Skip to main content

Ein Sommernachtstraum

5. Aufzug

Zusammenfassung

1. Szene
Hippolyta ist von den Erzählungen der beiden jungen Paare fasziniert. Ihr frisch vermählter Gatte steht diesen jedoch skeptisch gegenüber. Anstatt an Fabelwesen zu glauben, hält er den Bericht für Einbildung. Hippolyta schenkt ihnen jedoch Glauben, und begründet dies damit, dass alle vier dasselbe erzählen.

Hermia, Lysander, Helena und Demetrius kommen hinzu. Theseus bittet Philostrat, seinen Aufseher für Lustbarkeiten, für Unterhaltung zu sorgen. Bei der Auswahl an Stücken entscheidet sich Theseus für die Tragikomödie, welche die Handwerker eingeübt haben. Obwohl Philostrat versucht, ihm aufgrund des mangelnden Talents der Handwerker von diesem Stück abzuraten, möchte Theseus es sehen und ihre Mühen würdigen. Hippolyta ist darüber nicht erfreut, doch Theseus sieht darin einen Spaß.

Das Stück beginnt und zeigt die verzweifelte Liebe von Pyramus und Thisbe. Die zwei dürfen nicht zusammen sein und unterhalten sich nur durch einen Spalt in der Wand. An einem Treffpunkt außerhalb der Stadt wird Thisbe von einem Löwen erschreckt, der ihr Gewand zerreißt, sie aber ansonsten nicht verletzt. Als Pyramus das Gewand findet, glaubt er, Thisbe sei tot, und ersticht sich. Beim Anblick ihres toten Geliebten nimmt sich auch die wieder hinzukommende Thisbe das Leben.

Die Darbietung wird von jeder Menge Kommentaren von Seiten der Zuschauer, in denen sie die Schauspielkünste der Darsteller in Frage stellen, wie auch Anmerkungen der Schauspieler selbst, begleitet. Zum Schluss verzichtet Theseus auf den Epilog und will stattdessen einen Tanz sehen. Die Feierlichkeiten neigen sich dem Ende, sollen jedoch die nächsten 14 Tage fortgeführt werden.

Als sich alle zur Nachtruhe zurückgezogen haben, kündigt Droll die Ankunft der Feen an. Oberon und Titania schicken die Elfen durch das Haus, um dieses und die Hochzeitspaare zu segnen. Mit den verabschiedenden Worten von Droll wird das Publikum aufgefordert, das Gesehene, sollte es ihnen nicht gefallen haben, als Traum zu betrachten. Andernfalls dürften sie jetzt applaudieren.

Analyse

Im 5. und letzten Aufzug kommen alle Handlungsstränge und Figurengruppen in einer Szene zusammen. Die Frage nach Fantasie und Wirklichkeit wird auch von dem frisch vermählten Herzogspaar aufgegriffen. Während Hippolyta den Aussagen von den jungen Liebenden Glauben schenkt, hält Theseus diese für von der Nacht verschuldete Irreführungen: »Wahnwitzige Poeten und Verliebte | Bestehn aus Einbildung« (56). Hippolyta hält dagegen, da alle vier Beteiligten dieselbe Erfahrung gemacht haben. Sie nimmt nochmals Bezug auf die Nacht, wodurch diese zu einem Symbol für den Schein und die Verschleierung der Wirklichkeit wird.

Bei der Wahl eines Schauspiels weckt die »Spaßhafte Tragödie« (57) um Pyramus und Thisbe Theseus’ Interesse. Das im Zitat aufkommende Oxymoron sorgt bei ihm für Verwirrung, die er mit der Nennung von weiteren Oxymora deutlich macht: »Das ist ja glühend Eis und schwarzer Schnee.« (57) Philostrat versucht dem Herzog seine Entscheidung auszureden und unterstreicht damit die Annahme, wie sie auch in den chaotisch ablaufenden Proben deutlich wurde, dass es sich um keine gelungene Darbietung halten könne. Auch Hippolyta protestiert. Dennoch hat Theseus das letzte Wort und bittet das Schauspiel zu sehen, da er die Mühen der Handwerker würdigen will: »Was armer, will’ger Eifer | Zu leisten nicht vermag, schätzt edle Rücksicht.« (58) Bei der Darbietung können die Zuschauer im Stück ihre Kommentare dennoch nicht zurückhalten. Dies beginnt bereits mit dem Prolog, der durch unpassende Pausensetzung und Wortverdrehungen eine in die Irre führende Botschaft vermittelt: »Die wahre Absicht ist – zu Eurer Lust allein | Sind wir nicht hier –, daß wir in Reu’ und Leid Euch setzen.« (59) Die direkte Personifikation von Wand, Mond und Löwe, welche die Handwerker bewusst vorgenommen haben, um ihr Publikum nicht zu irritieren oder gar zu verschrecken, bewirkt bei diesem das Gegenteil: Sie können die Darbietung nicht ernst nehmen, was sich in Kommentaren wie von Demetrius: »Das ist nicht mehr als billig, gnädiger Herr, wenn Wände Ohren haben« (62), und Theseus: »Eine sehr höfliche Bestie und sehr gewissenhaft« (63), zeigt.

Mit dem Auftritt des Mondscheins bekommt dieser im Vergleich zur übrigen Darstellung im Gesamtwerk eine komisch-lächerliche Färbung. Während der Mond das Drama als Motiv durchzieht, das für die Messung der Zeit, als Begleitung von mystischen Ereignissen oder auch zur Symbolisierung von Gefühlen genutzt wird, stellt er nun in der Darstellung durch einen Mann mit Laterne, Hund und Dornbusch eine recht lächerliche Erscheinung dar, die als solche auch von Hippolyta kommentiert wird. Sie dient aber gleichzeitig als Beitrag zur komödiantischen Stimmung des Werkes. Insgesamt zeigt sich mit der bescheidenen Darbietung der Handwerker ein spürbarer Kontrast zu Shakespeares wahrem Können, auf welches, gerade dadurch, aufmerksam gemacht wird.
Die Entscheidungen der Handwerker, die Umsetzung derart bildhaft und entschleiert vorzunehmen, sind allerdings auch in ihrer unangefochtenen Überzeugung von ihrem Können begründet. Diese Überzeugung schafft eine eigene, vom inhaltlichen Aspekt der Darbietung losgelöste Illusion, welche die Themen von Schein und Wirklichkeit erneut aufgreift und die Zuschauer trotz der bescheidenen schauspielerischen Fähigkeiten fesselt, solange sie sich von der Begeisterung und Überzeugung der Darsteller mitreißen lassen. Im Elisabethanischen Theater war aufgrund der beschränkten Ausstattung und Bühnentechnik die Erzeugung dieser Illusion entscheidend.
Die Erzählung von Pyramus und Thisbe, deren Verbindung verboten war, zeigt eine Parallele zu Hermia und Lysander. Beide Paare wählen die Flucht aus Liebe. Während Hermia und Lysander ein glückliches Ende erfahren dürfen, sterben Pyramus und Thisbe bei ihrem Versuch. Die Tragödie fungiert somit als Parallele zu der im Drama erzählten Handlung und kontrastiert dessen Ausgang.
Außerdem kann man das Stück im Stück als Anspielung auf den »Sommernachtstraum« selbst interpretieren, wenn man der Annahme folgt, dass Shakespeare die Komödie anlässlich einer Hochzeit verfasst und aufgeführt hat. Dann kann der Schlussakt als eine captatio benevolentiae, eine Bitte um Wohlwollen, verstanden werden.

Mit einem Tanz als Symbol für Freude und Heiterkeit wird das Fest beendet. Darin liegt eine Parallele zum Elfenpaar, welches seine Versöhnung ebenfalls mit Tanz auf Theseus’ Hochzeit besiegeln möchte. Obwohl Theseus nach eigener Aussage am Szenenanfang nicht an Feen- und Geistergestalten glaubt, kündigt er diese in seiner abschließenden Rede an: »Zu Bett, Verliebte! Bald ist’s Geisterzeit.« (66) Droll nimmt diese Worte auf und bereitet die Ankunft der Elfen vor. Oberon und Titania sprechen zunächst im Kreuzreim. Für den Segen der Paare und des Hauses nimmt Oberon jedoch den Paarreim auf, wodurch dieser einen beschwörenden Charakter erhält. Das Drama endet in einem Happy End. Alle Streitenden sind versöhnt. Tanz symbolisiert die eingezogene Harmonie.

Droll wendet sich in seinem abschließenden Monolog direkt an das Publikum. Hier wird nochmals der schmale Grad zwischen Schein und Wirklichkeit aufgegriffen, zwischen Traum und Wachen, wie er das gesamte Werk bestimmt. Selbst der Titel »Ein Sommernachtstraum« bezieht sich auf die Mittsommernacht auf den 24. Juni, eine Nacht, die ebenfalls von Geistern und Bräuchen erfüllt ist (Ulm, 59). Sie kann allerdings auch als Bezug zur Sommersonnenwende am 21.Juni gesehen werden (Ellenrieder, 15). Hat dem Publikum das Werk nicht gefallen, hat es sich womöglich nur um einen solchen Traum gehandelt: »Wenn wir Schatten Euch beleidigt, | O so glaubt - [...] - Ihr alle schier | Habet nur geschlummert hier« (69). Die Nennung von Schatten spielt sowohl auf geisterhafte Erscheinungen als auch auf die Illusion, welche die Schauspieler erzeugt haben, an. Mit der letzten Zeile wird das Publikum zum Applaus aufgefordert: »Das Spiel zu enden, | Begrüßt uns mit gewognen Händen!« (69)

Veröffentlicht am 30. Juni 2023. Zuletzt aktualisiert am 30. Juni 2023.