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Leben des Galilei

Sprache und Stil

Bertolt Brecht setzte sich in Vorbereitung auf den Schreibprozess des Dramas »Leben des Galilei« intensiv mit den historischen Quellen, unter anderem der von Galilei verfassten Schrift »Discorsi«, auseinander. Auf diese Weise konnte er sich an der Ausdrucksweise des realen Galilei orientieren, was sein Werk sehr authentisch macht.

Im Drama tauchen aufgrund der unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergründe auch verschiedene Sprachebenen auf. So werden Galileis Forschungserkenntnisse mal einfach in volkstümlicher Sprache, mal komplex in einer wissenschaftlichen Fachsprache geäußert. Dabei ist der Sprachstil immer abhängig von der Herkunft und dem Alter sowie dem Gemütszustand der einzelnen Figuren.

So verwendet die Hauptfigur Galileo Galilei im aufgebrachten Zustand eine sehr leidenschaftliche und impulsive Sprache, die sich nicht am normalen Satzbau aus Haupt- und Nebensätzen orientiert. Als Forscher, vor allem in der Gegenwart seiner Schüler, ist er jedoch um eine wissenschaftlich korrekte Ausdrucksweise bemüht.

Mit der Figur Andrea zeigt uns Brecht eine Sprachentwicklung von einem Kind bis hin zu einem Erwachsenen. Während er als junger Schüler von Galilei noch recht zurückhaltend ist und bei Fremdwörtern wie »Hypothese« (vgl. 32) nachfragen muss, neigt er als Erwachsener zu einer pathetischen und bildreichen Sprache, in der er seine Meinung frei äußert. Dazu gehören auch kreative Schimpfwörter wie »Weinschlauch« oder »Schneckenfresser« (115), die Andrea im Kontext des Widerrufs gebraucht.

Durch die Unwissenheit des jungen Andrea kommt auch das Wortspiel »Kippernikus« (13) zustande, das er irrtümlich statt Kopernikus verwendet. Es spielt darauf an, dass das alte Weltbild gekippt und durch ein neues ersetzt wird. So bekommt der Name des berühmten Physikers noch eine anschauliche, bildliche Ebene, die auch für ein Kind verständlich ist.

Im Stück gibt es einige wiederkehrende Motive wie die Milch, das Buch, das Sehen, das Fernrohr und den Stein.

  • Die Milch durchzieht als Leitmotiv das gesamte Drama und steht für die materielle Seite des Lebens eines Wissenschaftlers, der genau wie alle Menschen sein Verlangen nach Nahrung und Schlaf befriedigen muss. Für diese körperlichen Bedürfnisse muss Galilei genug Geld aufbringen, weswegen die Milch auch symbolisch für den Unterhalt der Familie steht.
  • Das Buch wird der Milch in der ersten Szene des Dramas gegenübergestellt und versinnbildlicht das geistige Schaffen und Wesen des Wissenschaftlers Galilei. Auch in der größten Not, bei Ausbruch der Pest, sucht er nach einem bestimmten Buch, das ihm zu neuem Wissen verhelfen soll.
  • Ein weiteres Leitmotiv im Stück ist das Sehen, das mit einem nach Ursachen Forschen gleichgesetzt wird. Demgegenüber steht das nur oberflächliche »Glotzen« (13), das zu keiner Erkenntnis führt.
  • Eng verknüpft mit dem Sehen ist das Motiv des Fernrohrs, welches als Instrument das wissenschaftliche Forschen und Erkennen unterstützt. Die einfältigen Hofgelehrten weigern sich, durch das Fernrohr zu sehen und sind damit blind für die Wahrheit.
  • Den Stein oder »Beweisstein« (112) hat Galilei immer mit dabei, um seine Theorie der Erdanziehung zu demonstrieren. Damit wird ein komplexer Sachverhalt durch ein einfaches Experiment wie das Fallen eines Steins belegt.

Ein typisches Merkmal in der Sprachgestaltung des Dramas ist der Widerspruch oder Kontrast, der sich in vielen Antithesen zeigt. So werden beispielsweise Dunkelheit und Licht oder alte und neue Zeit gegenübergestellt. Häufig tauchen diese antithetischen Strukturen auch in den Epigrammen des Dramas auf, zum Beispiel: »Die Sonn steht still, die Erd kommt von der Stell.« (9)

Damit verbunden ist die dialogische oder auch dialektische Struktur des Dramas. So beruhen viele Dialoge im Stück auf dem Prinzip von These und Antithese oder Rede und Gegenrede. Letztere wird teilweise verzögert geäußert. So beispielsweise am Ende des 13. Bildes, als zunächst Andrea (»Unglücklich das Land, das keine Helden hat!«, 115) und dann erst ganz zum Schluss Galilei spricht und ihm antwortet (»Nein. Unglücklich das Land, das keine Helden nötig hat.«, 116).

Veröffentlicht am 13. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. November 2023.