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Kabale und Liebe

1. Akt, Szene I–VII

Zusammenfassung

I – Zimmer beim Musikus

Der Stadtmusikant Miller und seine Frau unterhalten sich über ihre Tochter Louise. Ihr Vater möchte, dass sie eine bürgerliche Ehe eingeht und missbilligt darum ihre Beziehung zu Ferdinand, dem Sohn des Präsidenten. Dies führt zu Spannungen zwischen Louises Eltern, denn ihre Mutter befürwortet die Beziehung ihrer Tochter durchaus. Sie beschreibt ihrem Mann stolz die Geschenke, die Ferdinand Louise gemacht hat. Es handelt sich dabei um Bücher und Briefe schwärmerischen Inhaltes, von denen Miller als Angehöriger des Bürgertums nichts hält. Solche Schriften würden Louise seiner Ansicht nach den Kopf verdrehen und Wünsche in ihr hervorrufen, die sie von sich aus nicht hätte. Miller fürchtet, dass Louise ihre eigene Herkunft verleugnen könnte, wenn sie Zugang zu Ferdinands Welt bekommt. Aus diesem Grund will er die Beziehung schnellstmöglich unterbinden.

II [Schauplatz bleibt gleich]

Auch die zweite Szene des ersten Akts spielt in Louises Elternhaus. Miller und seine Frau erhalten Besuch von Wurm, dem Sekretär des Präsidenten, der Louise heiraten möchte. Miller und seine Frau sind dieser Absicht jedoch abgeneigt. Louises Mutter möchte lieber Louises Liebe zu Ferdinand unterstützen, da sie sich einen gesellschaftlichen Aufstieg für ihre Tochter erhofft. Miller hingegen weist seine Frau für dieses Ansinnen zurecht. Ihm ist Ferdinand als Heiratskandidat für seine Tochter ebenso unrecht wie Wurm. Dennoch will er Louise, zumindest was Wurm betrifft, die Entscheidung selbst überlassen.

III [Schauplatz bleibt gleich]

Louise erscheint mit einem Buch in der Hand. Sie ist emotional stark aufgewühlt und kann nur noch an Ferdinand denken, was in ihr Schuldgefühle auslöst. Ihre starken Gefühle für den Sohn des Präsidenten bringen sie in eine schwierige Lage, da sie und Ferdinand aus unterschiedlichen Verhältnissen stammen. Louise empfindet sich selbst als Sünderin, auch wenn sie Ferdinand liebt. Ihr Vater wünscht sich, die beiden jungen Liebenden wären einander nie begegnet und seine Tochter würde von Ferdinand loskommen. Doch trotz ihres schlechten Gewissens macht Louise deutlich, dass dies niemals möglich sein werde.

IV [Schauplatz bleibt gleich]

Ferdinand besucht Louise und äußert stürmisch und voller Leidenschaft seine starken Gefühle für sie. Louise hingegen fühlt sich schuldig und unsicher, obwohl sie Ferdinand ebenso liebt wie er sie. Sie schildert ihm ihre düsteren Zukunftsahnungen. Ferdinand ist fest entschlossen, sich über die gesellschaftlichen Grenzen hinwegzusetzen und für ihre Liebe zu kämpfen. Doch Louise ist nicht nur besorgt über die Zukunft; sie macht auch deutlich, dass sie über ihre starken Gefühle zu ihm bereits jetzt ihre Seelenruhe verloren hat.

V – Saal beim Präsidenten

In einem höfischen Saal unterhalten sich Wurm und der Präsident über Ferdinands Zukunft und seine Verbindung zu Louise. Dabei bemerkt der Präsident, dass Wurm selbst Interesse an Louise hat. Er spricht dies ganz offen an, kann er auf diese Weise doch Wurms Wünsche mit seinen eigenen Interessen verbinden. Zunächst glaubt er zwar nicht an die Ernsthaftigkeit der Beziehung. Als Wurm ihm aber vor Augen führt, wie echt Ferdinands Liebe zu Louise ist, beschließt er, sofort zu handeln, um eine bürgerliche Heirat seines Sohnes zu verhindern. Er will ihn dazu drängen, sich mit der Mätresse des Herzogs, Lady Milford, zu vermählen. Nur eine adelige Heirat kann garantieren, dass Ferdinand eines Tages selbst Präsident wird und so den Status der Familie am Hof aufrechterhält. Aus diesem Grund wäre eine bürgerliche Heirat inakzeptabel. Wurm glaubt allerdings, dass Ferdinand eine Hochzeit mit Lady Milford ablehnen wird.

VI – [Schauplatz bleibt gleich]

Hofmarschall von Kalb tritt auf und beginnt eine eitle, geschwätzige Konversation mit dem Präsidenten. Dieser plant eine Intrige, in die er den Hofmarschall einbeziehen will. Noch ehe irgendetwas beschlossen ist, soll von Kalb der Öffentlichkeit bereits die Hochzeit Ferdinands mit Lady Milford bekanntgeben. Auf diese Weise will der Präsident seinen Sohn zur Heirat mit ihr zwingen. Der Hofmarschall ist sehr erfreut über diesen Auftrag.

VII – [Schauplatz bleibt gleich]

Der Präsident lässt Ferdinand zu sich kommen, um mit ihm unter vier Augen zu sprechen. Er teilt seinem Sohn mit, dass er noch heute dessen Vermählung mit Lady Milford verkünden werde. Im Namen seines Sohnes habe er bereits eine Karte an sie geschickt, und sie werde seine Braut werden. Ferdinand ist schockiert und will auf keinen Fall eine Ehe mit Lady Milford eingehen. Es kommt zu einer schweren Auseinandersetzung mit seinem Vater, in der es nicht nur um Ferdinands Zukunft, sondern auch um Adelsprivilegien und bürgerliche Werte geht. Der Präsident hält an seinem Plan fest und zwingt seinen Sohn zu einem Besuch.

Analyse

Im ersten Akt werden anhand des Dialogs zwischen Miller und seiner Frau die Grundkonstellation des Dramas und sein handlungsbestimmender Konflikt vorgestellt: der Antagonismus von Adel und Bürgertum. Es handelt sich somit um eine klassische Exposition. Sogar das Personenverzeichnis, das dem Stück vorangestellt ist, spiegelt bereits diesen Antagonismus wider, indem es »absteigend« nach Ständen sortiert ist. Angeführt wird die Liste von »Präsident von Walter, am Hof eines deutschen Fürsten«, abgeschlossen von »Sophie, Kammerjungfer der Lady«, »[e]in[em] Kammerdiener des Fürsten« und »[v]erschiedene[n] Nebenpersonen« (S. 564).

Man könnte daher zunächst glauben, dass Schiller mit seinem Werk den Vorgaben der aristotelischen »Ständeklausel« zumindest in Teilen entspricht: Zwar handelt sein Trauerspiel nicht ausschließlich von Personen höheren Standes, aber immerhin wird den Figuren gemäß ihres Standes eine mehr oder weniger wichtige Position zugeschrieben. Die Handlung aber, in deren Verlauf die bürgerliche Louise eine der Hauptrollen einnimmt, spricht dagegen und zeigt, dass Schiller eindeutig mit der Ständeklausel bricht. Dem Sekretär des Präsidenten, der in der zweiten Szene auftritt, kommt in diesem Rahmen eine besondere Bedeutung zu, da er gleichermaßen mit beiden Ständen interagiert und zwischen diesen steht (Meise 71). In dieser Position könnte die Chance einer Vermittlerrolle liegen. Wurm nimmt diese aber nicht wahr, sondern verfolgt lediglich kalt kalkulierend eigene Interessen.

Die derbe und bildreiche Sprache, die Miller selbstbewusst verwendet, steht für sein Bekenntnis zum einfachen Bürgertum, dem er als Stadtmusikant angehört. Im Unterschied zu seiner Frau hat er keinerlei Interesse daran, innerhalb der Ständegesellschaft aufzusteigen, sondern betont im letzten Satz der ersten Szene, dass er völlig im Einklang mit der ihm darin zukommenden Position ist: »Ich heiße Miller.« (S. 568, 10). Er plant, den Präsidenten aufzusuchen, um ihm klarzumachen, dass seine »Tochter [...] zu schlecht zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes Hure [...] zu kostbar« (ebd., 8f.) sei. Menschlich sieht er sich also auf Augenhöhe mit dem adeligen Amtsträger.

In der Ablehnung der Liebe ihrer Kinder und dem Versuch, ihre Verbindung zu verhindern, gleichen sich die beiden Väter tatsächlich. Miller hat dabei jedoch auch das Glück seiner Tochter im Blick, während es dem Präsidenten ausschließlich um die Wahrung seiner Position und einen standesgemäßen Erben geht. Im ersten Akt des Dramas stehen die beiden Väter im Vordergrund und lenken die Dialoge. Beide nehmen anfangs die Beziehung ihrer Kinder gar nicht ernst. Als sie jedoch ahnen, dass Louise und Ferdinand ihre Liebe über die vorgegebenen gesellschaftlichen Regeln stellen könnten, beschließen sie zu handeln.

Der weitere Handlungsverlauf kann als Spiel aus Intrige und Gegenintrige gesehen werden (Beyer 198). Dieses Spannungsfeld ist zentral für den Verlauf des Dramas. Schon im ersten Akt wird dabei deutlich, dass persönliche Werte dem Machtinteresse des Adels geopfert werden sollen (ebd. 72). Ferdinands und Luises Liebe stellt sich innerhalb der Exposition nicht nur als Bedrohung der bürgerlichen Welt dar, sondern erschüttert auch das statische höfische Leben (ebd. 200).

Nach einem Ortswechsel, der an den Hof führt, erhält das Publikum einen tiefen Einblick in die Intentionen des Präsidenten. Ferdinands Vater zeigt seinem Sohn die Standesschranken auf und versucht, ihn durch eine erzwungene Heirat mit einer Adeligen zur Einsicht in die gesellschaftlichen Notwendigkeiten zu bringen. Dabei wird deutlich, dass Ferdinand den Normen des Adels nicht entspricht, weil er um seine Liebe zu einer bürgerlichen Frau kämpft. Ihm wird jedoch verwehrt, seinen eigenen Weg zu gehen; stattdessen wird er gewaltsam unterdrückt.

Schiller bringt schon im ersten Akt auch die Religion mit ins Spiel, denn die Liebe von Ferdinand und Luise wird als Sünde angesehen. Miller ist im Drama der Repräsentant christlicher Werte. Ihm ist es wichtig, die Gebote Gottes einzuhalten. Er hat seine Tochter im Glauben erzogen und hofft, sie noch zu einer anderen Entscheidung zu bewegen und somit auf den Weg zu bringen, den er für sie als richtig erachtet. Der erste Akt zeigt auch damit, wie sehr die Entwicklung des Individuums den Standesschranken unterliegt. Die Bevormundung der jungen Hauptfiguren zur Durchsetzung gesellschaftlicher Interessen evoziert beim Publikum des Werkes Hass gegenüber der Tyrannei (Guthke 88).

Veröffentlicht am 22. März 2023. Zuletzt aktualisiert am 22. März 2023.