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Die Welle

Kapitel 9-10

Zusammenfassung

9. Kapitel
Ben ist unsicher, wie sich die Welle weiterentwickeln wird. Die Gewinnung neuer Mitglieder läuft überraschend erfolgreich. Die Bewegung hat bereits die Grenzen seines Geschichtskurses überschritten und auch Schüler aus anderen Klassen nehmen inzwischen in ihren Freistunden an seinem Unterricht teil. Der Lehrer befürchtet, dass sie dafür ihren eigentlichen Unterricht schwänzen.

Selbst im Lernstoff kommt die Klasse voran, obwohl sie eine bestimmte Zeit der Stunde für die Grundsätze der Welle aufbringen. Die Schüler arbeiten mit, bereiten sich vor und liefern ihre Hausarbeiten ab. Allerdings bringen sie diese mit der Welle in Verbindung. Ihre Antworten sind knapp und geben das Gesagte unreflektiert wieder. Ben gibt sich selbst die Schuld dafür, da er es so eingeführt hat.

Von David, Brian und Eric wurde das Prinzip erfolgreich auf das Football-Team übertragen. Trainer Schiller bedankt sich dafür. Die Schüler erklären ihre Begeisterung mit der Faszination für das Neue. Ihnen gefalle der demokratische Aspekt und vor allem die Gleichstellung. Das ewige Konkurrieren ist endlich in den Hintergrund geraten. Manche befürworten auch die Disziplin, was Ben überrascht. Er ist neugierig und interessiert an dieser Entwicklung und lobt sich selbst für seine Erfolge.

Bei der Redaktionssitzung fragt Laurie nach neuen Beiträgen für die Schülerzeitung, doch die Ausbeute ist mangelhaft. Die anderen Mitglieder machen ihre Späße oder finden Ausreden für die nicht erbrachte Leistung. Schließlich schlägt Carl die Welle als Thema vor. Laurie weiß, dass die Welle einen guten Bericht ausmachen würde. Den Gedanken, dass ihre Prinzipien auch dem Redaktionsteam gut tun könnten, verdrängt sie allerdings. Obwohl die Welle bisher nur Positives hervorgebracht hat, beschleicht Laurie zunehmend ein ungutes Gefühl. Alex und Carl beharren auf dem Artikel. Laurie stimmt zu, darüber zu schreiben, während die anderen Schülermeinungen sammeln sollen.

Zu Hause hat Laurie das Thema Welle gemieden, da ihre Mutter sich immer über alles Sorgen macht. Als sie an diesem Abend an ihren Schulaufgaben sitzt, klopft ihre Mutter an der Tür. Nachdem sie sich vergewissert hat, dass Lauries Aufgaben nichts mit der Welle zu tun haben, erzählt sie von ihrer Begegnung mit Elaine Billings, Roberts Mutter. Diese ist glücklich über die Veränderung ihres Sohnes, nachdem er jahrelang Probleme hatte und nichts zu helfen schien. Mrs Saunders bereitet dies allerdings Sorgen. Sie sieht in der Welle die Gefahr eines Kults, der Robert binde und ohne den er wieder zu einem »Niemand« würde. Laurie gibt zu, dass ihre Begeisterung abklinge und glaubt, dass die Welle nur eine Mode sei, die niemand ernst nehme. Mrs Saunders hat außerdem von der Versammlung gehört, die erst für die Football-Fans vorgesehen war und jetzt unter dem Zeichen der Welle stünde. Laurie nimmt daraufhin Mr Ross in Schutz, doch auch sie ist verwundert, warum zum Beispiel Amy, die nicht wie David und sein Team von den Prinzipien profitiert, so begeistert ist. Dennoch will sie dem Ganzen nicht zu viel Bedeutung beimessen. Mrs Saunders gibt sich zufrieden, doch bittet ihre Tochter, vorsichtig zu sein.

10. Kapitel
Ben wird ins Büro des Direktors gerufen. Auf dem Weg grüßen ihn Schüler mit dem Gruß der Welle. Insgeheim erhofft er sich, von Direktor Owens zum Abbruch des Experiments aufgefordert zu werden, da sich die Bewegung rasant auf die Schüler anderer Klassen und Jahrgänge ausbreitet. Doch er sieht auch die Fortschritte durch die Welle. Insbesondere Robert wird endlich akzeptiert. Er will den Schülern diese Chance nicht nehmen und ist weiterhin neugierig, wohin das Experiment führen könnte. Ben ertappt sich dabei, wie er sich selbst als Führungsperson wahrnimmt. Er korrigiert sich und besinnt sich darauf, was der ursprüngliche Gedanke des Projektes war und dass er sich nicht zu sehr mitreißen lassen dürfe.

Direktor Owens ist guter Laune und lässt sich von Ben die Bewegung erklären, deren Gründung erst wenige Tage zurückliegt. Bei Owens skeptischen Gegenfragen übertreibt Ben leicht in der Ausführung über die positiven Resultate, um sich und seine Idee zu schützen. Ben versichert, alles unter Kontrolle zu haben und identifiziert sich als Führungsperson. Owens ist unsicher. Die Grundsätze und die Grußform stören ihn. Ein derartiger Fall lag ihm noch nicht vor. Er lässt Ben weitermachen, doch warnt ihn: Die Jugendlichen seien leicht zu beeindrucken und zu manipulieren, doch könnten plötzlich ungeahnt zu weit gehen. Ben solle vorsichtig sein und genau aufpassen. Dieser versichert, dass er alles im Griff habe.

Analyse

Nachdem die Welle in den vorangegangenen Kapiteln als neue Bewegung eingeführt wurde, werden ihre Prinzipien ab dem 9. Kapitel in die Tat umgesetzt. Die Handlung steigt weiter an.

Die Welle breitet sich rasant auf Schüler anderer Klassen und Jahrgänge aus, die bereit sind, dafür Kompromisse einzugehen und ihre Freistunden zu nutzen oder gar anderen Unterricht zu schwänzen. Diese Entwicklung erfolgt binnen weniger Tage. Was der Handlung Tempo und Spannung verleiht, bezieht sich auch auf das tatsächliche Experiment von 1967, in dem die Bewegung nach vier Tagen 200 Mitglieder zählte. (Freund, 25)

Bei Ben verursacht das zwei Reaktionen auf emotionaler Ebene, die den Leser*innen in erlebter Rede zugetragen wird. Auf der einen Seite ist er vom Ausmaß und der Motivation der Schüler überwältigt. Sie kommen ins Handeln und agieren als Gruppe. Der Konkurrenzgedanke nimmt ab und Außenseiter wie Robert werden integriert. Ben macht sich selbst für diesen Erfolg verantwortlich. Auf der anderen Seite sieht er an den Leistungen der Schüler, dass diese zwar den Unterricht vorbereiten und ihre Hausarbeiten pünktlich abgeben, sie aber mit dem Erfolg der Welle gleichsetzen. Das eigenständige Denken gerät in den Hintergrund. Stattdessen sind ihre Antworten knapp und ausschließlich Wiedergabe von bereits bestehenden Fakten. Eine Reflexion oder Auseinandersetzung mit den Themen finden nicht mehr statt. Die Schüler wollen ihrem Führer gefallen und den Erfolg der Welle sichern. Auch dafür macht er sich verantwortlich.

Ben beschleicht allerdings auch Unsicherheit durch den rasanten Erfolg seines Experiments. Bei dem Gedanken, dass Direktor Owens ihm die Fortsetzung untersagen würde, spürt er Erleichterung. Im Gespräch mit dem Direktor nimmt er sein Werk jedoch in Schutz, überspitzt die Wahrheit und beharrt darauf, alles unter Kontrolle zu haben. Ben spürt zunehmend Druck und Verantwortung, die als Initiator der Welle auf ihm lasten und von Direktor Owens sprachlich verdeutlicht werden: »Manchmal treiben junge Leute die Dinge einfach zu weit, wenn man sie nicht im Auge behält« (104). Owens macht dabei auf das noch mangelnde Urteilsvermögen der jugendlichen Schüler aufmerksam, aufgrund dessen sie sich leicht manipulieren lassen. Obwohl er mit den Prinzipien der Welle nicht einverstanden ist, erlaubt er Ben fortzufahren und trägt somit zur weiteren Entwicklung der Bewegung bei. Ben sieht in der Welle eine Chance für die Schüler und verteidigt sein Projekt daher vor dem Direktor. Eine von ihm tiefgründige Reflexion, welche Gefahren sich durch die Bewegung und ihr deutliches Eingreifen in die bisherigen Verhaltensmuster der Jugendlichen abzeichnen, bleibt aus.

Das mangelnde Urteilsvermögen der Schüler zeigt sich in der Auffassung, dass manchen der demokratische Ansatz der Welle gefällt (vgl. 89). In Wahrheit handelt es sich aber um genau das Gegenteil. Laurie wird dies zunehmend bewusst. In einem Gespräch mit ihrer Mutter öffnet sie sich. Obwohl sie die Welle noch immer als modische Erscheinung herunterspielt, stellt sie diese zunehmend in Frage und kann die Begeisterung ihrer Mitschüler nicht länger teilen.

Mrs Saunders reflektiert die Entwicklung scharfsinnig und erkennt die totalitären und damit gefährlichen Aspekte, die sich für sie in der bevorstehenden Versammlung, dem Gewinnen neuer Mitglieder und insbesondere der Veränderung von Robert Billings zeigen. Robert definiert sich von nun an über die Welle, ohne die er in sein altes Dasein zurückfallen würde. Die Welle verleiht ihm also nur ein vorübergehendes Selbstbewusstsein, das mit ihr unmittelbar verbunden ist, aber keinen unabhängigen Bestand hat.

Auch in der Schülerzeitung ist die Welle zum Thema geworden. Obwohl Laurie der Gedanke kommt, dass deren Prinzipien dem Redaktionsteam helfen könnten, ist ihr Misstrauen mittlerweile so groß, dass sie diesen Gedanken nicht zulässt. Die Schülerzeitung und das Redaktionsbüro bleiben ein Ort der freien Meinungsäußerung. Vor allem Carl und Alex, einige der wenigen Mitschüler, die keine Mitglieder der Welle werden, bringen die Idee voran, über die Welle zu berichten. Doch anstatt die Bewegung zu loben, geht Carl mehr mit einem informativen Ansatz an das Thema heran und möchte die noch unwissenden Schüler informieren. Damit erhellt die Welle erstmals einen entglorifizierten Charakter.

Veröffentlicht am 15. August 2023. Zuletzt aktualisiert am 15. August 2023.