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Woyzeck

Szenen 6–10

Szene 6 (Kammer)

Zusammenfassung

In Szene sechs wird Maries Betrug gegenüber Woyzeck offensichtlich. Marie und der Tambourmajor treffen sich in Maries Kammer, während Woyzeck arbeitet. Marie bewundert das Aussehen des Tambourmajors; er selbst genießt das Lob und fügt noch weiteres Selbstlob hinzu. Als Marie spöttisch auf sein übertriebenes Selbstwertgefühl reagiert, macht er ihr auch ein Kompliment. Nur, um ihr im nächsten Satz zu sagen, dass er Kinder von ihr möchte. Marie wehrt sich zunächst kurz, fordert den Tambourmajor dann jedoch auf, sie anzufassen. Mittlerweile sind ihr die Konsequenzen gleichgültig.

Analyse

Die Affäre zwischen Marie und dem Tambourmajor wird als etwas tierisches, triebhaftes beschrieben. Zunächst vergleicht Marie den Tambourmajor mit einem Rind und einem Löwen; also mit mächtigen, stolzen Tieren. Der Tambourmajor ist begeistert von dieser Beschreibung und findet sich selbst auch unwiderstehlich. Direkt und unverschämt sagt er Marie auf beleidigende Weise, dass er sie attraktiv findet und mit ihr schlafen will. Wegen seines übertriebenen Selbstwertgefühls und seiner Eitelkeit kommt es ihm nicht in den Sinn, dass Marie Sex mit ihm ablehnen könnte. Er bezeichnet sie als »Wild-Tier« (Büchner 14) und vom Teufel besessen, auch wenn er es ist, der den Geschlechtsakt zur Sprache bringt. Marie geht jedoch darauf ein und reagiert schließlich mit Leidenschaft auf ihn. Ihr scheint ihre Moral, sowie ihr Leben mit Woyzeck, gleichgültig zu sein. Sie will sich dem Tambourmajor hingeben, um so Bewunderung und die Illusion des sozialen Aufstiegs zu verspüren.

Szene 7 (Auf der Gasse)

Zusammenfassung

In dieser Szene spricht Woyzeck Marie auf ihre Affäre mit dem Tambourmajor an. Marie versucht es mit Ausreden und schiebt seine Paranoia auf seine Wahnvorstellungen. Schließlich gibt Woyzeck zu, Marie mit dem Tambourmajor gesehen zu haben. Daraufhin streitet Marie die Affäre nicht mehr ab, sondern antwortet frech mit »und wenn auch« (Büchner 15).

Analyse

Woyzeck ist schockiert und kann kaum glauben, dass Marie ihn betrogen hat. Er meint, ihre Tat müsse ihr anzusehen sein. Auch hier fließt der Einfluss der Kirche ein, denn Ehebruch wird von Woyzeck als Todsünde bezeichnet. Woyzeck konfrontiert Marie, fragt sie aber nie direkt, ob sie mit dem Tambourmajor geschlafen hat. Marie streitet alles ab, teilweise sogar mit unverschämten, weitläufigen Antworten. Doch dieses Mal funktionieren die Ausreden nicht, denn Woyzeck hat den Tambourmajor gesehen und lässt sich nicht verunsichern. In dieser Szene ist Marie nicht schuldbewusst, sondern frech und selbstbewusst. Sie scheint die Affäre nicht zu bereuen.

Szene 8 (Beim Doktor)

Zusammenfassung

In Szene acht wird Woyzeck bei einer weiteren Gelegenheitsarbeit porträtiert. Hier arbeitet er als Proband für ein wissenschaftliches Experiment des Doktors. Dafür muss er ausschließlich Erbsen essen. Der Doktor ist zunächst verärgert, dass Woyzeck keine Urinprobe abgeben kann, da er bereits auf der Straße uriniert hatte. Er gibt ihm jedoch einen Zuschlag, als er bei Woyzeck eine Geistesverwirrung feststellt. Auch in dieser Tätigkeit wird Woyzeck von einem Mitglied der höheren Gesellschaftsschicht gedemütigt.

Analyse

Die Demütigung beginnt schon, als Woyzeck das Arztzimmer betritt. Der Doktor hat Woyzeck beobachtet, wie dieser vor dem Fenster urinierte. Der Doktor ist verärgert, da er nun keine Urinprobe zur Untersuchung hat. Beleidigend degradiert er Woyzeck zu einem Tier, einem Hund, welcher seinen natürlichen Trieb nicht kontrollieren kann. Denn der Doktor hat nachgewiesen, dass Menschen ihre Muskeln nur durch ihren Willen kontrollieren können. Er versucht seine Wut zu kontrollieren, da er als Experte die Wissenschaft revolutionieren und sich daher professionell geben möchte. Das zeigt seine professionelle Sprache, in die er viele medizinische Fachwörter und lateinische Phrasen einbaut. Auch von ihm wird Woyzecks Verteidigung abwertend als »philosophieren« (Büchner 16) bezeichnet. Als Woyzeck von seinen Wahnvorstellungen und den Stimmen, die er hört, erzählt, ist der Doktor ganz begeistert. Anstatt Woyzeck zu helfen, freut er sich über die wissenschaftlichen Erkenntnisse und erhöht Woyzecks Gehalt. Als Arzt ist er eigentlich verpflichtet, seinen Patienten zu helfen, dennoch ist er es, der Woyzeck durch die Erbsendiät Schaden zufügt. Er sieht Woyzeck nicht als seinen Patienten. Woyzeck wird entmenschlicht und von ihm nur als »Subjekt Woyzeck« (Büchner 16) bezeichnet.
Woyzeck erträgt hier wieder die Demütigungen von einer sozial höhergestellten Person. Neben der harten Arbeit ernährt er sich nur von Erbsen, was ihn schwächt und zu Wahnvorstellungen führt. Der Doktor übernimmt wieder den Großteil des Gesprächs und geht nicht auf Woyzecks Äußerungen ein. Dennoch befolgt Woyzeck pflichtbewusst die Anweisungen des Doktors. Dass Woyzeck ein ehrlicher und zielgerichteter Mensch ist, zeigt der Umstand, dass er selbst das Geld für seine Mahlzeiten sofort zu Marie bringt.

Szene 9 (Straße)

Zusammenfassung

In Szene neun treffen zunächst der Doktor und der Hauptmann aufeinander. Der Hauptmann folgt dem Doktor, um ihn nach medizinischem Rat zu fragen, während er sich gleichzeitig aufregt, dass dieser so schnell geht. Der Doktor beleidigt daraufhin den Hauptmann, diagnostiziert mehrere Krankheiten bei ihm und sagt ihm sogar seinen baldigen Tod voraus. Er gibt ihm keine Ratschläge, sondern freut sich, den Hauptmann als Forschungsobjekt zu missbrauchen. Als schließlich auch Woyzeck zu ihnen stößt, beginnen die beiden, diesen zu erniedrigen. Spöttisch offenbart der Hauptmann Maries Affäre mit dem Tambourmajor. Woyzeck scheint ihm zunächst keinen Glauben zu schenken, lässt sich dann jedoch überzeugen. Er reagiert zutiefst schockiert, da Marie das Wichtigste in seinem Leben ist. Während es dem Hauptmann Freude bereitet, Woyzeck mit der Wahrheit zu konfrontieren, beobachtet der Doktor mit medizinischem Interesse Woyzecks Reaktionen. Woyzeck äußert sich zunehmend wirr und verlässt immer schneller laufend die Szene.

Analyse

Szene neun könnte auch direkt vor Szene sieben stattgefunden haben, da Woyzeck in dieser Szene Marie mit der Affäre konfrontiert, während er in Szene neun erst von der Affäre erfährt. Diese Szene verdeutlicht das Bild der beiden Charaktere, die schon in Szene fünf bzw. acht beschrieben wurden. Der Hauptmann ist ein melancholischer, ängstlicher Mensch, der Eile und Langeweile nicht ausstehen kann. Er ist ebenfalls sehr besorgt und sucht Rat bei dem Doktor. Durch die Beschreibung des Doktors wird deutlich, dass der Hauptmann ein sehr dicklicher Mensch ist. Natürlich kann Übergewicht zu schlimmen Krankheiten führen, der Doktor sagt jedoch seinen Tod in spätestens vier Wochen voraus. Der Hauptmann kann sich nur dadurch trösten, dass die anderen Leute ihn für einen guten Menschen halten. Dies zeigt, dass ihm die Meinung der Anderen sehr wichtig ist. Er braucht Bestätigung und diese erhält er meist durch die Herabwürdigung von Menschen wie Woyzeck. Der Hauptmann scheint es zu genießen, Woyzeck an Maries Affäre zugrunde gehen zu sehen.
Auch die Natur des Doktors, nicht als Helfer, sondern als wissenschaftlich berechnende Kraft wird hier deutlich. Anstatt dem Hauptmann Genesungsratschläge zu erteilen, scheint er sich über dessen deprimierende Zukunftsaussichten zu freuen. Er hofft, dass es dem Hauptmann schlecht gehen wird, damit er an ihm forschen kann. Dasselbe gilt auch für Woyzeck. Das macht deutlich, dass dem Doktor an einem Menschenleben weniger liegt als an dem Ruhm, den er sich durch wissenschaftliche Entdeckungen erhofft. Keiner der beiden reagiert mitfühlend oder möchte Woyzeck helfen, jeder achtet nur auf seinen eigenen Nutzen. Der Hauptmann fühlt sich durch Woyzecks Leid besser, während der Doktor dadurch neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen kann. Auch wenn beide Charaktere der Oberschicht angehören, scheinen sie einander nicht besonders zugetan zu sein. Jedoch begegnen sie sich auf Augenhöhe und geben die Beleidigungen des jeweils anderen zurück. Scherzhaft bezeichnen sie einander als »Herr Exerziernagel« (Hauptmann) und »Herr Sargnagel« (Doktor) (Büchner 18). In Woyzeck haben sie zudem ein »Opfer« gefunden, das ihre Demütigungen erträgt und sich nicht wehrt.

Szene 10 (Die Wachstube)

Zusammenfassung

In dieser Szene zehn halten Woyzeck und Andres Wache in der Wachstube. Andres scheint gut gelaunt, er singt ein anzügliches Lied, während Woyzeck sich sorgt.

Analyse

Aufgrund des Liedes, das von einer Magd und einem Soldaten handelt, denkt Woyzeck an Marie und wie sie zu dieser Zeit vermutlich mit dem Tambourmajor tanzt. Er wird unruhig, ihm wird heiß und er rennt hinaus, vermutlich, um Marie und den Tambourmajor zu suchen und den Beweis für ihre Untreue mit eigenen Augen zu sehen.

Veröffentlicht am 27. September 2022. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.