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Ein Sommernachtstraum

1. Aufzug

Zusammenfassung

1. Szene
Theseus, der Herzog von Athen, kann es nicht erwarten, seine Verlobte zu heiraten. Bei dieser handelt es sich um die Amazonenkönigin Hippolyta, deren Gunst er im Schwertkampf gewonnen hat. Die Hochzeit soll in vier Tagen stattfinden und mit reichlich Prunk und Vergnügen ausgeschmückt werden. Während sich die Verlobten deswegen besprechen, werden sie von Egeus unterbrochen, der ein privates Anliegen vorbringt: Er hat Demetrius die Hand seiner Tochter Hermia versprochen. Diese hat sich allerdings in Lysander verliebt. Der wiederum habe Hermia umgarnt, was Egeus ihm bitter vorwirft. Egeus verlangt von Theseus, von dem Recht Gebrauch machen zu dürfen, dass er als Vater über Hermia bestimmen könne. Theseus gesteht ihm dies zu und spricht sich Hermia gegenüber für Demetrius aus. Hermia kann keinen Vorzug Demetrius’ vor Lysander erkennen und wagt zu fragen, welche Konsequenzen sie zu erwarten habe, wenn sie Demetrius nicht heirate. Hermia würde zum Tode verurteilt oder als Nonne in ein Kloster gehen müssen. Theseus gibt ihr bis zum Neumond, dem Tag seiner Hochzeit, Bedenkzeit. Demetrius versucht, Hermia für sich zu gewinnen. Lysander begegnet ihm darauf mit Spott und führt an, dass Hermia ihn liebe. Egeus beharrt weiterhin auf seine Rechte. Schließlich erwähnt Lysander, dass Demetrius bis vor Kurzem noch um Helena geworben habe, die nach wie vor in ihn verliebt sei. Theseus verlangt daraufhin eine Unterredung mit Egeus und Demetrius.

Lysander und Hermia bleiben zurück und verlieren sich in Klagen darüber, welche Hindernisse wahre Liebe überwinden müsse und dass Leidenschaft immer mit Leid verbunden sei. Lysander bringt den Vorschlag, mit Hermia zu fliehen. Er habe eine Tante außerhalb von Athen, wo das Gesetz, das sie an ihrer Hochzeit hindert, nicht gelte, sodass sie sich dort verstecken und heiraten könnten. Hermia willigt sofort ein. Sie verabreden sich für einen Treffpunkt am nächsten Abend.

Helena kommt dazu und offenbart ihre Eifersucht und ihren Neid auf die schöne Hermia. Demetrius habe nur Augen für sie. Hermia vertraut sich ihrer Freundin an und erzählt ihr, dass sie mit Lysander fliehen und sich Demetrius entziehen wolle. Als die beiden verschwinden und Helena allein zurückbleibt, beschließt sie, den Plan des Liebespaares an Demetrius weiterzugeben. Obwohl ihr der hohe Preis des Verrats bewusst ist, will sie ihn zahlen und erhofft sich daraus Demetrius’ Aufmerksamkeit und Zuneigung.

2. Szene
Die Handwerker Squenz, Zettel, Schnock, Flaut, Schnauz und Schlucker kommen zusammen. Sie wollen ein Schauspiel für die Hochzeit des Herzogs einstudieren. Dabei entscheiden sie sich für die Tragödie über Pyramus und Thisbe. Als die Rollen verteilt werden, gibt es reichlich Diskussion. Vor allem Zettel will am liebsten jeden Part übernehmen. Zum Schluss können sie sich jedoch einigen und verabreden sich zur Probe am morgigen Abend im Wald. Ihr Vorhaben soll eine Überraschung bleiben.

Analyse

Der 1. Aufzug gilt als Exposition und stellt alle wichtigen Figurengruppen vor: das Herzogspaar Theseus und Hippolyta, die Liebenden Hermia und Lysander sowie Demetrius und Helena und die Handwerker. Alle drei Gruppen folgen ihren eigenen Handlungssträngen, die jedoch miteinander verknüpft sind. Ein vierter wird im folgenden Akt noch hinzugefügt.

Der Handlungsort zum Dramenbeginn ist der Palast Athens. Theseus sehnt die Hochzeit mit Hippolyta herbei, die am Neumond stattfinden soll. Damit wird der Mond als Motiv, welches sich durch das gesamte Drama zieht, direkt zu Beginn eingeführt. Theseus nutzt den Vergleich von der Abnahme des Mondes mit dem langen Leben einer Witwe, das für deren Stiefsohn die Auszahlung des Erbes nicht nur hinauszögert, sondern dessen Betrag sogar schmälert. Theseus spürt eine ähnliche Ungeduld wie der von ihm beschriebene junge Mann. Hippolyta glaubt dagegen an ein rasches Verstreichen der Zeit. Ihre Worte haben etwas Tröstendes. Mit dem Ausdruck: »Dann soll der Mond, gleich einem Silberbogen | Am Himmel neu gespannt, die Nacht beschaun | Von unserm Fest« (4) zeigt sie außerdem ihre Hoffnung auf eine neue bereichernde Zukunft. Der neue Mondzyklus leitet einen neuen Abschnitt ein. Theseus Vermerk, dass er ihre Hand durch Kampf und hervorgerufenes Leid gewonnen habe, nimmt Bezug auf den mythologischen Kontext. Ein Beleg findet sich bei Plutarch, Theseus, 26: »Die Mehrzahl der Forscher aber, unter ihnen Pherekydes, Hellanikos und Herodoros, behaupten, Theseus habe später als Herakles einen eigenen Zug unternommen und dabei die Amazone [=Hippolyta] als Gefangene mitgebracht, und das klingt wahrscheinlicher.« Aus der Mythologie entnimmt Shakespeare also ein Motiv, das in seiner Komödie nur als Rahmen der eigentlichen Handlung fungiert, für die es selbst keine Vorlage gibt. Dass Theseus Hippolyta entführt hatte, dass sie sich ihm also nicht freiwillig zugetan hat, darauf findet sich in der genannten Passage eine Anspielung. Darüber hinaus bleiben dieser Umstand und der Amazonenfeldzug von Theseus ohne Bedeutung für das Stück.

Stärker zum Tragen kommt die patriarchale Gesellschaftsordnung in dem Anliegen, das Egeus beim Herzog von Athen vorbringt: Seine Tochter, die eigentlich Demetrius versprochen war, will nun Lysander heiraten. Mit seinen Worten: »Mit ihr, wie sie mein eigen ist, zu schalten« (5), macht er auf sein Recht, über sie zu bestimmen, aufmerksam. Dabei begegnet er Lysander mit Vorwürfen, spricht ihn direkt in der Du-Form an und gebraucht dabei die Paronomasie: »Mit falscher Stimme Lieder falscher Liebe!« (5). Zuvor wird auch das Mondlicht nochmals aufgegriffen. Theseus’ Erwiderung auf Egeus’ Forderung scheint diese noch zu übertreffen, indem er den Vater als einen Gott bezeichnet, in dessen Händen sich die Tochter wie Wachs formen lassen solle (vgl. 5). Hermia ist sich bewusst, dass sie sich dieser Ordnung unterwerfen muss. Sie wagt sich mit einer Frage nach ihrem Strafmaß vor. Theseus spricht neben der Verurteilung zum Tode von der Alternative, in ein Kloster der jungfräulichen Göttin Diana zu gehen, versucht jedoch, ihr das ehelose Leben hinter Klostermauern auszureden. Die Ehe gilt als erstrebenswerter Status. Jegliche Liebschaften außerhalb dieser Struktur werden als Gefahr und Problem angesehen, wie im Fall von Hermia, Lysander und Demetrius. Obwohl Theseus versucht, Hermia zur Hochzeit zu überreden, wird an ihrer Reaktion deutlich, dass sie sich nicht so leicht einschüchtern lässt, womit sie in ihrer Position als Frau Stärke und Mut beweist.

Lysander agiert mit Witz und Spott: »Demetrius, Ihr habt des Vaters Liebe: | Nehmt ihn zum Weibe; laßt mir Hermia.« (6) Egeus findet dies jedoch gar nicht komisch, reagiert aufgebracht und beruft sich abermals auf sein Recht, über seine Tochter als sein Eigentum zu bestimmen. Lysander kann allerdings noch mehr Argumente vorbringen: Er sei es, den Hermia liebt, während Demetrius vor kurzem noch für Helena geschwärmt habe. Demetrius’ Bruch mit Helena ist im zeitgenössischen Bezug als Sünde zu verstehen (Ellenrieder, 27), was auch die darauf folgende Unterredung mit Theseus erklärt.

An diesem Punkt wird deutlich, dass der aktuellen Konfliktsituation eine andere Konstellation vorausging: Demetrius liebte Helena und Lysander Hermia, bevor Egeus’ Wille, dass Demetrius Hermia heirate, dieses Gleichgewicht auseinander gebracht hat. Auffallend ist die Parallele zum Ausgang der Komödie, bei welchem genau diese Gegenüberstellung, allerdings erst nach dem Einwirken von Droll und Oberon, (wieder) herbeigeführt wird.
Schematisch lässt sich die Konstellation der Liebenden im 1. Aufzug wie folgt festhalten, wobei Veränderungen fett markiert sind:

vor Dramenbeginn:

    Demetrius → Helena; Helena → Demetrius
    Lysander → Hermia; Hermia → Lysander

1. Aufzug:

    Demetrius → Hermia; Helena → Demetrius
    Lysander → Hermia; Hermia → Lysander

Die Verbundenheit zwischen Hermia und Lysander zeigt sich in einem zeilenweisen Wechsel ihrer Redeanteile. Dies wird auch als stichomythischer Dialog bezeichnet. Außerdem nutzen sie dabei, jeweils auf ihre Figur bezogen, Anaphern. So beginnen Hermias Sätze dreimal in Folge mit einem »O!«, Lysanders mit »Bald« (vgl. 8). Daraus entsteht eine gegenseitige Ergänzung der Liebenden in ihrem Diskurs darüber, welchen Hindernissen die Liebe ausgesetzt sei. Trotz der Flüchtigkeit des Glücks, das so schnell von Trauer und Leid beendet werden kann, wollen Hermia und Lysander dieses ertragen und an ihre Liebe glauben.

Helena ergänzt das Motiv der Liebe mit dem der Eifersucht. Eine weitere Stichomythie macht die Diskrepanz zwischen Hermia und Helena deutlich. Eigentlich sind sie enge Freundinnen, doch Demetrius’ Interesse an Hermia und seine Abwendung von Helena schüren ihre Selbstzweifel. Egal was die beiden Frauen versuchen, es führt immer zum gegenteiligen Ergebnis. Hermia möchte Helena beschwichtigen, indem sie ihr von ihrer geplanten Flucht erzählt. Dass Hermia es ehrlich gut mit ihr meint, zeigt sich in ihren Worten: »Leb wohl, Gespielin, bete für uns beide! | Demetrius sei deines Herzens Freude!« (10).
In einem abschließenden Monolog verbalisiert Helena mithilfe von Personifikation und Paarreimen das Wesen der Liebe, durch deren Filter alles in ein anderes Licht getaucht werde und nicht mehr beurteilt werden könne: »Dem schlechtesten Ding an Art und an Gehalt, | Leiht Liebe dennoch Ansehn und Gestalt.« (10) – eine Vorausdeutung dies auf die Blindheit, mit der Titania geschlagen ist, als sie sich in Zettel verliebt.

Mit dem Abschluss der 1. Szene wird der zugrundeliegende Konflikt zwischen den jungen Paaren deutlich. Das Versmaß des Blankverses gilt als Sprachform aller bisher aufgetretenen Charaktere, welches häufig in Paarreimen ausgeführt wird. Dies ändert sich in der 2. Szene. Die Handwerker Squenz, Schnock, Zettel, Flaut, Schnauz und Schlucker kommen zusammen und sprechen als Personen des einfachen Volkes in Prosa. Die aufgeregten Diskussionen der Männer, angeführt von Klaus Zettel, wer welche Rolle übernehmen darf, sorgen für eine lockere und komödiantische Atmosphäre. Dies wird auch durch die von Shakespeare beabsichtigten Wortfehler von Zettel unterstützt: »ich will euch so sanft brüllen wie ein saugendes Täubchen« (13). Die Szene bildet ein Gegenstück zu den ernsteren und bedrohlicheren Themen, wie sie in der ersten Szene vorgestellt wurden.

Veröffentlicht am 29. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 30. Juni 2023.