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Die Welle

Kapitel 16-17

Zusammenfassung

16. Kapitel
Ben muss sich vor Direktor Owens rechtfertigen. Dieser ist außer sich. Das Experiment ist ihm egal. Ständig müsse er Beschwerden von Eltern entgegennehmen und sogar der Rabbi des jüdischen Jungen, selbst ein ehemaliger Auschwitz-Gefangener, war bei ihm. Ben zeigt Verständnis und gesteht seinen Fehler ein. Doch er versucht den Direktor davon zu überzeugen, dass jetzt noch eine Chance bestünde, die Schüler nachhaltig daraus lernen zu lassen. Owens solle den Eltern sagen, dass bis zum Abend alles vorbei sei. Ben bräuchte nur noch einen Tag und erklärt Owens seinen Plan. Dieser willigt ein, doch weist Ben darauf hin, dass er bei einem Scheitern zurücktreten müsse. Allerdings hoffe er nicht, dass es so weit kommt, da er Ben als Lehrer schätze. Ben versteht das. Er hat keine Zeit, über das Gespräch nachzudenken und macht sich sogleich auf die Suche nach Carl und Alex.

Im Geschichtsunterricht kündigt Ben eine Versammlung für den Nachmittag an, an der nur Mitglieder teilnehmen dürfen. Die Welle sei viel mehr als nur ein Schulexperiment. Ben habe mit anderen Lehrern Jugendliche im ganzen Land rekrutiert. Die schlechte Entwicklung des Landes müsse aufgehalten werden und die Welle sei die Lösung. David ist entsetzt über Mr Ross’ Worte. Es scheint, als wolle dieser die Welle verstärken, anstatt sie wie versprochen zu beenden. David will Mr Ross unterbrechen, doch dieser lässt es nicht zu. Ben fährt mit seiner Rede fort, dass heute der Führer und Gründer der Welle im Fernsehen sprechen werde, um die Gründung einer nationalen Jugendbewegung zu verkünden. Die Schüler brechen in Jubel aus. David und Laurie springen auf. Sie versuchen sich Gehör zu verschaffen, um ihnen mitzuteilen, dass Mr Ross lüge. Nach Lauries Aufforderung zum eigenständigen Denken wird es still. Ben muss schnell handeln, damit sein Plan nicht durch Laurie und David zum Scheitern gebracht wird. Er beauftragt Robert, die Klasse zu übernehmen und bringt Laurie und David zum Direktor. Auf dem Gang wirft David Mr Ross vor, dass er sie belogen habe. Ben streitet es ab und bittet die beiden Schüler abermals um ihr Vertrauen. Laurie fragt ihn, wie das möglich sein soll, wo er doch die Welle gegründet habe. Ben kann ihr Argument weder abstreiten noch seine Beweggründe für sein Handeln erklären.

Laurie und David sind sich sicher, dass Mr Ross sie hintergangen hat, damit sie seine Pläne nicht durchkreuzen. Als sie endlich mit Direktor Owens sprechen können, geht dieser nicht auf ihr Flehen ein, die Versammlung abzusagen. Er behauptet, es würde schon alles in Ordnung gehen. Die Jugendlichen sind fassungslos. David gibt wütend auf und sie verlassen die Schule. David ist von seiner eigenen Blindheit in den letzten Tagen schockiert. Laurie tröstet ihn. Sie bezeichnet ihn als Idealist. Die Welle habe ihre guten Seiten, doch viele wollen die schlechten Aspekte nicht sehen. Die Welle verbietet Unabhängigkeit. David wird unsicher, ob sie vielleicht doch falscher Ansicht sind. Laurie hingegen ist von ihrem Standpunkt überzeugt. In ihren Augen ist die Welle eine Modeerscheinung, die jedoch eine große Gefahr birgt. David fühlt sich allein und ausgestoßen, weil er sich weigert, wie seine Freunde zu sein, die dieser Bewegung angehören.

Laurie geht es ähnlich. Ihrem Freund David fühlt sie sich jedoch näher denn je. Der Widerstand hat sie verbunden. Laurie erinnert sich an den Film, den Mr Ross über Nazi-Deutschland gezeigt hat, und an Davids Bemerkung, dass so etwas nicht noch einmal passieren könne. Beide erkennen, dass die Welle das Potenzial hat, das Gegenteil zu beweisen. Laurie will zurück zur Schule und an der Versammlung teilnehmen, um zu sehen, ob ihre Befürchtungen stimmen. David zögert. Er hat Angst, dass er wieder von der Welle vereinnahmt wird. Doch Laurie versichert ihm, dass das nicht passieren werde.

17. Kapitel
Ben ist vom Einsatz der Schüler, die die Versammlung in der Aula vorbereiten, überwältigt. Er fragt sich, ob ihr durch Manipulation hervorgerufenes Verhalten rückgängig zu machen sei und wie lange es dauern würde. Christy wartet beim Bühnenaufgang auf ihn und spricht ihm Mut zu. Ben mangelt es an Vertrauen in einen guten Ausgang. Robert berichtet ihm, dass die Türen gesichert und die Wächter auf ihren Posten seien.

Ben betritt die Bühne. Die Mitglieder rufen ihre Sprechchöre. Auf Bens Zeichen wird alles still. Der Gehorsam macht ihn traurig. Gleichzeitig genießt er die Aufmerksamkeit ein letztes Mal. Er kündigt die Rede des nationalen Führers an, woraufhin Robert die Fernsehgeräte einschaltet. Doch die Bildschirme bleiben leer. Unruhe macht sich im Saal breit. Die Schüler wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen und suchen nach einem Hinweis oder einem Befehl von Mr Ross. Erst jetzt erkennt Ben, wie ernst das Experiment geworden ist und wie leicht die Schüler zu manipulieren sind. Doch wenn Menschen eine Führung brauchen, sollten sie diese immer wieder hinterfragen, anstatt ihr blind zu vertrauen. Ein Schüler erhebt sich von seinem Platz und brüllt, dass kein Führer zu sehen sei. Die übrigen Schüler reagieren schockiert und verwirrt. Der Aufrührer wird von den Wächtern hinausgeführt. Dabei gelangen David und Laurie in die Aula. Ben verkündet, dass sie sehr wohl einen Führer hätten. Das ist Carls Stichwort. Er macht den Blick auf die große Leinwand frei und Alex schaltet den Projektor an. Auf der Leinwand erscheint Adolf Hitler in einem Ausschnitt aus dem Film, den Ben seinen Schülern vor einigen Tagen gezeigt hat.

Ben macht den Schülern deutlich, in welche Richtung sie driften: die Gefahr, sich für etwas Besseres zu halten, Freiheit gegen Gleichheit auszutauschen, die schwindende Möglichkeit, aus der Bewegung auszusteigen sowie ihre deutliche Nähe zu den Nationalsozialisten. Er erinnert sie, dass jeder für seine Taten verantwortlich sei. Faschismus findet inmitten der Gesellschaft statt. Die Macht einer Gruppe sollte sich niemals über die Rechte des Einzelnen erheben. Doch nicht nur die Schüler, auch Ben selbst ist verantwortlich. Er entschuldigt sich bei ihnen, dass er das Experiment so weit gebracht habe und gibt sich selbst die Schuld. Die Position des Führers hat ihn viel mehr eingenommen, als er es wollte und auch für ihn sei all dies eine schmerzliche Lektion. Ben hofft, dass alle wirksam daraus lernen.

Die Schüler sind erschüttert. Einige brechen in Tränen aus, andere sind beschämt. Sie lassen Fahnen und Mitgliedskarten zurück und verlassen nach und nach die Aula. Auch Amy muss weinen, als sie Laurie sieht und umarmt sie. Eric und Brian sind schockiert und getroffen. David versucht die richtigen Worte zu finden, um zu sagen, dass sie das Erlebte loslassen, aber nicht vergessen dürften.

David entschuldigt sich bei Mr Ross dafür, dass er ihm nicht vertraut habe. Doch Ben widerspricht ihm. Davids Misstrauen war gut und ein Beweis seiner eigenen Urteilskraft. Ben hätte ehrlicher mit ihm sein sollen. Laurie kommt dazu und fragt, wie es nun weiterginge. Ben weiß es selbst nicht. Sie hätten viel Lernstoff, aber sollten auch über ihre Erfahrungen der letzten Tage bezüglich der Welle sprechen. David stimmt dem zu. Laurie ist dankbar für den Lerneffekt, auch wenn das Experiment sehr weit gegangen ist. Ben bedankt sich bei ihr, aber weiß bereits, dass er den Kurs nicht wiederholen wird. David und Laurie verabschieden sich. Ben spürt eine große Erleichterung.

Er hört ein Schluchzen und findet Robert, dessen Gesicht von Tränen überströmt ist. Ben muntert ihn mit einem Kompliment zu seinem Anzug auf und lädt ihn zum Essen ein. Sie haben einiges zu besprechen.

Analyse

Durch Direktor Owens wird der Druck auf Ben nochmals erhöht. Der Direktor ist außer sich, wie anhand seiner umgangssprachlichen Ausrufe oder Gesten wie dem Schlagen mit der Faust auf den Tisch deutlich wird. In Bens Geständnis, einen Fehler begangen zu haben, bildet folgendes Zitat eine Schlüsselstelle für den Roman: »Man darf nicht mit Menschen experimentieren. Besonders nicht mit Schülern, die gar nicht wissen, dass sie Bestandteil eines Experiments sind.« (161) Ein Experiment zeichnet sich durch seinen ungewissen Ausgang aus. Sein Erfolg liegt im realen und nicht dem gewünschten Ergebnis. (Freund, 73)

Obwohl Ben die akuten Entwicklungen der Welle im veränderten Verhalten seiner Schüler wahrgenommen hat, hat er diese als hauptsächlich positiv bewertet, ohne eine gründliche Reflexion vorzunehmen oder eine Prognose bezüglich langfristiger Folgen aufzustellen. Dadurch wurde das Risiko erhöht, dass er die äußerliche Betrachtungsperspektive verliert und von seinem eigenen Experiment mitgerissen wird, wie es schließlich auch eingetreten ist. Fraglich ist außerdem, inwieweit derartige Methoden, die massiv in das persönliche Leben der Mitwirkenden eingreifen, im menschlichen und besonders im pädagogischen Sinne vertretbar sind. Schüler und Jugendliche, deren Urteilsvermögen noch nicht vollständig ausgereift ist, und die sich an Autoritätspersonen orientieren, sind besonders leichte Opfer für Manipulation. Das veranlasst zu der These, dass sie vor Manipulation geschützt anstatt ihr ausgesetzt werden sollten.

Der zeitliche Druck zu handeln wird im letzten Kapitel erhöht. Ben bleibt nur noch der heutige Tag. Lauries und Davids Gegenwehr nach seiner Ankündigung im Unterricht zwingen ihn zu handeln. Des Weiteren kontrastieren sie seine Annahme des gewonnenen Gehorsams und stellen sich damit gegen Bens Einfluss als Diktator. Eine Rolle, die er nicht länger spielen will, doch für das geplante Ende des Experiments aufrechterhalten muss. Allerdings besitzt er noch immer die Führungskraft und kann sich in der Klasse durchsetzen. Ben versteht das Misstrauen der beiden Schüler, trotzdem ist er auf ihr Vertrauen angewiesen. Vertrauen darf nicht auf Angst beruhen, sondern auf Sicherheit. Jedoch zeigt sich, dass die große Mehrheit Mr Ross noch immer als ihren Führer und die Welle als Richtlinie anerkennt. Laurie und David bilden hier die Ausnahme.

Lauries und Davids öffentliche Gegenmeinung vor der Klasse bildet den Höhepunkt der Spannungslinie der Gegenbewegung. Ihr Widerstand gegen die Welle verbindet die beiden und befähigt sie, offen über ihre Gedanken, Sorgen und Gefühle zu sprechen und sich gegenseitig zu stützen. Eine solche Offenheit war in der Welle nicht möglich. Zweifel wurden nicht akzeptiert. In ihrer Reflexion erkennen die Jugendlichen, dass die Bewegung sich gefährlich nah an die gesellschaftlichen Ordnungen der Nazi-Zeit annähert und damit an den bedingungslosen Gehorsam und die Akzeptanz beziehungsweise Ignoranz von Grausamkeiten, wie sie anfangs im Film von Mr Ross gezeigt wurden. Darin verbirgt sich eine wertvolle Erkenntnis, die Mr Ross in der anschließenden Versammlung allen weiteren Schülern aufzeigt.

»Faschismus ist hier mitten unter uns und in jedem von uns« (176) ist die wichtige Kernaussage, mit der Ben seine Schüler auf ihre Taten aufmerksam macht. Die Welle hat gezeigt, wie leicht und in welchem rasanten Tempo eine Gruppierung entstehen kann, die sich für etwas Besseres hält, andere unterdrückt, sich radikalisiert und das Kollektiv über die Meinung des Einzelnen stellt. Mit dem Filmmaterial zu Adolf Hitler und der Hitlerjugend wird die Nähe zum thematisierten Nationalsozialismus hergestellt. Die Lektionen, die sowohl die Schüler als auch Ben aus dieser intensiven bis schmerzlichen Erfahrung lernen müssen, sind die Grundlagen der Demokratie, die freie Meinungsäußerung, das kritische Hinterfragen anstatt blindem Gehorsam, Aufmerksamkeit, Eigenverantwortung und die Wahrung der Rechte des Einzelnen. Am Ende rückt aber weniger der historische Bezug, sondern die psychische Belastung der Jugendlichen in den Vordergrund.

Ben gibt sich selbst die Schuld für das, wozu die Welle geworden ist. Damit geht er den notwendigen Schritt der Selbstreflexion. Die Schüler sind von der Desillusionierung getroffen und erwachen nach Bens Worten wie aus einem Traum, was die massive Verschleierung der eigenen Urteilskraft nochmals verdeutlicht. Zurückgelassene Fahnen und auf dem Boden verstreute Mitgliedskarten symbolisieren, dass die Welle ihre Macht und Anziehungskraft verloren hat. Laurie und David versuchen, für ihre Freunde da zu sein, damit sie sich gegenseitig auffangen, das Erlebte verarbeiten und als bedeutende Lektion abspeichern können.

Besonders hart ist das Ende der Welle für Robert Billings. Er hat sich mit der Bewegung identifiziert, die ihm Richtung, Selbstvertrauen, Zugehörigkeit und eine Aufgabe gegeben hat. Ohne die Welle droht er, in seine Außenseiterrolle zurückzufallen. Ben ist sich dieser Gefahr bewusst. Die Nachbearbeitung des Geschehens ist für die Schüler von großer Wichtigkeit. Die Welle hat sie alle mitgerissen. Diese Bedrohung müssen sie vollständig als solche erkennen, um aus der Erfahrung zu lernen und in Zukunft einzuschreiten, sollte sich ein derartiger Vorgang wiederholen. Dass dafür Potenzial besteht, verdeutlicht Davids Unsicherheit (vgl. 167 ff.).

Mit dem Ende der Welle erfährt deren Spannungskurve eine Antiklimax. Beide Handlungslinien lösen sich auf. Obwohl die Gegenbewegung als Gewinner hervorgeht, wird der Sieg nicht zelebriert oder ausgetragen.

Veröffentlicht am 15. August 2023. Zuletzt aktualisiert am 15. August 2023.