kabale und Liebe« wieder verstärkt Aufmerksamkeit. Die sozialkritischen Elemente rücken nun in den Fokus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden marxistische Literaturkritiker wie Franz Mehring auf das Stück aufmerksam und loben seine revolutionäre Adelskritik. Umso befremdlicher wirkt es, dass das Drama auch von den Nationalsozialisten vereinnahmt und für ihre Zwecke umgedeutet wird. Während der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg gehört es zu den meistgespielten Stücken auf deutschen Bühnen und wird so häufig aufgeführt wie kein anderes Drama von Friedrich Schiller.

Doch auch in der Nachkriegszeit spielt man es regelmäßig auf deutschen Bühnen und findet dabei zu Deutungen zurück, die nichts mehr mit der faschistischen Uminterpretation gemeinsam haben. Regisseure wie Hans Hollmann mit seiner spektakulären Berliner Inszenierung aus dem Jahr 1969 interpretieren es neu und stellen dabei vor allem die sozialkritischen Aspekte in den Vordergrund. Seit den 1970er-Jahren beginnt man aber auch wieder, den Fokus auf die Liebesbeziehung und die damit einhergehenden Konflikte zu lenken. Nach wie vor ist das Stück ein fester Bestandteil des deutschen Bühnenrepertoires. So inszenierte z. B. die Regisseurin Julia Prechsl 2023 eine feministische Version für das Staatstheater Meiningen.

Veröffentlicht am 22. März 2023. Zuletzt aktualisiert am 22. März 2023.