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Leben des Galilei

Bild 13-15

Zusammenfassung

Zu Beginn des dreizehnten Bildes warten Galileis Schüler und Freunde im Palast des Florentinischen Gesandten in Rom auf Neuigkeiten über den Verbleib Galileis. Federzoni und der kleine Mönch vertreiben sich die Zeit bei einem Schachspiel, während Virginia für das Wohl ihres Vaters betet.

Der kleine Mönch informiert die Anwesenden darüber, dass der Papst wissenschaftliche Diskussionen strengstens untersagt hat. Andrea hat Angst, dass Galilei getötet werden könnte, wenn er seine Lehren nicht widerruft. Insgesamt 23 Tage hat Galilei im Kerker der Inquisition verbracht, nachdem er gestern zum Verhör geführt wurde. Gespannt und ängstlich erwarten die Anwesenden nun das Ergebnis des Prozesses.

Als die Glocke der Kirche läutet und der Ansager den Widerruf Galileis verliest, ist Virginia erleichtert. Seine Unterstützer und Freunde, allen voran Andrea, sind jedoch am Boden zerstört und verlieren ihren Glauben an die Wissenschaft. Am Schluss der Szene wird ein Auszug aus Galileis Buch »Discorsi« verlesen.

Das vierzehnte Bild zeigt Galileis letzte Lebensstation. Er wohnt nun zurückgezogen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Landhaus bei Florenz. Galilei ist sichtlich gealtert und wird von seiner mittlerweile erwachsenen Tochter Virginia umsorgt.

Galilei darf zwar weiterhin seinen Forschungen nachgehen, wird jedoch permanent von einem Mönch überwacht. Dennoch hat er Gelegenheit, sein Hauptwerk, die »Discorsi« zu beenden. Andrea, der mittlerweile selbst Wissenschaften lehrt, sucht überraschend seinen alten Lehrmeister auf, um sich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.

Als Andrea bewusst wird, dass Galilei die Forschung nicht aufgegeben hat, werden seine alte Wissbegierde und sein Forscherdrang entfacht. Er lässt sich die Abschrift der »Discorsi« von Galilei aushändigen und verspricht, sie hinaus in die Welt zu tragen. Galilei warnt seinen ehemaligen Schüler davor, nicht zu leichtsinnig zu sein und auf sich aufzupassen.

Im fünfzehnten und letzten Bild wird erzählt, wie Andrea Sarti im Jahr 1637 die italienische Grenze passiert. In einer kleinen Stadt nahe der Grenze wartet Andrea auf die Prüfung seiner Papiere durch die Grenzwächter. Dabei liest er in den »Discorsi«. Nachdem die Beamten sein Gepäck durchsucht haben, fragen sie nach dem Buch, in dem Andrea liest. Mit einer List schafft es Andrea, dass sie sich nicht weiter für das Buch interessieren und ihn weiterfahren lassen.

Analyse

Das dreizehnte Bild nimmt die wichtigste Information bereits durch die Szenenüberschrift vorweg: »Galileo Galilei widerruft vor der Inquisition am 22. Juni 1633 seine Lehre von der Bewegung der Erde« (111). Das folgende Epigramm macht auf die historische Bedeutsamkeit dieses Ereignisses aufmerksam und kommentiert den beinahe erreichten Sieg der Vernunft, die personifiziert einen Tag lang vor der Tür steht und vergeblich auf Einlass wartet.

Genau wie im achten Bild ist der Schauplatz der Palast des Florentinischen Gesandten in Rom, wo die Schüler, Mitarbeiter und Unterstützer Galileis zusammengekommen sind, um auf den Ausgang des Prozesses zu warten. Deutlich räumlich getrennt und etwas abseits »[i]n einer Ecke« (111) kniet Virginia und betet für Galileis Befreiung. Diese räumliche Trennung spiegelt auch den Gegensatz zwischen den Meinungen darüber wider, ob Galilei seine Lehre widerrufen sollte oder nicht. Während Virginia sich wünscht, dass ihr Vater seinen ketzerischen Gedanken abschwört, hoffen die Schüler Galileis insgeheim, dass er keine Schwäche zeigt und für die Wissenschaft, auch unter Einsatz seines Lebens, einsteht.

Auch Andrea ist sich sicher, dass Galilei nicht widerruft und bewertet die möglicherweise bevorstehende Hinrichtung als Verlust für die wissenschaftliche Forschung: »Sie werden ihn umbringen. Die »Discorsi« werden nicht zu Ende geschrieben. [...] Da er niemals widerruft.« (111) Die Anspannung unter den Wartenden erreicht ihren Höhepunkt, als der Unbekannte aus dem elften Bild erscheint und verkündet, dass man mit dem Widerruf Galileis um fünf Uhr rechne. Zum Zeichen werde die Glocke von Sankt Markus geläutet.

Als kurz nach fünf Uhr noch immer keine Glocke erklingt, brechen die Schüler in Jubel aus und begrüßen euphorisch die neue »Zeit des Wissens« (114), die metaphorisch mit dem Licht des Morgens in Verbindung gebracht wird. Als die Glocke einige Minuten später erklingt und Galilei doch widerruft, folgt darauf symbolträchtig die Dunkelheit, also eine Abblendung des Lichts in der Szene, die gleichzeitig einen kleinen Zeitsprung markiert.

Wenig später erscheint der vom Verhör der Inquisition sichtlich gezeichnete Galilei. Andrea ist tief enttäuscht und macht seinem Ärger Luft. Sein Ausruf »Unglücklich, das Land, das keine Helden hat!« stellt Galilei, der ein Held hätte sein können, als Verräter bloß. Auch die Schimpfwörter »Weinschlauch! Schneckenfresser!« (115) zielen auf die moralische Verurteilung Galileis als Verbrecher an der Menschheit ab. Andrea ist emotional so ergriffen, dass ihm körperlich übel wird und er auf äußere Hilfe angewiesen ist, um sich zu beruhigen.

Als Antwort auf Andreas Ausruf im Sinne einer Antithese stellt Galilei ganz am Ende der Szene ernüchtert fest: »Nein. Unglücklich ist das Land, das Helden nötig hat.« (116) Damit verteidigt sich Galilei und kritisiert gleichzeitig die ausgeübte Gewalt und Willkür der Obrigkeit. Somit bleibt dem Publikum das abschließende Urteil über Galileis Widerruf überlassen.

Im vierzehnten Bild wird Galilei in seiner letzten Lebensphase gezeigt. Sein Forscherdrang ist ungebrochen. So beschäftigt er sich trotz seinem schlechten Augenlicht immer noch mit physikalischen Studien und führt Experimente durch.

Allerdings ist die Kontrolle durch die Inquisition allgegenwärtig: Ein Mönch beaufsichtigt Galilei und stellt sicher, dass er das Haus nicht verlässt. Für Arztbesuche benötigt Galilei eine spezielle Genehmigung. Außerdem muss er seine wissenschaftlichen Aufzeichnungen sofort nach der Anfertigung aushändigen.

Unterstützt wird Galilei von seiner mittlerweile erwachsenen Tochter Virginia, die nicht nur den Haushalt führt, sondern auch Lese- und Schreibtätigkeiten in seinem Auftrag übernimmt. Virginia ist von Galileis »Reue« (118) überzeugt und kümmert sich fürsorglich um ihren gealterten und pflegebedürftigen Vater. Auf diese Weise werden die alten Rollen ins Gegenteil verkehrt. Virginia behandelt Galilei wie ein kleines Kind, indem sie ihn ermahnt: »Und jetzt denken wir an unsere Augen und hören schnell auf mit dem Ball und diktieren ein Stückchen weiter an unserem wöchentlichen Brief an den Erzbischof.« (ebd.)

Während Virginia und Galilei dabei sind, den Brief zu verfassen, kommt Andrea Sarti unerwartet zu Besuch. Er betont, dass er nicht auf eigenen Wunsch da sei, sondern weil andere ihn darum gebeten hätten. Virginia schätzt das Verhältnis zwischen Galilei und Andrea richtig ein, indem sie zum Mönch sagt: »Er ist harmlos. Er war sein Schüler. So ist er jetzt sein Feind.« (120) Galileis Bitte, ihn mit Andrea allein zu lassen, kommt Virginia nicht nach, was ihre leitende Position und Kontrollfunktion im Haus noch einmal verdeutlicht.

»Das Gespräch [zwischen Andrea und Galilei] ist von eisiger Kälte, Gezwungenheit und Vorsicht geprägt, bis Galilei seine Tochter in die Küche schickt.« (Diekhans und Völkl 90) Auch der Mönch, der Galilei bewacht, folgt Virginia in die Küche, da er Hunger hat. Danach kann Galilei frei und offen mit seinem ehemaligen Schüler sprechen.

Er eröffnet Andrea, dass er trotz Gefangenschaft und als »Sklave [s]einer Gewohnheiten« (123) weiter an den »Discorsi« geschrieben hat. Da Galilei heimlich eine Abschrift angefertigt und diese in seinem Globus versteckt hat, ist es Andrea möglich, die Abschrift nach Holland mitzunehmen.

Die Neuigkeit versetzt Andrea in Ekstase und Begeisterung und lässt ihn den Widerruf seines alten Lehrmeisters neu bewerten: »Dies ändert alles. Alles. [...] Sie versteckten die Wahrheit. Vor dem Feind. Auch auf dem Felde der Ethik waren sie uns um Jahrhunderte voraus.« (124) Doch Galilei zerstört dieses idealisierte Bild von ihm selbst, indem er beteuert, dass er nur aus Angst vor der Folter widerrufen habe. Aus diesem Grund betrachtet er sich nicht mehr als Wissenschaftler, da er seine Chance, ein Held und Vorbild zu sein, nicht wahrgenommen hat.

Auch wenn Galilei Andrea zustimmt, »daß ein neues Zeitalter angebrochen ist« (129), ist er selbst ab jetzt kein Teil mehr davon. Mit der Niederschrift der »Discorsi« hat er sein letztes wissenschaftliches Projekt und Lebenswerk beendet. Pessimistisch konzentriert er sich ab jetzt nur noch auf sein körperliches Wohl, was durch das Essen am Ende der vierzehnten Szene betont wird.

Andrea, der mittlerweile selbst Naturwissenschaften lehrt, steht sinnbildlich für die nächste Generation von jungen Wissenschaftlern. Mit der »Wahrheit unter dem Rock« (129) verlässt er Galilei und trägt das Wissen hinaus in die Welt, indem er im fünfzehnten Bild die Grenze von Italien überschreitet. So wirkt dieses letzte Bild wie ein Abspann und gleichzeitig wie der Beginn einer neuen Geschichte, die sich nicht länger um den Wissenschaftler Galileo Galilei dreht.

Veröffentlicht am 3. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 3. November 2023.