Skip to main content

Woyzeck

Sprache und Stil

Besonders auffällig in Woyzeck ist die schichtspezifische Sprache. Je nach sozialer Position drücken sich die Personen anders aus, so wird dem Leser schnell bewusst, wie er die Figur einzuschätzen hat. Woyzeck, Marie und Andres sprechen mit hessischem Dialekt, die Sätze sind meist unvollständig und grammatikalisch nicht korrekt. Sie benutzen Umgangssprache und können sich oft gar nicht sprachlich artikulieren. Hier sind viele Ellipsen, Satzabbrüche und Interjektionen zu finden. Damit drücken sie nicht nur ihre mangelnde Bildung, sondern auch ihre Notlage aus. Woyzecks Eile wird beispielsweise auch in seinen Sätzen deutlich. Er springt zwischen den Themen, sagt geradeheraus, was ihm einfällt und bricht Sätze ab, weil er es eilig hat. Oft wiederholt er Worte oder Satzteile, um deren Wichtigkeit zu betonen. Zudem benutzt Woyzeck viele Metaphern und beschreibt Situation so, dass der Leser sofort ein Bild im Kopf hat. Die Mitglieder der Unterschicht erkennt man auch daran, dass sie mit ihrem richtigen Namen genannt werden. Ein Name gibt ihnen eine einzigartige Persönlichkeit.

Im Gegensatz dazu werden der Hauptmann, der Doktor und der Tambourmajor nur durch ihren Beruf genannt, ihre Vornamen sind nicht bekannt. Das nimmt ihnen die Persönlichkeit und prägt so das Bild eines bestimmten Berufstypus. Die Sprache funktioniert hier als Ausübung von Macht, denn als Arbeitgeber stehen der Hauptmann und der Doktor beide über Woyzeck. Sie bestimmen den Gesprächsverlauf und erwarten von Woyzeck nur Zustimmung und Bestätigung. Auf Woyzecks Antworten gehen sie nicht näher ein, es scheint fast, als würden sie nur Selbstgespräche führen. Der Hauptmann verwendet viele besondere Worte, meist das Wort »Moral.« Jedoch kann er nicht verständlich erklären, was das Wort überhaupt bedeutet. Es erweckt den Eindruck, als würde er seine unschlüssige Argumentation durch seine gehobene Sprache verdecken wollen. Wenn das nicht funktioniert, ignoriert er Woyzecks Einwände, setzt seinen Monolog fort und würdigt Woyzeck herab. Auch der Doktor hat im Gespräch mit Woyzeck den größten Gesprächsanteil. Er verwendet medizinische Fachausdrücke und lateinische Bezeichnungen, um seine intellektuelle Überlegenheit zu demonstrieren. Mit »Subjekt Woyzeck« (Büchner 16) entmenschlicht er Woyzeck und versteckt das hinter Professionalität, wohlwissend, dass Woyzeck die Fachwörter nicht versteht. Generell scheinen die Charaktere des Dramas eher aneinander vorbei, statt miteinander zu reden. Beispielsweise redet Woyzeck wirr von seinen Wahnvorstellungen, doch anstatt näher darauf einzugehen, singt sein Kamerad Andres. Dies stellt auch die Isolation Woyzecks dar, er redet mit anderen Menschen, doch keiner beachtet ihn wirklich oder versucht, ihm zu helfen.

Lieder, besonders die von Marie gesungenen, drücken Gedanken und Gefühle aus. Insgesamt verfügen die meisten der im Drama gesungenen Volkslieder über eine eher pessimistische Weltsicht. So singt auch der Leierkastenspieler vom Tod (Büchner 8). Auch das Märchen, welches die Großmutter den Kindern erzählt, ist eine depressive Version des Märchens Sternentaler (Gebrüder Grimm in Schläbitz 63-64), ohne ein glückliches Ende. Alles in allem sorgen die Lieder und Geschichten für eine bedrückte Stimmung und stellen die traurige, aussichtslose Realität der Unterschicht dar.

Veröffentlicht am 27. September 2022. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.