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Ein Sommernachtstraum

2. Aufzug

Zusammenfassung

1. Szene
Als eine Elfe gerade dabei ist, die Blumen im Wald mit Tau zu benetzen, wird sie von Droll unterbrochen. Dieser berichtet von dem Streit des königlichen Elfenpaares. Titania habe ein indisches Fürstenkind an sich genommen, dass sie groß ziehen und um sich wissen wolle. Oberon ist eifersüchtig und will den Jungen als Knappen in sein Gefolge aufnehmen, mit dem er durch die Wälder streift. Die Elfe erkennt in Droll den sogenannten Poltergeist, der lauter Schabernack treibt, es sei denn, man ist ihm wohlgesinnt.

Titania und Oberon treffen aufeinander und werfen sich gegenseitig Untreue vor: Oberon habe ein Verhältnis mit Hippolyta, Titania mit Theseus. Ihre Anschuldigungen beziehen sich auch auf den Jungen, von dem Droll bereits berichtet hat. Da die Mutter des Kindes eine Bekannte Titanias war, die bei der Geburt starb, sieht sie sich in der Verantwortung, gut für es zu sorgen. Sie geht auf Oberon zu, indem sie ihn einlädt, mit ihnen zu kommen. Andernfalls will sie ihm aus dem Weg gehen. Doch Oberon macht die Entscheidungsgewalt über den Jungen zur Bedingung, woraufhin Titania sich wütend mit ihrem Gefolge davon macht.

Oberon will Titania überlisten und beauftragt Droll, ein Liebeskraut zu besorgen, das er Titania verabreichen will. Wenn diese dann blind dem nächstbesten Geschöpf verfällt, wird sie den Jungen bereitwillig aushändigen. Erst dann will Oberon sie mit einem Gegenmittel erlösen.
Oberon hört Stimmen und macht sich unsichtbar. Demetrius erscheint im Wald auf der Suche nach Lysander, den er töten möchte. Allerdings wird er dabei von Helena verfolgt. Demetrius versucht Helena loszuwerden und äußert dabei sehr deutlich, dass er sie nicht liebe. Helena ist jedoch zu allem bereit, um seine Liebe zu gewinnen. Die beiden werden von Oberon beobachtet, der darauf beschließt, das Liebeskraut auch zu Helenas Gunsten einzusetzen. Als Droll zurückkehrt, nimmt er seinen Teil des Krautes für Titania und beauftragt den Elf, den übrigen bei Demetrius anzuwenden, sodass dieser beim Erwachen Helena erblicke und sich wieder in sie verliebe. Er beschreibt Demetrius als einen Jüngling in athenischen Kleidern.

2. Szene
Titania ist in einen anderen Teil des Waldes geflohen. Dort erteilt sie ihren Elfen Aufträge und lässt sich anschließend in den Schlaf singen. Oberon kommt hinzu und träufelt der schlafenden Titania den Liebestrank in die Augen.

Lysander und Hermia irren durch den Wald. Sie haben sich verlaufen und suchen nach einem Platz zum Schlafen. Hermia bittet Lysander, sich weiter von ihm wegzulegen, um ihre Ehre zu wahren. Da auch Lysander die Tracht der Athener trägt, hält Droll ihn fälschlicherweise für Demetrius und träufelt ihm den Liebestrank ein.

Auch Helena und Demetrius ziehen noch immer streitend durch den Wald. Helena muss erkennen, dass ihre Mühen vergebens sind und wünscht sich, sie wäre wie Hermia. Sie stößt auf den schlafenden Lysander. Dieser erwacht und hat aufgrund des Liebestranks von nun an nur noch Augen für Helena. Diese glaubt, er treibe seine Späße mit ihr und eilt gekränkt davon. Der liebeskranke Lysander will sie erobern und folgt ihr. Hermia erwacht aus einem bösen Traum und muss bestürzt feststellen, dass ihr Geliebter verschwunden ist. Sie macht sich auf, um ihn zu suchen.

Analyse

Das Elfenreich bildet die vierte Figuren- und Handlungskonstellation, die einen erheblichen Einfluss auf die übrigen hat. Gesprochen wird wieder in Versen. Der Wald, als Reich der Feen- und Geisterwesen, ist nun Schauplatz der Handlung.

Zu Beginn des 2. Aufzugs wird die Schlüsselfigur Droll vorgestellt. Die Umschreibung einer Elfe: »So bist du jener schlaue Poltergeist, | [...] Der oft bei Nacht den Wandrer irreleitet, | Dann schadenfroh mit Lachen ihn begleitet« (15) lässt erahnen, dass Droll noch für einige Verwirrung im Stück sorgen wird. Zuvor stellt dieser jedoch den Konflikt des königlichen Elfenpaares Oberon und Titania vor. Im Vordergrund steht der Streit um das indische Fürstenkind. Eifersucht zeigt sich aber genauso in den gegenseitigen Untreue-Vorwürfen der Eheleute, womit ein weiterer, vorausgegangenen Streitpunkt angedeutet wird. In diesen werden Hippolyta als Liebhaberin Oberons und Theseus als Verehrer Titanias einbezogen.

Somit entsteht zwischen den beiden Herrscherpaaren eine ähnliche Konstellation wie zwischen den jungen Liebenden: Ein Quartett aus zwei Paaren, die über vorübergehende, abweichende Liebesbeziehungen miteinander verschränkt werden. Im Gegensatz zum Konflikt der jungen Paare wird der Konflikt zwischen den Herrscherpaaren allerdings nur angedeutet und nicht ausgeführt. Oberon, Theseus und Hippolyta bleiben von erotischen Einflüssen verschont: Nur Titania verliebt sich unter dem Einfluss des Zaubertranks, den ihr Oberon verabreicht, vorübergehend in Zettel. Dadurch, dass es die einzige ausgeführte abweichende Liebesbeziehung mit einer Person außerhalb des Quartetts gibt – und zumal mit einer so wenig ernstzunehmenden Person wie Zettel – kann das chaosstiftende Potenzial der erotischen Verirrung gut eingehegt werden und betrifft nicht das Quartett insgesamt.

Die Ehestreit des königlichen Elfenpaares hat weitreichende Folgen für die Natur. Mit bildhaften Beschreibungen wirft Titania ihrem Mann vor, wie seine Eifersucht zu Hungersnöten und Überschwemmungen führe: »das grüne Korn | Verfault, eh’ seine Jugend Bart gewinnt.« (17) Dieser macht sie genauso dafür verantwortlich. Obwohl Titania bereit ist, einen Schritt auf Oberon zuzugehen, lässt dieser sich nicht darauf ein und sie können keine Einigung finden. Erneut ist es der Mann, der über die Frau bestimmen will: In diesem Falle plant Oberon mit einer von dem Liebesgott Cupido höchstpersönlich kreierten Blume Titania zu überlisten. In seiner Beschreibung tritt der Mond als Symbol der Keuschheit auf. Dessen Schein bewahrt die königliche Priesterin vor dem Liebespfeil. Dieser Ausdruck steht symbolisch für Elisabeth I., die unverheiratete Königin von England sowie das Oberhaupt der anglikanischen Kirche zu Shakespeares Zeiten (Ulm, 61). Amors Pfeil trifft stattdessen eine Blume, deren Farbwechsel von Weiß zu Purpurn symbolisch auf den Verlust der Unschuld hinweist. Droll wird zu Oberons Komplize. Als Kobold kann er in rasanter Geschwindigkeit weite Strecken zurücklegen, um die Blume zu finden.

Auf der Suche nach Lysander betreten auch Helena und Demetrius das Reich der Feen. Demetrius’ Wortspiele: »Ihn töten möcht ich gern; sie tötet mich. [...] Nun bin ich hier, bin in der Wildnis wild« (20) können auch als Paronomasien angesehen werden und bringen seine Erregtheit zum Ausdruck. Durch Helenas Schwärmereien, die er nicht abschütteln kann, wird diese noch gesteigert. Helena ist jedoch bereit, alles für seine Zuneigung zu tun, und drückt dies in Hyperbeln aus, die ans Lächerliche grenzen: »Ich bin Eu’r Hündchen, [...], Wenn ihr mich schlagt, ich muß euch dennoch schmeicheln.« (20) Sie beschreibt Demetrius metaphorisch als Magnet, der ihr Herz anziehe. Jeder Versuch von Demetrius, Helena abzuweisen, wird von ihr wörtlich aufgegriffen und umgekehrt. So erwidert sie auf seine Bemerkung: »Mir ist schon übel, blick ich nur auf dich« mit den Worten: »Und mir ist übel, blick ich nicht auf Euch.« (20) Obwohl beide Charaktere aufgrund der Gefühlslage des anderen zunehmend verzweifeln, stellt ihre Auseinandersetzung für das Publikum eine durchaus amüsante Passage dar.

Bei Oberon jedoch weckt sie Mitleid, sodass er beschließt, das Liebeskraut auch bei Demetrius anzuwenden. Er erteilt Droll den Auftrag dazu, bezieht sich bei seiner Beschreibung des Mannes allerdings nur auf dessen Kleider, was für die spätere Verwechslung sorgen wird.

Titania verabreicht er den Liebestrank persönlich und macht mit seinen in Trochäen gesprochenen Versen das Publikum nochmals auf die Wirkung des Krautes aufmerksam: »Was du wirst erwachend sehn, | Wähl es dir zum Liebchen schön« (23). Der liedhafte Klang ist typisch für die Sprache der Elfen. Mit dem Auftritt von Lysander und Hermia wechselt das Metrum wieder in den jambischen Blankvers. Mit inbrünstigen Worten versucht Lysander Hermia zu erklären, dass ihre Liebe so stark sei, dass ihre beiden Herzen wie eins schlagen und er daher nah bei ihr liegen will. Hermia muss sich jedoch auf die Sitten und Tugenden eines jungen Mädchens berufen und weist Lysander an, sich ein Stück entfernt niederzulegen. Lysanders Liebesbekundungen zeigen nochmals seine eigentlichen Gefühle, bevor diese von Droll manipuliert werden.

Den Worten, mit denen der verzauberte Lysander seine Zuneigung zu Helena deutlich macht, mangelt es dagegen an emotionaler Tiefe und wahrer Ergriffenheit. Stattdessen verliert er sich in hyperbolischen Beschreibungen und dem stark auf die Syntax einwirkenden Paarreim mutet etwas Zwanghaftes an. Die Gestaltungsfreiheit, welche der Blankvers normalerweise ermöglicht, wird von Shakespeare an dieser Stelle also bewusst eingeengt. Dies verleiht Lysanders Verhalten eine entrückte und komische Wirkung, die auch für Distanz beim Publikum sorgt: »Nicht Hermia, Helena ist jetzt mein Leben; | Wer will die Kräh’ nicht für die Taube geben?« (25) Die von Selbstzweifeln geplagte Helena, deutet die ihr plötzlich erteilte Zuneigung als Spott und versucht sich zu verteidigen: »Ihr tut an mir nicht recht, | Daß ihr, um mich zu buhlen, Euch erfrecht!« (26) Dabei führt sie den Paarreim fort.

Hermias Traum, in welchem eine Schlange ihr Herz frisst und dies von Lysander belächelt wird, gibt Anlass zur Vorahnung. Dass sie Lysander nicht finden kann, bringt in Hermia Schrecken und Angst hervor, wie es sich in Ellipsen, Fragen und Ausrufen zeigt.

Das Beziehungsschema der jungen Paare hat sich durch Drolls Einwirken verändert. Lysander steht nun unter dem Liebeszauber, was kursiv veranschaulicht wird:

      LysanderHelena; Hermia → Lysander
      Demetrius → Hermia; Helena → Demetrius
Veröffentlicht am 30. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 30. Juni 2023.