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Kabale und Liebe

Zitate und Textstellen

  • »Die rohe Kraftbrühen der Natur sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen noch zu hart. – Er muss sie erst in der höllischen Pestilenzküche der Bellatristen künstlich aufkochen lassen. Ins Feuer mit dem Quark.«
    – Miller zu seiner Frau, S. 566, 37 u. S. 568, 1–4

    Miller spricht in dieser Szene mit seiner Frau über die Beziehung seiner Tochter Louise zu Ferdinand. Er ist der Meinung, dass die Bücher, die Ferdinand Louise geschenkt hat, sie lediglich verwirren und in ihr Wünsche entstehen lassen, die sich nicht erfüllen lassen. Die »Bellatristen« sind Literaten, die Geschichten von standesübergreifender Liebe erzählen und so die Welt der Bürgertöchter auf den Kopf stellen. Miller befürchtet, dass seine Tochter aufgrund der Lektüre an eine Zukunft für sich und Ferdinand glauben könnte.

  • »Soll ich den Fluch seines Landes in meinen Haaren tragen? […] Geh, Sophie – Es ist besser falsche Juwelen im Haar, und das Bewußtsein dieser Tat im Herzen zu haben.«
    – Lady Milford zu ihrer Kammerdienerin Sophie, S. 592, 31–36

    Lady Milford spricht hier mit ihrer Kammerdienerin Sophie über das Geschenk, das ihr der Herzog zu ihrer bevorstehenden Hochzeit mit Ferdinand macht. Er hat ihr Diamanten geschickt, die durch den Verkauf von Soldaten nach Amerika finanziert worden sind. Als sie von diesen Hintergründen erfährt, will sie den Schmuck auf keinen Fall behalten, sondern ihn verkaufen lassen und mit dem Erlös bedürftige Menschen unterstützen, deren Hab und Gut einem Großbrand zum Opfer gefallen ist. Hier, in der dritten Szene des zweiten Akts, wendet sich das Bild, das das Publikum von Lady Milford hat. Ihr Mitgefühl und ihr Gewissen sind stärker als ihre Liebe zum Luxus und ihre Verbundenheit mit dem Hof und dem Herzog. Wie Wurm wird sie zu einer Figur, die zwischen den gesellschaftlichen Ständen steht; doch anders als er nutzt sie diese Position, um aktiv an Veränderungen mitzuwirken.

  • »Nein, Louise. Zittre nicht. Es ist nicht Wahnsinn was aus mir redet. Es ist das köstliche Geschenk des Himmels, Entschluß in dem geltenden Augenblick, wo die gepresste Brust nur durch etwas Unerhörtes sich Luft macht – Ich liebe dich Louise – Du sollst mir bleiben, Louise – Jetzt zu meinem Vater«
    – Ferdinand zu Louise, S.605, 20–25

    Ferdinand richtet diese Worte an Louise, nachdem sie Zweifel an einer gemeinsamen Zukunft geäußert hat. Sie zeigen, dass er im Unterschied zu ihr immer stärker an die Beziehung glaubt. Ferdinand wendet sich vom Adel ab und will alles riskieren. Konsequenzen fürchtet er nicht, solange er nur mit der geliebten Frau zusammen sein kann. Die Art, mit der er ihre Bedenken ›vom Tisch wischt‹, zeugt von seiner großen Leidenschaft, seinem Temperament und seiner Impulsivität, aber auch von einem gewissen Egoismus, der das eigene Gefühl über die Sorgen der empfindsamen und besonnenen Louise stellt.

  • »Ich kenne das gute Herz auf und nieder. Sie hat nicht mehr als zwo tödliche Seiten, durch welche wir ihr Gewissen bestürmen können – ihren Vater und den Major.«
    – Wurm zum Präsidenten, S. 613, 32–34

    Das Drama erreicht im dritten Akt seinen Höhepunkt, als Wurm und der Präsident die Intrige gemeinsam planen, mit der Ferdinands Liebe zu Louise zerstört werden soll. Nachdem der Versuch, Miller und seine Familie durch Haftandrohung einzuschüchtern, zunächst gescheitert ist, will Wurm zu stärkeren Mitteln greifen. Zunächst versteht der Präsident nicht ganz, wie der Plan genau umgesetzt werden soll, aber Wurm beschreibt es ihm und legt damit die ganze Niedertracht und Perfidie seines Charakters offen. Er kennt Louise, die er selbst heiraten möchte, sehr gut und hat tiefe psychologische Einsicht in ihr Wesen. Darum weiß er genau, wo er ansetzen muss, um sie unter Druck zu setzen. Es wird deutlich, dass der Präsident zwar den ursprünglichen Anstoß zur Kabale gegeben hat, der ausgearbeitete Plan und seine Umsetzung jedoch von seinem Sekretär stammen.

  • »Heute Abend ist große Opera Dido - das süperbeste Feuerwerk - eine ganze Stadt brennt zusammen - Sie sehen sie doch auch brennen? Was?«
    – Der Hofmarschall zum Präsidenten, S. 616, 7–9

    Der eitle und affektierte Hofmarschall verbindet diese Frage mit einer vorausgegangenen, in der er sich untertänig und kriecherisch nach dem Befinden des Präsidenten erkundigt. Anschließend weist er auf die bevorstehende Abendveranstaltung hin und bringt zum Ausdruck, dass er erfreut wäre, wenn der Präsident daran teilnehmen würde. Die Textstelle spielt auf die Oper »Der Tod der Dido« von Ignaz Holzbauer an, die 1784 in Mannheim uraufgeführt wurde. Die von Aeneas verlassene Dido zündet darin im letzten Akt ihren Palast an. In der dritten Szene des zweiten Aktes plant Lady Milford, ihren Schmuck zu veräußern, um den Erlös den Opfern eines großen Brandes zu stiften (vgl. Zitat Nr. 2). Dass am Hof nur kurz nach einer solchen Katastrophe, die Teile der Bevölkerung in großes Elend gestürzt hat, ausgerechnet ein spektakulärer Brand auf der Bühne inszeniert wird, zeigt, wie unsensibel und ignorant die Herrschenden gegenüber dem Leben ihrer Untertanen sind.

  • »Ein Liebhaber fesselt dich, und Weh über dich und ihn, wenn mein Verdacht sich bestätigt«
    – Ferdinand zu Louise, S. 624, 2–4

    Ferdinand und Louise führen in dieser Szene ihr letztes Gespräch als Liebende miteinander. Louise hat immer stärkere Zweifel an ihrer Beziehung, die schließlich die Oberhand gewinnen. Ferdinand hingegen versteht nicht, warum sie so zaudert. Als Louise die Beziehung beenden will, vermutet er einen anderen Mann dahinter, und sein Bild von ihr wandelt sich zum ersten Mal. Damit verhält er sich genau so, wie Wurms Kalkül es vorsieht: Aufgrund seines leidenschaftlichen Charakters ist er nur allzu leicht bereit, an Louises Untreue zu glauben und sich in seine Eifersucht hineinzusteigern. Die Intrige fällt damit auf fruchtbaren Boden und wird in dieser Szene dramaturgisch vorbereitet.

  • »Jetzt ist er Ihnen! Jetzt Milady nehmen Sie ihn hin! Rennen Sie in seine Arme! Reißen Sie ihn zum Altar – Nur vergessen Sie nicht, daß zwischen ihren Brautkuß das Gespenst einer Selbstmörderin stürzen wird«
    – Louise zu Lady Milford, S. 646, 27–31

    Lady Milford hatte vorgehabt, Louise im Gespräch zu demütigen und einzuschüchtern. Doch Louises anfänglich zurückhaltendes Auftreten verändert sich im Laufe des Dialogs. Sie tritt ungewohnt selbstsicher auf und gibt Ferdinand frei. Gleichzeitig macht sie Lady Milford klar, dass Ferdinand immer an sie denken wird, auch wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt gar nicht mehr am Leben sein werde. Sie kündigt ihren geplanten Selbstmord an und gibt damit den letzten Anstoß zu Lady Milfords Entscheidung, sich vom Hof abzuwenden und ein neues, bürgerliches Leben in einem anderen Land zu führen.

  • »Ferdinand! Ferdinand! – O – Nun kann ich nicht mehr schweigen – der Tod – der Tod hebt alle Eide auf – Ferdinand – Himmel und Erde hat nichts unglückseligers als dich – Ich sterbe unschuldig, Ferdinand.«
    – Luise zu Ferdinand, S. 674, 3–6

    Mit dem Tod der beiden Protagonisten im letzten Akt kommt es zur finalen Katastrophe. Gleichzeitig werden die Geheimnisse gelüftet und die Intrige aufgeklärt, da Louise sich im Sterben nicht mehr an ihren Eid gebunden fühlt. Sie offenbart Ferdinand die Wahrheit über den Brief und seine Beweggründe. Es ist der letzte Dialog, den die beiden miteinander führen, bevor zuerst Louise und wenig später Ferdinand stirbt. Louise kann Ferdinand nun ein letztes Mal zeigen, dass ihre Liebe wahrhaftig ist und auch immer war.

  • »[…] Satan! Du, du gabst den Schlangenrat – Über D I C H die Verantwortung – Ich wasche die Hände.«
    – Der Präsident zu Wurm, S. 676, 28–30

    In diesem Zitat sind gleich drei biblische Anspielungen enthalten: die Bezeichnung Wurms als »Satan«, also den Antichristen, der Verweis auf die Schlange als Ursprung des Bösen und die Anspielung auf Pontius Pilatus, der sich die Hände wusch, als er die Verantwortung für die Kreuzigung Jesu mit dem Satz »Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen« (Mt. 27,24) von sich wies. Ebenso bestreitet auch der Präsident jegliche Schuld an der Katastrophe und will sie allein Wurm zuschreiben. Interessant ist, dass Pilatus ebenso wie der Präsident gesellschaftlich über denen steht, denen er die Verantwortung überlässt (nämlich dem Volk, das die Freilassung des Barabbas fordert). Damit wird deutlich, dass beide für ihre übergeordnete Stellung ungeeignet sind und lediglich die damit verbundenen Privilegien in Anspruch nehmen.

  • »Er vergab mir! Jetzt euer Gefangener!«
    – Der Präsident zu den Gerichtsdienern, S. 677, 30f.

    Als der Präsident diese Worte spricht, ist Louise bereits verstorben. Ferdinand reicht seinem Vater im letzten Augenblick seines Lebens vergebend die Hand und verzeiht ihm damit die Intrige. Dann stirbt auch er. Erst jetzt begreift der Präsident seine schwere Schuld. Er lässt sich selbst verhaften und gesteht seine Fehler ein. Sein Status spielt angesichts der menschlichen Tragödie nun keine Rolle mehr. Somit triumphieren am Schluss die Werte des Bürgertums.

Veröffentlicht am 22. März 2023. Zuletzt aktualisiert am 22. März 2023.