Skip to main content

Kabale und Liebe

2. Akt, Szene I–VII

Zusammenfassung

I – Saal im Palais der Lady Milford

In ihren Privaträumen führt Lady Milford, die Mätresse des Herzogs, ein Gespräch mit ihrer Kammerdienerin Sophie. Dabei wird deutlich, dass sie den Herzog eigentlich verachtet und nicht glücklich in ihrer Rolle am Hof ist. Zugleich bekennt sie offen, dass ihr eigener Ehrgeiz ihr dabei im Weg stehe, einer anderen Frau ihre Position abzutreten. Sie erwartet ungeduldig die Ankunft Ferdinands, den sie leidenschaftlich liebt und bewundert. Mit ihm will sie außer Landes fliehen und die höfische Welt verlassen, die ihr inzwischen zuwider ist.

II – [Schauplatz bleibt gleich]

Ein Kammerdiener tritt auf und übergibt Lady Milford kostbare Brillanten, ein Geschenk des Herzogs zu ihrer bevorstehenden Hochzeit. Als sie erfährt, dass der Schmuck durch den Verkauf von Soldaten nach Amerika finanziert wurde, will sie ihn auf gar keinen Fall behalten. Auch die Söhne des Kammerdieners sind unter den verkauften Männern, was der Diener mit Tränen in den Augen berichtet. Lady Milford beschließt, die Edelsteine zu verkaufen und ihren Erlös den Bewohnern einer Grenzstadt zu stiften, die durch einen Brand in Not geraten sind. Ein Bedienter kündigt Ferdinands Eintreffen an.

III – [Schauplatz bleibt gleich]

Ferdinand erscheint und macht gleich zu Beginn seines Gesprächs mit Lady Milford klar, dass er zu der bevorstehenden Heirat gezwungen werde. Er ist reserviert und kalt und betont, dass die Hochzeit allein der Wunsch seines Vaters sei. Lady Milford ist tief enttäuscht und zeigt Ferdinand offen ihre Gefühle. Dabei offenbart sie auch ihre Sehnsucht nach einem freieren Leben und ihren Abscheu gegenüber dem Hof. Sie erzählt, dass sie einem britischen Adelsgeschlecht entstamme, aber schon als Kind ihre Familie verloren habe und als Waise nach Hamburg gekommen sei. Hier habe sie das Werben des Herzogs als Chance ergriffen, der Armut zu entkommen und in die Lebenswelt ihrer Kindheit zurückzukehren.

Als Ferdinand ihre tragische Lebensgeschichte erfährt, ist er tief beschämt und bittet sie um Verzeihung. Sein Bild von ihr wandelt sich. Nun ist er auch in der Lage, ihr seine Liebe zur bürgerlichen Louise zu bekennen. Trotz dieses Geständnisses kann Lady Milford ihre Gefühle für ihn aber nicht loslassen und versucht weiterhin, ihn von einer Ehe mit ihr zu überzeugen.

IV – Zimmer beim Musikanten

Miller befindet sich in hellem Aufruhr. Weil ein Staatsminister vor dem Haus nach ihm gefragt hat, fürchtet er, Wurm habe dem Präsidenten von der Beziehung zwischen Ferdinand und Louise berichtet. Er tobt vor Louise und seiner Frau, der er aufgrund ihrer Plauderei mit Wurm die Schuld am Geschehen gibt. Auf keinen Fall will er Probleme mit der Obrigkeit bekommen. Darum hat er vor, so schnell wie möglich den Präsidenten aufsuchen, um ihn darüber aufzuklären, dass auch er gegen diese Verbindung ist.

V – [Schauplatz bleibt gleich]

Ferdinand erscheint in Millers Haus und gesteht den Anwesenden seine Unterredung mit Lady Milford. Dabei bekennt er, dass die Lady ihn beeindruckt habe, schwört aber zugleich Louise seine ewige tiefe Liebe. Louise hingegen ist verzweifelt. Sie glaubt, dass nun das Ende ihrer Liebe besiegelt sei und wirft sich ihrem Vater in die Arme. Miller beschimpft Ferdinand und macht ihn verantwortlich für das Unglück seiner Tochter. Dennoch ist sich Ferdinand seiner Liebe zu Louise sicher. Er tritt flammend für diese Liebe ein und will seinem Vater mutig gegenübertreten.

VI – [Schauplatz bleibt gleich]

Der Präsident kommt hinzu und richtet tief verletzende Worte an Louise, die er voll bösartigem Sarkasmus als Hure darstellt. Daraufhin zieht Ferdinand den Degen gegen seinen Vater. Auch Miller tritt für seine Tochter ein und stellt sich dem Präsidenten entgegen. Dabei nimmt er nicht nur seine Tochter in Schutz, sondern zeigt zugleich offen, wie wenig er vom Hof hält. Der Präsident ist auf das Äußerste erbittert. Er droht Miller und seiner Familie mit Kerkerhaft und verlässt das Haus.

VII – [Schauplatz bleibt gleich]

Louise wird von hereintretenden Gerichtsdienern verhaftet. Ferdinand stellt sich den Untergebenen seines Vaters in den Weg. Er droht damit, Louise eher selbst zu töten, als sie öffentlich an den Pranger stellen zu lassen. Als sein Vater sich davon völlig unbeeindruckt zeigt, greift er zum letzten Mittel und kündigt an, die politischen Machenschaften und Intrigen des Präsidenten publik zu machen. Daraufhin befiehlt der Präsident den Gerichtsdienern, Louise loszulassen, und eilt davon.

Analyse

In der ersten Szene des zweiten Aktes tritt eine der wichtigsten Figuren zum ersten Mal auf: Lady Milford, die Mätresse des Herzogs, die am Anfang noch als ambivalenter Charakter erscheint. Zwar wird in ihren Gesprächen mit der Kammerjungfer deutlich, dass sie den Herzog und das höfische Leben verachtet: »Aber kann er auch seinem Herzen befehlen, gegen ein großes feuriges Herz groß und feurig zu schlagen? Kann er sein darbendes Gehirn auf ein einziges schönes Gefühl exequieren?« (S. 588, 25–28). Hier beruht ihre Ablehnung des Herzogs noch hauptsächlich auf persönlicher Abneigung gegen seine mangelnde Sensibilität und Begeisterungsfähigkeit.

Erst in der zweiten Szene, die als »Kammerdienerszene« berühmt ist, kommen überpersönliche Beweggründe hinzu, die Lady Milford auch als sozial handelnde und mitfühlende Frau präsentieren. Sie ist schockiert über den Soldatenhandel und die Not der Bevölkerung. Doch noch fehlt es ihr an der nötigen Stärke, um sich vom Hof abzuwenden und eindeutig für ein bürgerliches Leben zu entscheiden. Ihr Ehrgeiz steht ihr dabei im Weg. Es ist vor allem diese Szene, die für die Fülle an Interpretationen des Stücks unter sozialkritischen Gesichtspunkten gesorgt hat. Schiller prangert hier die Verschwendungssucht des Adels und seine unmenschliche Behandlung der einfachen Bevölkerung an.

Lady Milford bewundert Ferdinand dafür, dass er trotz seiner adeligen Herkunft und seiner Eingebundenheit in das höfische Leben seine Integrität bewahrt hat. Für ein Leben mit ihm wäre sie bereit, alle Privilegien hinter sich zu lassen. Als sie aber von Ferdinands Liebe zu Louise erfährt, fällt sie in ihre alten Muster zurück. Ihre gekränkte Liebe und ihre Eifersucht treiben sie dazu, nun wieder ihre Macht spielen zu lassen und Ferdinand auch mit unlauteren Mitteln von der Ehe mit ihr überzeugen zu wollen.

Der Ständekonflikt verschärft sich, als sich die Repräsentanten der bürgerlichen und der adeligen Welt im zweiten Teil des Aktes gegenüberstehen. Miller ist weiterhin vehement gegen eine Verbindung seiner Tochter mit dem Sohn des Präsidenten, auch wenn sich Ferdinand offen zu Louise bekennt und um ihre Liebe kämpft (Beyer 229). Ferdinand stellt sich nicht nur Millers Beleidigungen entgegen, sondern auch den Anweisungen seines eigenen Vaters. Seine Ankündigung, dessen Machenschaften aufzudecken, vereitelt zunächst den Plan seines Vaters, die Familie Miller verhaften zu lassen.

Wie schon im ersten Akt, wechseln auch im zweiten die Schauplätze zwischen der bürgerlichen Welt im Hause Miller und der adeligen Welt in den Räumen Lady Milfords und des Präsidenten. An diesem entscheidenden Punkt sprengt das Drama die aristotelische Einheit von Raum, Zeit und Handlung. Da die Figurenkonstellation aber überschaubar ist und die Handlung sich auf einen Hauptstrang konzentriert, kann man das Schauspiel dennoch als geschlossenes Drama betrachten. Der auffallenden Raumordnung kommt dabei allerdings große Bedeutung zu, da sie besonders augenfällig auf das zentrale Thema, den Konflikt zwischen Bürgertum und Adel, verweist.

Veröffentlicht am 22. März 2023. Zuletzt aktualisiert am 22. März 2023.