Skip to main content

Leben des Galilei

Bild 1-3

Zusammenfassung

Die Handlungszeit setzt mit dem Jahr 1609 ein. Am Anfang des Stücks ist Galileo Galilei 46 Jahre alt und arbeitet als Lehrer der Mathematik im Auftrag der Universität von Padua, die der Republik Venedig untersteht. Galilei lebt in ärmlichen Verhältnissen und kann nur mit Mühe die tägliche Lieferung des Milchmanns bezahlen. Mit im Haus leben seine Tochter Virginia, die Haushälterin Frau Sarti und ihr Sohn Andrea.

Im ersten Bild erklärt Galilei dem jungen Andrea zunächst das ptolemäische Weltbild mithilfe eines Astrolabs. In einem langen Monolog führt Galilei aus, dass eine neue Zeit angebrochen ist, die auch durch die Schifffahrt begünstigt wird. Nachdem die Menschen 2000 Jahre lang der Meinung waren, die Erde sei der Mittelpunkt der Erde, wurden in jüngerer Vergangenheit Entdeckungen gemacht, die für ein heliozentrisches Weltbild im Sinne von Kopernikus sprechen. Nach diesem System ist die Sonne und nicht mehr die Erde der Mittelpunkt des Kosmos.

Da Andrea erst zehn Jahre alt ist, versteht er nicht alle Gedankengänge seines Lehrmeisters. Deshalb verwendet Galilei praktische Beispiele, wie verschiedene Möbel im Raum zu verschieben, um Andrea die Zusammenhänge der Gestirne zu erklären. Frau Sarti ist nicht begeistert darüber, dass Galilei ihren Sohn in der Astronomie unterrichtet, da Andrea in der Schule davon erzählt und damit den Unmut der Geistlichen auf sich zieht. Daher erinnert sie Galilei an seine eigentliche Arbeit als Lehrer für zahlende Privatschüler.

Ludovico Marsili kommt daraufhin als neuer Schüler zu Galilei ins Haus und erzählt ihm von einer Erfindung, die er in Holland gesehen hat. Galilei ist von der Entdeckung des Fernrohrs begeistert und beschließt, selbst ein solches zu bauen. Als der Kurator ihm die angefragte Lohnerhöhung verweigert, wittert Galilei seine Chance, das Fernrohr als seine eigene Erfindung auszugeben und macht sich sofort an die Arbeit.

Im zweiten Bild präsentiert Galilei das Fernrohr im Großen Arsenal von Venedig, wo die Ratsherren die neue Erfindung begutachten. Begleitet wird er von seiner fünfzehnjährigen Tochter Virginia, seinem Freund Sagredo und dem Linsenschleifer Federzoni.

Für den Kurator und die Ratsherren in Venedig zählt vor allem der wirtschaftliche und militärische Nutzen des Teleskops und dessen Einsatz in der Schifffahrt, während Galilei hofft, die kopernikanische Lehre mithilfe des Fernrohrs beweisen zu können. Auch Ludovico ist bei der Demonstration des Fernrohrs dabei und gratuliert Galilei zu der Entdeckung, obwohl er bereits weiß, dass es nicht Galileis Erfindung ist. Am Ende des zweiten Bildes sprechen auch Ludovico und Virginia und werden miteinander vertraut.

Im dritten Bild nimmt Galilei seine Forschungen wieder auf und bespricht sich mit seinem Freund Sagredo über die gemachten Beobachtungen. Durch das Fernrohr können die beiden sehen, dass der Mond ebenso wie die Erde von der Sonne beleuchtet wird. Dies spricht für das heliozentrische Weltbild, was die Erde zu einem Stern unter vielen macht.

Obwohl Sagredo auch durch das Fernrohr sieht und die Erkenntnisse seines Freundes nachvollziehen kann, ist er tief erschüttert und in Sorge. Er befürchtet, dass Galilei das gleiche Schicksal wie Giordano Bruno ereilen könnte, der für seine Behauptungen angeklagt und wegen Ketzerei zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt worden ist.

Bevor sie noch weiter diskutieren können, erscheint der Kurator, der mittlerweile erfahren hat, dass das Fernrohr zuvor in Holland erfunden wurde. Der Betrug Galileis stimmt den Kurator enttäuscht und wütend. Auch zeigt er sich wenig interessiert an den jüngsten Entdeckungen von Sagredo und Galilei.

Nach dem zornigen Abgang des Kurators rechtfertigt sich Galilei vor Sagredo damit, dass sein Fernrohr eine verbesserte Version zum holländischen Teleskop darstelle und er auch für Virginias Zukunft sorgen müsse. Anschließend vertiefen sich die beiden Freunde wieder in ihre Studien über die Milchstraße und machen neue Entdeckungen über die Bewegung der Jupitermonde.

Aufgeregt möchte Galilei dem jungen Andrea von diesen Neuigkeiten erzählen, während Sagredo ihn abermals zur Vorsicht ermahnt und noch einmal an die Gefahren erinnert, die das neue Wissen mit sich bringt. Frau Sarti tritt herein, da sie den Ruf des Hausherren wahrgenommen hat, weigert sich jedoch, Andrea mitten in der Nacht für Galileis Wissenschaft zu wecken.

Stattdessen erscheint Galileis Tochter Virginia, da sie mit Frau Sarti und Ludovico in die Kirche gehen möchte. Sie zeigt Interesse am Fernrohr, aber ihr Vater lässt sie nicht durchschauen. Dagegen teilt er ihr seinen Entschluss mit, nach Florenz zu ziehen, um dort als Mathematiker am Hof zu arbeiten. Sagredo warnt ihn, dass in Florenz die Kirche zu viel Macht und Einfluss auf den Adel habe. Doch Galilei ist sich sicher, dass er die kopernikanische Lehre auch vor der Kirche beweisen und verteidigen kann.

Analyse

Das erste Bild wirkt wie eine Einführung oder Exposition in das Drama. Die wichtigste Figur des Stücks, Galileo Galilei, wird in seinem Umfeld vorgestellt. Dabei geben Szenenüberschrift und Epigramm schon erste wichtige Informationen und Hinweise zum historischen Kontext sowie Zeit und Ort der Handlung, werfen gleichzeitig aber auch Fragen nach der Identität Galileis und dem kopernikanischen Weltsystem auf. Das im Epigramm erwähnte »Licht des Wissens« (9) steht symbolisch für eine neue Zeit der Aufklärung, die durch die Forschung Galileis vorangetrieben wird.

Im Vordergrund der ersten Szene steht das Gespräch zwischen dem Lehrer Galilei und seinem Schüler Andrea, das durch Galileis Rede über den Anbruch der neuen Zeit (vgl. 10–12) und die Dialoge zwischen Galilei und Ludovico (vgl. 16–18) sowie zwischen Galilei und dem Kurator (vgl. 18–22) ergänzt und inhaltlich vertieft wird.

Schnell wird deutlich, in welchen prekären Verhältnissen Galilei mit seiner Familie lebt. Er arbeitet in einem »ärmliche[n] Studierzimmer« (9) und hat kaum genug Geld, um den Milchmann zu bezahlen. Sogar »der Gerichtsvollzieher« (ebd.) droht bald zu kommen. Die Geldsorgen halten Galilei jedoch nicht davon ab, sich an körperlichen Genüssen, wie dem morgendlichen Bad und Frühstück zu erfreuen und mit dem jungen Andrea gemeinsam zu scherzen.

Im weiteren Verlauf der Handlung erhalten die Leserinnen und Leser Einblicke in das Arbeitsleben Galileis als Forscher und Lehrer sowie in seine wissenschaftlichen Methoden. Er lässt Andrea das ptolemäische oder auch geozentrische Weltbild anhand eines Astrolabs beschreiben. Der Junge ist eifrig bei der Sache und kann bereits ein eigenes Urteil über das ptolemäische System fällen: »Das ist schön. Aber wir sind so eingekapselt.« (10) Mit dieser Aussage nimmt Andrea bereits Argumente des späteren Konflikts zwischen altem und neuem Weltbild vorweg. Untermauert wird dies durch den anschließenden Monolog Galileis, in dem er schlussfolgert: »die alte Zeit ist herum, und es ist eine neue Zeit.« (11)

Ein wichtiger Kontrast, der durch Galileis Rede sprachlich aufgerufen wird, ist jener zwischen Starrheit und Beweglichkeit. Während das alte, geozentrische Weltbild im Sinne Aristoteles starr und unbeweglich ist, da es durch die »kristallnen Sphären« (10) verbunden ist, zeichnet sich das neue, heliozentrische Weltbild im Sinne Kopernikus’ durch die Bewegungen der Gestirne im Kosmos aus. Bewegung ist dabei auch gleichzusetzen mit Fortschritt sowie dem Aufbruch in ein neues Zeitalter.

Den Ausgangspunkt für diese neuartigen Entwicklungen sieht Galilei in der Schifffahrt begründet. So haben in der Vergangenheit bereits wichtige Entdeckungsreisen von Christoph Kolumbus und Vasco da Gama stattgefunden. Aus diesem Grund steht das Schiff sinnbildlich für die Fahrt in eine neue Zeit, die auch den einfachen Leuten nicht verborgen bleibt. »An die Stelle des Glaubens an Autoritäten und ihr Wissen tritt das vernünftige Wissen der einzelnen Menschen, das sich dem Zweifel an den Autoritäten verdankt.« (Hahnengreß 14)

Frau Sarti kann die Euphorie Galileis nicht recht verstehen und sorgt sich um das Wohlergehen von Andrea und der finanziellen Zukunft der Familie. So entgegnet sie Galileis feierliche Ansprache über die neue Zeit mit einem sarkastischen Unterton: »Hoffentlich können wir auch den Milchmann bezahlen in dieser neuen Zeit, Herr Galilei.« (14)

Unbeirrt von diesem Einwand setzt Galilei die Lehrstunde mit dem jungen Andrea fort. Da dieser noch Schwierigkeiten hat, den Gedanken des Wissenschaftlers zu folgen, greift Galilei zu praktischen Beispielen und versucht, die Gestirne anhand von Möbeln oder Obst zu beschreiben. »An Galileis Willen, dass auch der junge Andrea die Funktionsweise des neuen Weltbildes versteht, zeigt sich sein unbedingter Aufklärungswille dem Volk gegenüber, dem er seine körperlichen Bedürfnisse und die Lösung seiner lebensweltlichen Probleme zeitweilig hintenan stellt.« (Diekhans und Völkl 19)

Im Kontrast zu der Wissbegier des jungen Andrea steht der Privatschüler Ludovico Marsili, der nur Unterricht bei Galilei nimmt, weil seine Mutter es für notwendig erachtet. In Wahrheit interessiert Ludovico sich nicht für Physik, sondern für Pferde. Obwohl Galilei seine Zeit lieber für die Forschung und die Lehrstunden mit Andrea einsetzen würde, benötigt er Einkünfte und willigt deshalb ein, Ludovico zu unterrichten. Dass ausgerechnet dieser Galilei von dem Fernrohr erzählt, kann als schicksalshafte Fügung gedeutet werden und bestimmt in der Folge maßgeblich die Handlung des Dramas.

Kurz nachdem Ludovico das Studierzimmer verlassen hat, kündigt Frau Sarti das Erscheinen des Kurators, Herrn Priuli, an. Im kurzen Zwiegespräch wechseln Galilei und Frau Sarti zum vertraulichen »du« (18) über, was zeigt, wie nahe sich die beiden stehen. Von dem Gespräch mit dem Kurator erhofft sich Galilei eine Gehaltserhöhung, die jedoch nicht eintrifft. Stattdessen stellt der Kurator Galilei in Aussicht, noch mehr Privatschüler anzunehmen oder Erfindungen zu präsentieren, die der Republik Venedig mehr Geld einbringen.

Im Dialog wird schnell klar, dass der Kurator und die in Venedig ansässigen Gelehrten einen ganz anderen Blick auf die Forschung haben. Für sie ist Wissenschaft »eine brotlose Kunst« (18) und dient nur als Mittel zum wirtschaftlichen Zweck. Dabei richtet sie sich nach den Gesetzmäßigkeiten des Marktes aus. Im Gegenzug verspricht die Universität ihren Angestellten aber auch Schutz vor der Inquisition und ein freies wissenschaftliches Arbeiten, was Galilei durchaus anerkennen muss.

Von den Gesprächen mit Ludovico und Herrn Priuli bewegt, beginnt Galilei sogleich mit dem Bau des Fernrohrs. Auch ermahnt er Andrea, nicht mit anderen über die noch am Anfang befindlichen Forschungen zu sprechen, um kein unnötiges Risiko einzugehen. Galilei ist bewusst, dass die von ihm geäußerte »Hypothese« (23) erst noch bewiesen werden muss.

Das zweite Bild dreht sich um die Erfindung und Demonstration des Fernrohrs vor den Ratsherren des Großen Arsenals, dessen Direktor Galilei ist. Obwohl er das Fernrohr nur nachgebaut hat, gibt Galilei es als seine eigene Erfindung und als »Frucht siebzehnjähriger geduldiger Forschung« (25) aus.

Auch wenn er sich vor den Ratsherren höflich und demütig zeigt, äußert er gegenüber seinem Freund Sagredo, dass die Veranstaltung reine Zeitverschwendung sei. Dieser erinnert Galilei daran, dass die Erfindung ihm viel Geld einbringen werde. Dennoch ist Galilei nicht ganz bei der Sache, da er ständig an seine interessanten Beobachtungen durch das Fernrohr denken muss. »Dieser neue Zweck des Rohrs beschäftigt ihn so stark, dass er den ursprünglichen fast vergisst und die Zusage der Gehaltserhöhung durch Priuli kaum zur Kenntnis nimmt.« (Hahnengreß 18)

Da Ludovico um den Betrug Galileis weiß, gratuliert er ihm »verlegen« (27) zu seinem Erfolg. Galilei, der sich keiner Schuld bewusst ist, betont, dass er das Fernrohr nicht nur nachgebaut, sondern verbessert habe. Daraufhin äußert Ludovico vor Galileis Tochter Virginia, dass er beginne, »etwas von Wissenschaft zu verstehen« (28). Damit meint er vor allem den wirtschaftlichen Nutzen von technischen Erfindungen. Doch dies ist, wie sich hier bereits ankündigt, nur eine Seite des wissenschaftlichen Fortschritts. Was Galilei vor allen Dingen umtreibt, ist die Suche nach der Wahrheit. Um dieser näher zu kommen, muss er manchmal auch moralisch zweifelhafte Entscheidungen fällen.

Das dritte Bild, in dessen Mittelpunkt das Gespräch zwischen Galilei und seinem Freund Sagredo steht, erzählt von verschiedenen Entdeckungen, die die kopernikanische Lehre stützen. Dabei erscheint der Forschungsprozess durch die Beobachtungen, Beschreibungen, Berechnungen und Auslegungen der beiden Gelehrten im Sinne der modernen Naturwissenschaften als logisch nachvollziehbar. Schrittweise werden so die Lehren der alten Autoritäten, wie Aristoteles und Ptolemäus widerlegt.

Die konträren Gemütszustände der beiden Freunde Sagredo und Galilei werden in dieser Szene gegenübergestellt. Während Galilei voller Euphorie und Begeisterung ist, überwiegt bei Sagredo die Angst und Sorge um seinen Freund. Er stellt die alles entscheidende Frage »Wo ist Gott?« (35), die den weiteren Konflikt mit den Vertretern der Kirche und des alten Weltbildes heraufbeschwören wird.

Veröffentlicht am 3. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 3. November 2023.