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Transit

Rezeption und Kritik

Da der Roman »Transit« im Exil entstand, weist er eine spezifische Veröffentlichungsgeschichte auf, die erhebliche Auswirkungen auf seine Adaption hatte. Er wurde zuerst auf Englisch im Jahr 1944 im Verlag Little, Brown & Co. in den USA publiziert. Hier überwogen die kritischen Stimmen, nicht zuletzt deshalb, weil das Werk mit seinem Vorgänger »Das siebte Kreuz« konkurrieren musste. Nach dem Welterfolg, den Anna Seghers 1942 mit dem Roman erreichte, hatte »Transit« anfänglich einen schweren Stand. 

Zudem ist anzunehmen, dass auch die unterschwellige Kritik an der amerikanischen Flüchtlingspolitik, die in der Geschichte zu finden ist, dazu beigetragen hat, dass der Roman eher verhaltenen Anklang fand. Nach ihrer eigenen Aussage wäre Anna Seghers gerne in die USA ausgewandert, da sie sich dort die besten Arbeitsbedingungen versprach. Aber aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) wurde ihr dieser Wunsch verweigert. Sogar den Transit über die USA nach Mexiko verwehrte man ihr anfänglich.

Die deutsche Erstveröffentlichung des Romans »Transit« erfolgte im Jahr 1948 in der BRD im Curt Weller Verlag, Konstanz. Drei Jahre später, 1951, erschien er in der DDR. Anna Seghers war zu diesem Zeitpunkt aus ihrem Exil schon wieder zurückgekehrt (1947) und entschied sich, in Berlin zu leben, um das neue antifaschistische Deutschland mit aufzubauen. 

Aufgrund ihrer politischen Aktivitäten als Kommunistin und der damaligen Atmosphäre des Kalten Krieges geriet der Roman schnell ins Kreuzfeuer kulturpolitischer Debatten. Das Werk wurde jetzt in der deutsch-deutschen Literaturrezeption überwiegend dazu genutzt, jeweils die eigene politische Ausrichtung zu untermauern. 

Diese Politisierung der Rezeption änderte sich erst langsam in den 1970er- und 1980er-Jahren im Kontext der Entspannungspolitik zwischen Ost und West. Endlich rückten die zeitlosen Menschheitsthemen des Romans wie Flucht und Vertreibung in den Vordergrund, da auch die Debatte um die Flüchtlings- und Asylpolitik wieder aktuell wurde. Gerade in der DDR setzte Mitte der 1970er-Jahre im Zuge der Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 ein Exodus von Kunstschaffenden ein, die aufgrund von Repressalien seitens des SED-Regimes in die BRD abwanderten. 

Diese Situation motivierte den Dramaturgen Volker Braun dazu, 1984/85 auf Basis des Romans von Anna Seghers das Theaterstück »Transit Europa. Der Ausflug der Toten« zu schreiben. Er erweiterte den Stoff jedoch durch zahlreiche aktuelle Themen, sodass ihm die Uraufführung 1988 am Deutschen Theater Berlin viele kritische Stimmen einbrachte.

Auch Christian Petzolds Film »Transit«, der 2018 in den deutschen Kinos erschien, bedient sich des Romans als Grundlage. Er wählt jedoch keine historische, sondern eine zeitgenössische Kulisse für die Umsetzung der Thematik, sodass ihm eine gelungene Verbindung zur aktuellen Flüchtlingsproblematik gelingt. Dadurch wird den Zuschauenden bewusst, wie zeitlos die Geschichten von Flucht und Vertreibung in der Menschheitsgeschichte doch sind.

Veröffentlicht am 9. Mai 2023. Zuletzt aktualisiert am 9. Mai 2023.