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Die Welle

Kapitel 5-6

Zusammenfassung

5. Kapitel
Am nächsten Tag kommen die Schüler mit der gewohnten Trägheit zum Unterricht. Brad spielt Robert einen Streich.

Als die Stunde beginnt, führt Ben das Thema Disziplin ein. Er stellt diese in Verbindung mit Macht und ist über die gewonnene Aufmerksamkeit seiner Schüler überrascht. Er beginnt mit Haltungsübungen, die die Schüler eifrig umsetzen. Besonders Robert wird von Mr Ross gelobt. Übliche Witze bleiben aus. Bei einer zweiten Übung lässt er die Schüler durch die Klasse laufen und auf seine Aufforderung auf ihren Platz setzen. Dabei steigert er den Schwierigkeitsgrad. Bens Tonfall verändert sich zu einem scharfen Befehlston. Die Schüler werden von der Aktion mitgerissen und wollen es richtig machen. Robert steht ganz vorn.

Anschließend führt er Regeln ein. Bevor ein Schüler etwas sagen kann, muss er aufstehen und seinen Satz mit Mr Ross’ Namen beginnen. Korrektes Verhalten wird von Ben gelobt, Verstöße getadelt. Weder Ben noch die Schüler begreifen wirklich was passiert und lassen sich von der aufkommenden Dynamik mitziehen. Immer schneller geben sie ihre Antworten und wollen ihrem Befehlshaber gefallen. Mit einer letzten Anweisung beendet Ben die Klasse, die darauf wie eine Einheit reagiert.

In der Pause tauschen sich die Schüler über die vergangene Stunde aus und sind begeistert. Besonders David spürt eine Veränderung hinsichtlich einer Gemeinschaft. Brad kann diese Erfahrung nicht teilen und nimmt es nicht weiter ernst, doch David lässt die Idee nicht los, was geschehen würde, wenn er dieses Gefühl auf seine Mannschaft übertragen könnte. Zufällig beobachtet er, wie Robert die im Unterricht erlernte Haltung vorm Spiegel übt.

Ben erzählt seiner Frau von seinem Unterrichtserfolg. Er ist überrascht vom Elan der Schüler, als ob sie diszipliniert werden wollen. Christys Argument, dass die Schüler es wahrscheinlich nur für ein Spiel halten würden, widerspricht er mit seiner Aussage, dass sie sich für dieses aktiv entscheiden müssten. Auch Christy ist von der Reaktion der Schüler überrascht und fragt, ob Ben das Experiment fortsetzen wolle. Er verneint, da er im Lehrplan vorankommen müsse. Er gibt es vor Christy nicht zu, doch muss sich insgeheim eingestehen, dass auch er vom Gemeinschaftsgefühl, der Einheit und Disziplin mitgerissen wurde, was ihn neugierig macht.

6. Kapitel
Am nächsten Tag kommt Ben zu spät zum Unterricht. Doch anstatt dem erwarteten Chaos findet er die Schüler lautlos und aufrecht sitzend an ihren Tischen vor. Sie strahlen eine leichte Unsicherheit aus, manche unterdrücken ein Kichern, aber warten gespannt auf seinen Befehl. Ben ist ebenfalls verunsichert. Er ist sich bewusst, dass er mit dem Experiment den gewohnten Pfad verlassen würde und fragt sich, welcher Lerneffekt für die Schüler und ihn dabei entstünde.

Er geht das Risiko ein. Ben führt den Wert der Gemeinschaft ein. Dies bedeutet, Teil eines großen Ganzen zu sein, das über den Einzelnen hinausgeht. Laut Ben müsse man Gemeinschaft erfahren, um sie zu verstehen. Er lässt die Klasse die Leitsätze wiederholen. Laurie und Brad sind zurückhaltend, aber schließlich stehen auch sie auf und schließen sich dem Sprechchor an. Weiterhin sucht Ben nach einem Namen für ihre Bewegung und nennt sie dann »Die Welle«. Eine Welle, die für Kraft und Veränderung steht, wird zu ihrem Symbol und eine wellenartige Bewegung zu ihrem Gruß, den die Mitglieder nun immer anwenden sollen, wenn sie sich gegenseitig begegnen. Bei der Wiederholung des Grußes entsteht erneut das Einheitsgefühl. Ben kommt die Klasse wie ein Regiment vor.

David möchte auch die Spieler seines Football-Teams zu Mitgliedern der Welle machen, damit sie von dem Einheitsgefühl profitieren können. Eric hält das Ganze für ein Spiel und daher nichts von Davids Idee. Brian ist hingegen zu allem bereit, um die gegnerische Mannschaft zu besiegen.

Ein jüngerer Spieler mit dem Namen Deutsch gerät mit Brian in einen Streit. Deutsch hat es schon länger auf Brians Position abgesehen. David trennt die beiden voneinander und nutzt ihr Beispiel für die fehlende Einheit, die sie jedoch für den Sieg benötigen. Er erzählt ihnen von Disziplin und Gemeinschaft. Immer mehr Spieler kommen dazu. David verdeutlicht, dass die egoistischen Interessen der Spieler dem Erfolg des Teams im Weg stünden. Er sieht die Welle als Lösung. Erst zögert David, doch nach Erics Ermutigung bringt er der Mannschaft die Leitsätze und den Gruß der Welle bei.

Analyse

Ben entschließt sich zu einem Experiment, um den Schülern seiner Klasse einen intensiveren Lerneffekt zu ermöglichen und selbst Antworten auf ihre Fragen aus der vorherigen Geschichtsstunde zu finden. Dass die Simulation einer faschistischen Ordnung auch negative Konsequenzen mit sich bringen kann, lässt er bei seiner Überlegung nicht mit einfließen. Die Spannungskurve der Welle wird etabliert und die Handlung steigt an.

Zu Beginn der Stunde, bevor das Experiment beginnt, zeigen die Schüler ihre übliche Trägheit und Motivationslosigkeit, ein deutlicher Kontrast zu ihrem Verhalten am Stundenende. Bens Unterrichtskonzept weckt die Schüler auf. »Macht durch Disziplin« ist das Thema der Stunde, das Ben in großen Buchstaben an der Tafel sichtbar macht und durch seine Rolle als befehlshabender Anführer aktiv umsetzt. Dieser Leitsatz bildet den ersten der drei ideologischen Grundsätze, auf denen Ben sein Experiment aufbaut.

Statt langatmiger Vorträge nutzt er Haltung und Bewegung, um den Schülern den Inhalt der Ideologie näherzubringen. Das ermöglicht ihnen, aktiv zu werden und das Erfahrene körperlich zu spüren. Ben geht allerdings noch weiter und fordert von nun an schnelle und knappe Antworten sowie die Nennung seines Namens vor jeder Antwort. Es geht dabei um das bloße Wiedergeben von Fakten, oder das Ausführen der physischen Anweisungen. Das Prinzip gleicht dem der Konditionierung, wobei richtiges Verhalten gelobt und falsches gerügt wird. Demnach gibt es nur schwarz oder weiß und keinen individuellen Weg dazwischen.

Die Schüler lassen sich davon mitziehen und erfüllen die Aufforderungen, ohne sie in Frage zu stellen. Durch ihren Ehrgeiz entsteht ein sich aufblähendes Einheitsgefühl und eine Dynamik, von der auch Ben als Initiator mitgerissen wird. Das Zitat »Ben gab seine Befehle nicht wie ein Lehrer, sondern wie ein Unteroffizier auf dem Kasernenhof« (47) zeigt den deutlichen Unterschied zwischen seinem bisherigen und jetzigen Verhalten, sowie dem zugrunde liegenden militärischen Drill, der auf die Situation im nationalsozialistischen Deutschland abzielen soll. In Organisationen wie der Hitlerjugend, die seit 1939 für alle Jugendlichen verbindlich war, erfolgte bereits die vormilitärische Erziehung. (Kammer und Bartsch, 115)

Die Reaktion der Schüler zeigt sich vor allem in ihrer Begeisterung. Mit den Worten: »Wir waren nicht einfach eine Klasse; wir waren eine Einheit« (51) schildert David das Erlebte. In ihm wächst der Gedanke, welche Auswirkungen Mr Ross’ Ansatz auf das Football-Team haben könnte, dem es an genau diesen Punkten von Disziplin und Einheit mangelt. Brad misst der Stunde noch nicht so viel Bedeutung bei. Robert hingegen ist von Mr Ross’ ungewöhnlichem Unterricht erfüllt. Endlich hat er etwas gut gemacht. Heimlich übt er die korrekte Körperhaltung vor dem Spiegel. Die Ansätze von Disziplin und Macht hallen in ihm nach und wecken in ihm das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein.

Auch Ben selbst ist vom Verlauf seiner Geschichtsstunde überwältigt. Das weckt seine Neugier, wohin das Experiment führen könnte. Vor seiner Frau Christy gibt er allerdings nicht zu, dass auch er von dem Erlebten und dem Machtgefühl mitgerissen wurde. Womöglich ahnt er, dass er sich darin verlieren könnte. Auch Christys Bemerkung: »Ben, ich glaube, du hast ein Monster erschaffen« (54) zielt bereits auf die Unberechenbarkeit des Experiments und seiner Teilnehmer ab.

Mit der stilistischen Umkehr der Eigenschaften, indem Ben am nächsten Tag zu spät kommt und die Schüler gehorsam und still im Klassenraum auf ihn warten, werden die Auswirkungen des vorherigen Tages verdeutlicht. Die vergangene Stunde hat bei den Schülern Spuren hinterlassen. Noch lässt sich Unsicherheit in ihren Gesichtern lesen. Die eingeführten Regeln sind noch zu neu, gleichzeitig erwarten sie von ihrem Lehrer in der Rolle des Anführers Anweisungen.

Mit ihrem Verhalten machen die Schüler Ben ein Angebot, das Experiment fortzuführen. Die Entscheidung liegt allerdings bei Ben. Dieser lässt sich von der Energie der Schüler mitziehen und beschließt, das Risiko einzugehen. Sätze wie: »Es war eine so neue Erfahrung, und sie wich so sehr von der Norm ab, dass er sich unsicher fühlte« sowie »Ben spürte die Versuchung des Unbekannten und beschloss [...] seinen Versuch fortzusetzen« (57) bringen dies treffend zum Ausdruck.

Mit der Einführung des zweiten Leitsatzes »Macht durch Gemeinschaft« etabliert Ben den Gedanken, dass der Einzelne durch die Gruppe an Kraft gewinnt. Darin liegt jedoch auch die Gefahr des Verlustes von Freiheit und Individualität. Das Wohl und Ziel der Gruppe wird über die Bedürfnisse des Einzelnen gestellt. Die Schüler können die Bedrohung zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennen.

Das Gruppengefühl wird durch einen Namen und einen gemeinsamen Gruß untermauert. Die Welle wird zum Symbol und zeichnet sich durch Bewegung, Veränderung, Richtung und Wucht aus (vgl. 59). Das mehrfache Wiederholen des Grußes und der Leitsätze soll diese verinnerlichen. In der beschriebenen Unterrichtsstunde erfolgt dies in einer Akkumulation, einer Steigerung. Zuerst führt nur Robert den Gruß und das Aufsagen der Grundsätze aus, danach mit ihm drei weitere Schüler. Ben fordert immer mehr Schüler auf, bis schließlich die ganze Klasse im Chor spricht. Die Macht der Gemeinschaft wird durch das gemeinsame Rufen der Ideale stabilisiert. Bens Gedanke: »Wie ein Regiment Soldaten« (61) stellt nochmals den militärischen Bezug und den Aspekt des Gehorsams her.

Die Welle breitet sich noch am selben Tag auf Schüler außerhalb von Mr Ross' Geschichtskurs aus, indem David sie seinen Mitspielern beim Football näher bringt. Er ist von den Idealen ergriffen, die ihn beflügeln und an den Fortschritt glauben lassen. Mit der Metapher »Und dieses Gebirge [die gegnerische Mannschaft] erdrückt mich einfach« (62) macht Brian deutlich, dass ihm jedes Mittel recht ist, um eine Chance zu haben. Dazu gehört auch, Mitglied der Welle zu werden. Somit wird Brian zum Mitläufer. Sein Konkurrent Deutsch symbolisiert die egoistischen Interessen im Team und der Streit zwischen den beiden motiviert David nur noch mehr, die glorreiche Vorstellung durchzusetzen, mit der Welle zu einem richtigen Team zu werden, was er nach Erics Ermutigung auch tut.

Veröffentlicht am 15. August 2023. Zuletzt aktualisiert am 15. August 2023.