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Leben des Galilei

Zitate und Textstellen

  • »Denn wo der Glaube tausend Jahre gesessen hat, eben das sitzt jetzt der Zweifel.«
    – Galilei, 1. Bild, S. 11, Z. 27–28.

    Galileo Galilei beschreibt hier den Anbruch einer neuen Zeit, in der nicht mehr nur das Wort Gottes gilt, sondern auch Zweifel und Fragen erlaubt sind. Damit ist er ein Verfechter und Wegbereiter für die modernen Naturwissenschaften. Das Konzept des Zweifels ist Teil des Rationalismus, der unter anderem von René Descartes vertreten wurde. Brecht hatte sich Anfang der 1930er Jahre intensiv mit den Schriften Descartes auseinandergesetzt.

  • »Glotzen ist nicht sehen.«
    – Galilei, 1. Bild, S. 13, Z. 14.

    Im Gespräch mit seinem Schüler Andrea äußert Galilei erstmals das Motiv des Sehens. Hier werden zwei Arten der optischen Wahrnehmung gegenübergestellt: Das Glotzen im Sinne eines oberflächlichen Anschauens und das Sehen im Sinne eines Erkennens und Durchdringens. Nach Galilei ist die zweite Art des Sehens die einzig wahre und sinnvolle, um zum Kern der Dinge vorzustoßen und Zusammenhänge sowie Ursachen erkennen zu können.

  • »Wo ist Gott?«
    – Sagredo, 3. Bild, S. 35, Z. 15.

    Sagredo stellt hier die zentrale Frage nach der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Religion. Galilei als Vertreter der Wissenschaft kümmert sich nicht um diese Art von Fragen. Damit gerät er zusehends in den Konflikt mit den Glaubensgrundsätzen der katholischen Kirche. Sagredo will ihn, als sein Freund, darauf aufmerksam machen und warnen.

  • »Die Wahrheit ist das Kind der Zeit, nicht der Autorität.«
    – Galilei, 4. Bild, S. 51, Z. 4–5.

    Bei diesem Satz handelt es sich um ein lateinisches Sprichwort (»veritas temporis filia«), das Brecht von Francis Bacon übernommen hat. Es bedeutet, dass die Wahrheit immer wieder aufs Neue gefunden werden muss. Dabei ist es manchmal nötig, auch alten Grundsätzen von namhaften Autoritäten im Sinne des wissenschaftlichen Fortschritts zu widersprechen.

  • »Wir werden den Tag erleben, wo sie sagen: Es gibt auch nicht Mensch und Tier, der Mensch selber ist ein Tier, es gibt nur Tiere!«
    – Der sehr dünne Mönch, 6. Bild, S. 63, Z. 5–7.

    Diese abfällige Bemerkung des Mönchs spielt auf zukünftige Forschungsergebnisse in den Naturwissenschaften an. So beschrieben sowohl Jean Lamarck als auch Charles Darwin in ihren namhaften Evolutionstheorien im 19. Jahrhundert, dass der Mensch vom Affen abstammt. Zur Zeit Galileis war ein solches Denken noch unmöglich, da man sich auf die göttliche Abstammung des Menschen berief.

  • »Man kann nicht die Lehre verdammen und die Sternkarten nehmen.«
    – Der Papst, 12. Bild, S. 109, Z. 24–26.

    Dieser Satz zeigt das Dilemma, in dem sich der Papst und die Kirche befinden. Zum einen möchten sie die Schifffahrt und den Handel durch die neuen Sternkarten verbessern, zum anderen wollen sie aber nicht die kopernikanische Lehre anerkennen. Diesen Widerspruch benutzt der Papst bewusst, um den Inquisitor davon zu überzeugen, dass Galileis Lehren wichtig für die Zukunft der Menschen sind.

  • »Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.«
    – Galilei, 9. Bild, S. 83, Z. 29–31. & Andrea, 13. Bild, S. 112, Z. 8–10.

    Dieser Ausspruch stammt ursprünglich von Galilei, der sich damit in Szene 9 gegenüber dem Gelehrten Mucius verteidigt, und wird später in Szene 13 von Andrea als direktes Zitat wieder aufgegriffen, als Galilei von der Inquisition verhaftet worden ist. Da Galilei die Wahrheit über die Gestirne kennt, sie jedoch aus Angst vor der Folter widerruft, ist er nach eigenem Urteil ein Verbrecher. Auch seine Schüler, allen voran Andrea, wenden sich enttäuscht über den Verrat an der Menschheit von ihrem Lehrer ab.

  • »Und mit Gewalt kann man nicht ungesehen machen, was gesehen wurde.«
    – Der kleine Mönch, 13. Bild, S. 113, Z. 26–27.

    Hier wie an vielen anderen Stellen im Drama taucht wieder das Motiv des Sehens auf. Sehen wird hier mit der Erkenntnis gleichgesetzt. So hat die Kirche nicht die Macht, die Worte und Forschungen Galileis ungeschehen zu machen, auch wenn sie hierfür Gewalt in Form der Folter einsetzt. Mit dieser Aussage drückt der kleine Mönch seine Hoffnung aus, dass die Erkenntnisse über das kopernikanische Weltbild in Zukunft auch anerkannt werden.

  • »Unglücklich das Land, das keine Helden hat!«
    – Andrea, 13. Bild, S. 115, Z. 16–17.

    Mit diesem Ausruf drückt Andrea seine tiefe Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit über Galileis Widerruf aus. Er hat den Glauben an seinen Helden und Lehrmeister verloren. Galilei, der aus der Gefangenschaft der Inquisition zurückkehrt, hört die Worte Andreas, lässt diese jedoch zunächst unkommentiert stehen. Daraufhin macht Andrea sich seinem Ärger Luft und beschimpft Galilei aufs Schärfste. Ganz am Ende der 13. Szene antwortet Galilei mit einer Antithese auf Andreas Äußerung: »Nein. Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.« (116)

  • »Gib acht auf dich, wenn du durch Deutschland kommst, die Wahrheit unter dem Rock.«
    – Galilei, 14. Bild, S. 129, Z. 3–5.

    Mit diesen Worten verabschiedet Galilei seinen ehemaligen Schüler Andrea, der mit Galileis Schrift hinaus in die Welt zieht, um die wahren physikalischen Gesetze über den Kosmos zu verbreiten. Die Warnung, besonders in Deutschland vorsichtig zu sein, bezieht sich unmittelbar auf die Herrschaft der Nationalsozialisten, vor der auch Brecht selbst ins Ausland fliehen musste. Auf diese Weise wird ein deutlich zeitgeschichtlicher Bezug hergestellt, in dem die Verantwortung des Wissenschaftlers auf der Suche nach der Wahrheit in ein neues Licht gerückt wird.

Veröffentlicht am 13. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. November 2023.