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Leben des Galilei

Prüfungsfragen

  • Was ist der im Drama »Leben des Galilei« beschriebene Grundkonflikt und wie zeigt sich dieser?

    Der zentrale Konflikt des Dramas besteht in der Gegenüberstellung von zwei miteinander konkurrierenden Weltbildern: dem geozentrischen oder ptolemäischen und dem heliozentrischen oder kopernikanischen System. Da Galileis Forschungen das alte Weltbild, in dem Adel und Kirche sich durch die göttliche Ordnung legitimieren, bedrohen, soll er sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Als er sein Schweigen bricht, lässt die Inquisition ihn verhaften. Aus Angst vor der Folter widerruft Galilei seine Beobachtungen und begeht damit Verrat an der Wissenschaft.

  • Inwiefern ist »Leben des Galilei« auch ein gesellschaftliches Drama?

    Die einzelnen Figuren lassen sich entsprechend ihrer gesellschaftlichen Stellung und Meinungen den beiden Sphären alte und neue Zeit zuordnen. Während die Vertreter des Adels und Klerus sich eindeutig mit dem alten Weltbild in Verbindung bringen lassen, steht das Bürgertum für den wissenschaftlichen Fortschritt. Die Bauern werden als unmündige Mitglieder der Gesellschaft gezeigt, die in den Augen der Obrigkeit nicht mehr als »Tiere« (93) sind, die es in Schach zu halten gilt.

  • Welche Elemente des epischen Theaters lassen sich im Stück »Leben des Galilei« finden?

    Das Drama »Leben des Galilei« entspricht der Konzeption des epischen Theaters von Brecht. So lassen sich mehrere epische Elemente im Stück finden. Beispielsweise erfolgt durch die Szenenüberschriften und Epigramme eine direkte Ansprache an das Publikum und das Geschehen wird vorweggenommen. Dadurch wird die Aufmerksamkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer vom ›Was‹ auf das ›Wie‹ der Handlung gelenkt und sie nehmen eine kritische Distanz zum Geschehen ein (Verfremdungseffekt).

  • Gibt es Elemente im Stück »Leben des Galilei«, die nicht dem Konzept des epischen Theaters entsprechen?

    Obwohl Brecht durch den Verfremdungseffekt versucht, eine kritische Distanz zur Handlung aufzubauen, birgt die Figur Galilei doch Züge eines unglücklichen Helden, die eine Identifikation begünstigen. Auch wenn das Drama eine offene Form aufweist, trägt der Bezug zum historischen Hintergrund dazu bei, dass ein »Eindruck der Geschlossenheit« (Diekhans und Völkl 201) entsteht. Hinzu kommt die deutliche Spannungskurve, die weniger für das epische Theater als für das klassisch aristotelische Drama charakteristisch ist.

  • Welche Bedeutung kommt dem Motiv des Sehens im Stück »Leben des Galilei« zu?

    Das Sehen kehrt an verschiedenen Stellen des Stücks leitmotivisch wieder. Bereits in der ersten Szene wird es im Kontrast zum oberflächlichen Glotzen als Mittel zur Erkenntnis eingeführt. So möchte Galilei seinem Schüler Andrea die Fähigkeit zum Sehen und damit zum wissenschaftlichen Arbeiten vermitteln.

  • Was ist der sogenannte Verfremdungs- oder kurz V-Effekt und wie soll er im Sinne Brechts im Stück »Leben des Galilei« erreicht werden?

    Mit dem Verfremdungseffekt oder V-Effekt soll eine Distanz zwischen Publikum und Bühnengeschehen hergestellt werden. Diese Distanz befähigt die Zuschauerinnen und Zuschauer dazu, die dargestellte Handlung kritisch zu reflektieren. Brecht setzt hierfür unterschiedliche epische Elemente ein, wie unter anderem das zusammenfassende Epigramm oder Szenenüberschriften, die oft aus ganzen Sätzen bestehen. Auch vermeidet er häufige Schilderungen von Emotionen, da die Figuren kein Mitleid erwecken sollen.

  • Vor welchem zeitgeschichtlichen Hintergrund ist das Werk »Leben des Galilei« entstanden? Lassen sich hier inhaltliche Parallelen feststellen?

    Die erste Fassung des Dramas verfasste Bertolt Brecht während seiner Zeit im dänischen Exil, weshalb das Stück der Exilliteratur zugeordnet werden kann. Auch wenn das Drama nur wenige zeitgeschichtliche Bezüge aufweist, so kann die Grundproblematik der Unterdrückung von neuem Wissen durchaus auf den Nationalsozialismus bezogen werden.

    Ein konkreter Hinweis auf diese Lesart findet sich im 14. Bild, als Galilei Andrea die folgenden Worte mit auf den Weg gibt: »Gib acht auf dich, wenn du durch Deutschland kommst, die Wahrheit unter dem Rock.« (129) Genau wie die Inquisition neues und gefährliches Wissen zensiert und verfolgt, so wurden auch zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland viele bedeutende Persönlichkeiten der Wissenschaft und Kultur deportiert und teilweise hingerichtet. Ihre Schriften wurden als entartet bezeichnet und größtenteils vernichtet, was zu einem großen gesellschaftlichen Verlust und Rückschritt geführt hat.

  • Charakterisieren Sie die Figur des Inquisitors und zeigen Sie auf, welche Rolle dieser im Konflikt Galileis mit der Kirche spielt.

    Der Inquisitor kann als »Gegenspieler Galileis« (Nutz 125) aufgefasst werden. Er ist nach dem Papst der höchste Vertreter der Kirche, wobei er selbst dem Papst noch überlegen scheint, da er es schafft, ihn für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Sein Ziel ist es, die Vormachtstellung der Kirche um jeden Preis zu bewahren. Dafür schreckt er nicht davor zurück, Gewalt einzusetzen.

  • Analysieren und interpretieren Sie die Selbstverurteilung Galileis in der 14. Szene aus Bertolt Brechts Schauspiel »Leben des Galilei«.

    Als Andrea im 14. Bild von der heimlichen Abschrift der »Discorsi« erfährt, rechtfertigt er den Widerruf seines Lehrers, den er zuvor noch verteufelt hatte. So sei es laut Andrea ein rein taktisches Vorgehen Galileis gewesen, um sein Hauptwerk noch zu Ende schreiben zu können. »Dieser Position stellt Galilei in der Selbstverurteilung die soziale Verantwortung der Wissenschaft gegenüber.« (Nutz 133) Um seine Schuld und seinen Verrat an der Menschheit für Andrea zu veranschaulichen und nachvollziehbar zu machen, verwendet Galilei viele Vergleiche und eine sehr bildreiche Sprache.

  • Vergleichen Sie die Rolle des Wissenschaftlers in Brechts Drama »Leben des Galilei« und Friedrich Dürrenmatts Komödie »Die Physiker«.

    Sowohl Brechts »Leben des Galilei« als auch Dürrenmatts »Die Physiker« stellen Wissenschaftler und die Frage nach ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in den Mittelpunkt der Handlung. Allerdings weisen die Stücke unterschiedliche thematische Schwerpunkte auf.

    Bei Brecht wird die Wissenschaft als wichtige Triebkraft des Fortschritts verstanden. Somit kommt dem Forscher eine gesellschaftliche Verantwortung und Funktion zu. Bei Dürrenmatt herrscht eine pessimistische Sicht auf die Wissenschaft vor, die für niedere Zwecke missbraucht wird und zwangsläufig negative Konsequenzen hat.

Veröffentlicht am 13. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. November 2023.