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Transit

Historischer Hintergrund und Epoche

Ihren Roman »Transit« schreibt Anna Seghers während einer von Kriegswirren gekennzeichneten Zeit, in der sie sich selbst auf der Flucht vor dem Nazi-Regime befindet. So ist dieses Werk von persönlichen Erfahrungen, die sie im französischen Exil erlebt hat, geprägt.

Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933, der Reichstagsbrand (27.02.1933) und die Bücherverbrennung (10.05.1933) sind Auslöser für viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller (u. a. Thomas Mann, Stefan Zweig, Hilde Domin, Bertolt Brecht, um nur einige zu nennen) Deutschland zu verlassen, da sie selbst verfolgt und ihre Bücher verbrannt und verboten werden. 

Auch Anna Seghers ist als Jüdin und aktive Kommunistin mit ihrer Familie gezwungen auszureisen und kommt schließlich, wie ihr Ich-Erzähler im Roman »Transit«, in Paris an. Hier gelingt es ihr anfänglich, in der sieben Jahre dauernden Exilzeit für sich und ihre Familie ein relativ normales Leben aufzubauen. Ihr Schreiben gibt sie nicht auf, sondern verstärkt es noch. Zudem gründet sie zusammen mit anderen schriftstellerisch Tätigen literarische Zeitschriften, um aktiv gegen das NS-Regime zu arbeiten und die Deutschen über deren Verbrechen aufzuklären.

Diese Situation ändert sich angesichts folgender Ereignisse: Durch den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt (23.08.1939) wird es Hitler ermöglicht, Polen zu überfallen, und am 3. September 1939 erklärt Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg. Damit werden alle Deutschen, die sich in Frankreich aufhalten, zu feindlichen Ausländerinnen und Ausländern erklärt und in Lager interniert, so auch der Ich-Erzähler in »Transit«. Dieses Schicksal ereilt ebenso den Ehemann von Anna Seghers, der von der Gestapo verhaftet und in das Internierungslager in Vernet gebracht wird. Anna Seghers muss jetzt mit ihren Kindern untertauchen. Als dann 1940 die Deutschen in Frankreich einmarschieren, versucht sie, wie der Ich-Erzähler, mit ihrer Familie in den unbesetzten Süden Frankreichs, und zwar nach Marseille, zu gelangen, was ihr bei einem zweiten Versuch endlich gelingt.

Hier in der Kulisse der alten Hafenstadt platziert die Autorin ihren Hauptprotagonisten im Jahr 1940 in ein Café und lässt ihn seine Fluchtgeschichte erzählen. Sie selbst sitzt täglich in Cafés und Restaurants, um über das Geschehene schreibend zu berichten. In dieser Phase ist Anna Seghers schriftstellerisch und politisch hochproduktiv. Zum einen schreibt sie sich das Erlebte von der Seele, um es zu verarbeiten, eine weitere Parallele zum Ich-Erzähler, der seine Erlebnisse berichtet, um mit ihnen fertig zu werden. Zum anderen liegt ihr jetzt nichts mehr am Herzen, als angesichts dieser Realität als Zeitzeugin zu fungieren. Ihre Motivation ist es, mit ihren Werken das deutsche Volk über die Zustände aufzuklären und somit gegen das verbrecherische NS-Regime zu wirken.

So entstehen im Exil ihre berühmtesten Romane: »Das siebte Kreuz« (1942) und »Transit« (1944). Beide Werke lassen sich der Exilliteratur zuordnen, einem Genre, das sich auf einen zeitgeschichtlichen Rahmen bezieht, und zwar auf die Jahre von 1933–1945, in denen zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus religiösen oder politischen Gründen gezwungen waren, das nationalsozialistische Deutschland zu verlassen. Thematisch kann hier keine Eingrenzung vorgenommen werden. Vorwiegend ging es den literarisch Schaffenden jedoch um die Darstellung gesellschaftlicher oder politischer Probleme, wobei als Form die Prosa bevorzugt wurde.

Frankreich ist nach dem deutschen Einmarsch in zwei Zonen eingeteilt: Im Norden wird das Land bis 1944 von den Deutschen besetzt und verwaltet. Im Süden kommt es am 10. Juli 1940 zur Bildung des Vichy-Regimes. Diese sogenannte unbesetzte Zone steht zwar unter französischer Verwaltung, aber es gibt viele Franzosen, die mit der deutschen Besatzungsmacht kollaborieren. Razzien und Verhaftungen, insbesondere von Juden, sind an der Tagesordnung. Anna Seghers thematisiert dies in ihrem Roman an verschiedenen Stellen. So versteckt sich der Ich-Erzähler vor einer Razzia im Hotel auf dem Dach und beobachtet aus der Ferne eine Verhaftung auf der Straße. Er vermutet, dass die Wirtin dahintersteckt, die ihre Hotelgäste an die Polizei verrät.

Anna Seghers ist wie alle ihre Figuren im Roman in Marseille ebenso damit beschäftigt, die notwendigen Ausreisepapiere zu organisieren, damit sie schnellstmöglich mit ihrer Familie nach Übersee auswandern kann. Dazu gehört auch eine umfangreiche Korrespondenz, die sie mit ihren Freunden führt, um sie um Unterstützung zu bitten. Wie der Ich-Erzähler erlebt sie um sich herum all das Chaos und die Dramen der Exilsuchenden auf den Straßen, in den Cafés und Wartesälen der Konsulate. Dabei kommt die Einwanderungspolitik einiger Länder auf den Prüfstand, die teilweise mit absurden Auflagen und Reglements eine Ausreise für manch einen Geflüchteten unmöglich machen.

Anna Seghers möchte eigentlich in die USA, da sie sich hier bessere Arbeitsbedingungen verspricht als in Mexiko. Da sie aber bekennende Kommunistin ist, wird ihr dies verwehrt. Auch dies bringt Anna Seghers in ihrem Roman zur Sprache. Der Schriftsteller Weidel hat einen Artikel über die Massenerschießungen von Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg veröffentlicht, sodass er sich damit beim amerikanischen Konsulat Schwierigkeiten einhandelt und ihm fast der Transit verweigert wird. Wie auch Anna Seghers bekommt er aber ein Visum für Mexiko. Als einziges Land ermöglicht Mexiko vielen Kommunistinnen und Kommunisten mit seiner relativ humanen Einwanderungspolitik eine Einreise.

Auch Anna Seghers gelingt es am 24. März 1941 schließlich, auf einem Schiff zusammen mit ihrer Familie nach Mexiko zu emigrieren.

Veröffentlicht am 9. Mai 2023. Zuletzt aktualisiert am 9. Mai 2023.