Skip to main content

Transit

Kapitel 1

Zusammenfassung

Abschnitt I
Der Ich-Erzähler, der im Roman namenlos bleibt, sitzt im Hafen von Marseille in einem Café und weilt in seinen Gedanken bei einem Schiffsunglück. Es geht das Gerücht um, dass die »Montreal«, ein Schiff mit zahlreichen Geflüchteten an Bord, zwischen Dakar und Martinique untergegangen sein soll. An Bord befand sich auch ein Paar, das er flüchtig gekannt hat. Er selbst hätte auf dem Schiff sein können, denn er war im Besitz aller notwendigen Dokumente, um ausreisen zu können, zog es aber vor, zu bleiben.

Um seine Geschichte von Anfang bis zum Ende jemandem zu erzählen, kreiert er sich ein fiktives Gegenüber, das er zu einem Glas Wein und einer Pizza einlädt. Der Ich-Erzähler hat zwar Angst, diesen zuhörenden Gast mit seinem Bericht zu langweilen, da er selbst der Geschichten von Flucht und Tod überdrüssig ist, aber er muss sich seine Erlebnisse von der Seele reden.

Abschnitt II
Anfang 1937 flieht der Ich-Erzähler aus einem deutschen Konzentrationslager und schwimmt nachts über den Rhein auf die französische Seite. In Frankreich wird er bald gefasst und in ein Arbeitslager in der Nähe der französischen Stadt Rouen interniert. Alle ausländischen Gefangenen müssen hier Arbeitsdienst verrichten. Schließlich gelingt ihm eines Nachts die gemeinsame Flucht mit einigen Mithäftlingen. Auch Heinz ist darunter, der im Spanischen Bürgerkrieg ein Bein verloren hat.

Das Land ist von Flüchtlingsströmen überzogen, denn die Deutschen rücken aus dem Norden Frankreichs immer schneller vor. Das Ziel des Ich-Erzählers ist es, über die Loire zu kommen. Schließlich wird er jedoch von den Deutschen überholt, sodass er kurzerhand seine Pläne ändert. Er macht sich auf den Weg nach Paris, da er hofft, dort bei der ihm bekannten Familie Binnet unterzukommen.

Abschnitt III
Auf seinem Weg wird ihm das Ausmaß des irrationalen Kriegsgeschehens deutlich. Als er endlich in Paris ankommt, ist die Stadt schon von den Deutschen besetzt. Es plagen ihn Schuldgefühle, dass ausgerechnet sein Volk für diesen Krieg verantwortlich ist. Er hat plötzlich Bedenken, ob er bei der Familie Binnet willkommen sein wird. Vor Ausbruch des Krieges war er einmal kurz mit der damals 17-jährigen Tochter Yvonne liiert.

Die Familie Binnet nimmt ihn jedoch ohne Vorurteile sofort auf. Yvonne ist inzwischen mit ihrem Vetter verheiratet und lebt im Süden Frankreichs. Annette, die ältere Tochter, wohnt mit ihrem Sohn wieder bei den Eltern, da ihr Mann in deutsche Gefangenschaft geraten ist. Auch zwei ihrer Söhne leben noch bei den Binnets.

Eines Tages trifft der Ich-Erzähler in den Straßen von Paris auf seinen alten Mithäftling Paul Strobel aus dem Arbeitslager in Rouen. Beim gemeinsamen Kaffeetrinken erzählen sie einander ihre Geschichten, die sie auf der Flucht erlebt haben. Paul wurde von einem Freund mit Namen Hermann Achselroth auf der Flucht im Stich gelassen, worüber er sich nun beschwert.

Paul ist Schriftsteller und hat ein Buch gegen Hitler geschrieben, sodass er ein sogenanntes Danger-Visum für die USA bekommen hat. Dabei handelt es sich um ein spezielles Visum, das nur besonders gefährdeten Personen ausgestellt wird. Nun wartet er darauf, mit einem Seidenhändler in die unbesetzte Zone Frankreichs fahren zu können.

Der Ich-Erzähler wundert sich über diese Sonderstellung des Schriftstellers angesichts der Tatsache, dass in dieser vom Krieg zerrissenen Welt schließlich jeder Mensch gefährdet ist. Er muss dabei an das Schicksal seines Freundes Heinz denken, der 1935 von den Nationalsozialisten halb totgeschlagen wurde, im Spanischen Bürgerkrieg sein Bein verlor und danach eine lange Zeit in französischen Lagern ausharren musste.

Paul bittet den Freund um einen Gefallen, und zwar, einem Schriftstellerkollegen mit Namen Weidel in einem Hotel einen Brief von seiner Frau auszuhändigen. Der Ich-Erzähler stellt sich für den Botengang gern zur Verfügung. Im Hotel am Empfang angekommen, bemerkt er die plötzliche Veränderung der Hotelbesitzerin, als er den Namen Weidel erwähnt. Sie wird wütend und möchte keine weitere Auskunft über den Gast geben. Der Ich-Erzähler kann sie jedoch beruhigen, und sie erzählt ihm, was mit der Person Weidel vorgefallen ist.

Es stellt sich heraus, dass er sich im Hotelzimmer umgebracht hat. Weidel hatte sich im Hotel aufgehalten, ohne vorher die behördlich vorgeschriebene Anmeldung ausgefüllt zu haben. Mithilfe eines befreundeten Polizisten gelingt es der Besitzerin, diese unangenehme Angelegenheit stillschweigend abzuwickeln. Es existiert jedoch noch ein Handkoffer, den Weidel hinterlassen hat. Da sie nicht weiß, was sie damit anfangen soll und weitere Unannehmlichkeiten vermeiden möchte, erklärt sich der Ich-Erzähler bereit, den Koffer an sich zu nehmen. Mit Pauls Hilfe möchte er den Koffer Weidels Frau zukommen lassen.

Abschnitt IV
Paul erscheint jedoch am nächsten Morgen nicht wie vereinbart zu ihrem Treffen. Der Ich-Erzähler geht mit dem Koffer wieder nach Hause. Dort öffnet er ihn und findet darin ein Romanmanuskript. Aus Langeweile fängt er an, die Geschichte zu lesen. Sofort ist der Ich-Erzähler von ihr fasziniert, sodass er vollständig in sie eintaucht. Er fühlt sich wieder in die Gefühlswelten seiner Kindheit zurückversetzt. Enttäuscht stellt er jedoch fest, dass es kein Ende gibt, da Weidel die Geschichte aufgrund seines Selbstmords nicht fertigstellen konnte.

Wenig später entdeckt er noch zwei Briefe im Koffer. Beim ersten Schreiben handelt es sich um eine Absage eines Verlags für das Romanmanuskript, das zweite enthält eine Nachricht seiner Frau, die ihm die Trennung mitteilt. Plötzlich kommt ihm der Brief wieder in den Sinn, den er Weidel als Bote ins Hotel hätte bringen sollen. Beim Öffnen kommen nochmals zwei Mitteilungen zum Vorschein: Zum einen sichert das mexikanische Konsulat Weidel ein Visum und das entsprechende Reisegeld zu, um nach Mexiko auszureisen. Zum anderen bittet ihn seine Frau, sofort nach Marseille zu kommen, da sie sich wieder mit ihm vereinen und die gemeinsame Flucht nach Übersee planen möchte.

Daraufhin fasst der Ich-Erzähler den Plan, den Koffer im mexikanischen Konsulat abzugeben, damit die Dokumente Weidels nach Marseille geschickt werden können. Er begibt sich einige Male zum Konsulat, jedoch immer ohne Erfolg. Schließlich gelingt es ihm doch noch unter falschem Namen, einen Termin beim Konsul zu bekommen. Dieser weigert sich jedoch, den Koffer entgegenzunehmen.

Zwischenzeitlich ist es in Clichy zu Protesten gegen die Nationalsozialisten gekommen, bei denen von den Deutschen auch Verhaftungen vorgenommen worden sind. Die Familie Binnet fürchtet nun um ihre beiden Söhne, da sie darin verwickelt sind. Aus diesem Grund entscheiden sich die Söhne, mit ihrem Vetter und einem Freund eine Weile im unbesetzten Gebiet Frankreichs unterzutauchen. Der Ich-Erzähler schließt sich kurzentschlossen der Gruppe an. Da sein Rucksack für die Reise nicht mehr zu gebrauchen ist, verwendet er nun den Handkoffer Weidels, um seine wenigen Habseligkeiten darin zu verstauen.

Analyse

Im ersten Kapitel teilt die Autorin durch ihren Ich-Erzähler den Lesenden mit, welche Motivation der Geschichte zugrunde liegt, die er in der Erzählgegenwart im Jahr 1941 berichtet. Damit sie vom ersten Moment an unmittelbar daran teilhaben können, wählt Anna Seghers die Darstellung einer fiktiven Situation: Ihr Hauptprotagonist sitzt in einem Marseiller Café und lädt sich in Gedanken einen Gast ein: »Erlauben Sie mir, Sie einzuladen. […] Setzen Sie sich bitte zu mir!« (S. 5) Denn er scheint geradezu ein zum Überleben notwendiges Anliegen zu haben: »Ich möchte gern einmal alles erzählen, von Anfang bis zu Ende.« (S. 6) Das Erlebte kann er nicht mehr für sich behalten, er muss es sich endlich von der Seele reden.

Sein Erzählen fungiert somit als eine Art therapeutische Maßnahme, von der er sich erhofft, dass er dadurch eine Art innere Reinigung erfährt. Denn sein psychischer Zustand ist desolat, da er gerade gehört hat, dass ein Schiff, auf dem er selbst hätte sein können, die »Montreal«, vermutlich untergegangen ist: »Ich hatte eine bezahlte Karte, ich hatte ein Visum, ich hatte ein Transit. Doch zog ich es plötzlich vor, zu bleiben.« (S. 6) Zudem erwähnt er auch noch ein junges Paar, das sich unter vielen anderen Geflüchteten an Bord befunden haben muss, und behauptet, dass er sie »einmal flüchtig gekannt habe« (S. 6).

Das Ende der Geschichte wird hier schon vorweggenommen, womit die Autorin zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll damit die Neugier der Lesenden auf die Erzählung geweckt werden, und zum anderen dient sie dem Hauptprotagonisten als Einstieg in seine Erzählung.

Nach dem Überfall Deutschlands auf Frankreich am 10. Mai 1940 rücken die Deutschen überraschend schnell nach Paris vor. Als der Ich-Erzähler auf seiner Flucht in Paris ankommt, ist die Stadt schon besetzt. Er ist froh, dass ihn die Familie Binnet aufnimmt, denn: »Sie waren vernünftig« (S. 14), da für sie nicht jeder Deutsche automatisch ein Nationalsozialist ist, und sie freuen sich sogar über sein Kommen.

Dass seine frühere Freundin Yvonne geheiratet hat, kommentiert der Ich-Erzähler ironisch mit dem Ausspruch: »Ich war von Kopf bis Fuß nicht auf Liebe eingestellt« (S.15), einer Anspielung auf Marlene Dietrichs Lied (»Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt«) aus dem Jahr 1931, womit sie Weltruhm erlangte. Dietrich war eine entschiedene Gegnerin des NS-Regimes und emigrierte 1931 in die USA.

In der Familie Binnet kommt es zum Streit über die Haltung der Russen im Krieg, womit die Autorin auf den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt anspielt, der am 23./24. August 1939 unterzeichnet wurde. Durch diesen »Hitler-Stalin-Pakt«, der Hitler den Überfall auf Polen am 1. September 1939 ermöglichte, kam es in der KPD zu heftigen Disputen, was sich in der Familie Binnet widerspiegelt. Viele Kommunisten fühlten sich nun von Russland verraten und »im Stich gelassen« (S.15).

Bei einem Treffen zwischen dem Ich-Erzähler und Paul Strobel, seinem ehemaligen Lagergenossen, greift die Autorin diese Thematik auf der menschlichen Ebene wieder auf. Denn dieser erzählt ihm, dass er auf der Flucht von seinem Freund Hermann Achselroth im Stich gelassen wurde.

Beklagt sich Strobel erst über diese Unzuverlässigkeit, ist er später selbst derjenige, der wiederum den Ich-Erzähler versetzt und zum vereinbarten Termin nicht mehr erscheint, nachdem dieser ihm einen Gefallen getan hat.

Der Ich-Erzähler nimmt Strobel während des Treffens als extravaganten, überheblichen Künstler wahr, der für sich in Anspruch nimmt, etwas Besonderes zu sein, weil er sich mit seinen Artikeln klar gegen das NS-Regime gestellt hat. Somit verdiene er zu Recht ein Danger-Visum. Dieses Dokument, auch als Rescue-Visum bekannt, war insbesondere für politisch verfolgte Intellektuelle gedacht, denen damit die Einreise in die USA ermöglicht wurde. Vermittler war der US-amerikanische Journalist Varian Mackey Fry, der in Marseille ein Netzwerk für Exilsuchende unterhielt.

Für den Ich-Erzähler ist Strobel jedoch nur »[…], ein etwas verrückter Kumpan, aber immer ein Kumpan« (S.17). Ihm leuchtet die Sonderstellung, die sich Strobel herausnimmt, nicht ein. Ob jemand Dichter oder ein »Krawattenhändler« (S. 22) ist, spielt für ihn keine Rolle, denn in seinen Augen sind alle Menschen gleich, da sie sich schließlich alle im Krieg befinden.

Mit diesen Gedanken des Ich-Erzählers spielt die Autorin auf eine kommunistische Grundhaltung an, die das Ziel einer sozialen Gleichheit und Gerechtigkeit anstrebt. Status und Herkunft treten in den Hintergrund, wichtig ist die menschliche Solidarität untereinander.

Diese verkörpert sich in seinem Freund Heinz, der als Gegenpol zu Strobel angesehen werden kann. Denn er vertritt die Arbeiterklasse und hat im Spanischen Bürgerkrieg (Juli 1936 bis April 1939) im Kampf gegen den Faschismus ein Bein verloren. Hier kämpften Freiwillige aus der ganzen Welt in den von den Kommunisten aufgestellten sogenannten »Internationalen Brigaden« für die spanische Republik und gegen das faschistische Franco-Regime.

Durch den Gefallen, den der Hauptprotagonist für Strobel ausgeführt hat, gerät er an ein unvollendetes Romanmanuskript des Schriftstellers Weidel. Dieser hat sich in der Nacht umgebracht, sodass ihn das Schreiben seiner Frau nicht mehr erreicht.

Viele Kunstschaffende, die aus dem faschistischen Deutschland ins Exil gingen, begingen Selbstmord. Bei der Figur Weidel spielt Anna Seghers vermutlich auf den Fall des Schriftstellers Ernst Weiß an, der sich am 15. Juni 1940 das Leben nahm. Bis heute ist sein Grab unbekannt und auch die Manuskripte sind nicht mehr auffindbar.

Im Roman fällt nun das unvollendete Romanmanuskript Weidels in die Hände des Ich-Erzählers, der sich völlig fasziniert in die Geschichte vertieft. Zum einen ist er von der Sprache angetan, die ihn an seine Heimat und Kindheit erinnert: »da spürte ich auch, dass das meine Sprache war, meine Muttersprache, und sie ging mir ein wie die Milch dem Säugling.« (S. 27) Zum anderen meint er, dass er sich in einer der Figuren wiederfindet: »Ich fand auch, dass einer darunter mir selbst glich.« (ebd.) Der Ich-Erzähler gibt sich maßlos enttäuscht, dass der Roman kein Ende hat: »Er hätte mich nicht alleinlassen dürfen. Er hätte seine Geschichte zu Ende schreiben sollen.« (S. 28)

Dadurch kann vermutet werden, dass Anna Seghers ihren Ich-Erzähler diese Aufgabe übernehmen lässt, damit er diesen unvollendeten Roman mit seiner eigenen Geschichte, bei der er die Hauptrolle spielt, zu einem Abschluss bringt.

Veröffentlicht am 9. Mai 2023. Zuletzt aktualisiert am 9. Mai 2023.