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Ein Sommernachtstraum

Historischer Hintergrund und Epoche

Shakespeares Schaffen erfolgte zu einem Großteil während der Regentschaft von Elisabeth I. (1558 - 1603), einer Epoche, die auch als Elisabethanisches Zeitalter beschrieben wird und von großem Wandel geprägt war. England verdoppelte seine Einwohnerzahl und der Sieg über die spanische Flotte ebnete den Weg zur anführenden See- und Kolonialmacht (Ulm, 1). Obwohl Shakespeare für seine Dichtungen häufig Erzählungen aus früheren Epochen aufgreift, ist in seinen Werken der zeitgenössische Bezug des Wandels nachvollziehbar. Shakespeare zeigt den Menschen in seiner Vielfalt und Widersprüchlichkeit. Dadurch verlieren seine Dramen bis heute nicht an Aktualität und können immer wieder neu interpretiert und gedeutet werden. So verhält es sich auch mit den Hindernissen und Missverständnissen, welchen die Liebespaare in »Ein Sommernachtstraum« ausgeliefert sind. (ebd, 2)

Hermia und Lysander widersprechen mit ihrer Liebe den elterlichen und gesetzlichen Vorschriften. Die Handlung zeigt somit deutliche Parallelen zu Shakespeares Tragödie »Romeo und Julia«, die im selben Zeitraum wie »Ein Sommernachtstraum« zwischen 1595 und 1596 entstand. In der Renaissance galt die auf Vernunft basierte oder durch die Eltern arrangierte Ehe als Norm (Ellenrieder, 26). In »Ein Sommernachtstraum« siegt jedoch die Liebe und führt zu einem Happy End, während ein tragischer Ausgang nur in der schauspielerischen Darbietung der Handwerker im Stück ausagiert wird. Shakespeare fügt seiner Komödie mit dem Konflikt zwischen Hermia und ihrem Vater auch ernste und tragische Elemente hinzu. Auch das Stück im Stück deutet an, dass das Schicksal der Liebenden eine andere Wendung hätte einschlagen können. Obwohl religiöse Mysterienspiele aus dem englischen Mittelalter bereits Komik und Tragik miteinander verbanden, waren ethische Themen in der Renaissance allein der Tragödie vorbehalten. Shakespeare weicht von dieser Norm ab. (ebd, 44)

Darüber hinaus vereint er in seinem Werk verschiedene soziale Schichten. Bisher beruhte die traditionelle Komödie allein auf Charakteren des niederen Standes. Der Adel galt für solche Späße als zu würdevoll. (ebd., 24) In Shakespeares Komödie hingegen sorgen auch die Probleme der wohlhabenden jungen Herren Lysander und Demetrius für Belustigung. Theseus und Hippolyta werden als richtende und ordnende Instanz eingeführt. Weiterhin sorgen Feen und Kobolde für Abwechslung und eine Erweiterung des Figurenspektrums, wobei diese ebenfalls menschliche Charakterzüge tragen und so deren Facettenreichtum widerspiegeln. Ab 1609 spielte Shakespeares Schauspieltruppe sowohl im »Blackfriars«, einem recht kleinen Theater, als auch im »Globe«, wo 3000 Menschen dem Bühnengeschehen folgen konnten. Weiterhin gastierten sie regelmäßig am Hofe, an Universitäten und auf Tourneen in Zunfthallen und Wirtshäusern. Das Figurenspektrum im Werk wurde dadurch einem ebenso breiten Publikum zugetragen, die dieses persönlich interpretierte. Shakespeares angepasste Sprache macht diesen individuellen Zugang möglich. (Posener, 96ff.)

Zu »Ein Sommernachtstraum« sind zwei Quartos und die First Folio als Textgrundlage überliefert. Unter Quartos versteht man die frühesten überlieferten Drucke. Die Folio ist eine Sammelausgabe von Shakespeares Werken, die von seinen Freunden veröffentlicht wurde. Alle drei Dokumente stimmen inhaltlich überein, sodass man von zuverlässigen Quellen ausgehen kann. Bei der Komödie könnte es sich um ein Auftragswerk anlässlich einer Eheschließung handeln, womöglich die von Elizabeth Carey, einem Patenkind von Königin Elisabeth I., welche 1596 stattfand. (Ulm, 8)

Im Gegensatz zu vielen anderen Stücken Shakespeares lässt sich »Ein Sommernachtstraum« nicht auf eine spezifische Vorlage zurückführen. Vielmehr scheint die Handlung von verschiedenen Erzählungen inspiriert worden zu sein. Diese reichen von antiken Schriften bis hin zur englischen Literatur. Die Figuren Theseus und Hippolyta entstammen der griechischen Mythologie – Belege finden sich etwa bei Plutarch, einem griechischen Schriftsteller ( 46 - 125 n.Chr.). Sie finden sich aber auch in den »Canterbury Tales« von Chaucer: »Es war einmal, wie alte Sagen melden, | Ein Herzog; Theseus nannte man den Helden. [...] Die junge Königin Hippolyta | Führt' er als Gattin heim aus diesem Streit | Mit vielem Pomp und großer Festlichkeit« (Übersetzung der Verse 859-868, dem Beginn der ersten Geschichte der »Canterbury Tales«). Den Stoff von Pyramus und Thisbe hat am prominentesten Ovid in seinen »Metamorphosen« bearbeitet (Metamorphosen, 4, 55-166). Für die Feen- und Geisterwelt bedient sich Shakespeare bei Motiven der englischen Folklore und der Geschichten rund um die Sommersonnenwende, zu welcher das Drama spielt. (Ulm, 9)

Veröffentlicht am 30. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 30. Juni 2023.