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Transit

Prüfungsfragen

  • Nach Anna Seghers hat die Literatur eine gesellschaftspolitische Aufgabe zu erfüllen. In welcher Form drückt sich diese Auffassung in ihrem Roman aus?

    In dem Schriftsteller Weidel hat Anna Seghers eine Figur geschaffen, die ihre eigene Auffassung von schriftstellerischer Tätigkeit widerspiegelt. Die Kunst tritt in den Dienst der Politik, denn sie versteht das Schreiben als Akt der Solidarität und des Widerstands gegen das faschistische Regime. Sie glaubt an die Kraft der Sprache, die es vermag, das Unrecht anzuprangern und das Volk über die Gräueltaten aufzuklären. So hat Weidel mit seinem Artikel über die Massenerschießungen von Kommunistinnen und Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg berichtet und mit dem geschriebenen Wort einen Akt des Widerstands geleistet.

  • Der Ich-Erzähler bekundet seine Abneigung gegen Literatur und das Lesen. Weshalb liest er dennoch das unvollendete Romanmanuskript Weidels bis zum Ende?

    Der Ich-Erzähler ist vom ersten Augenblick an von den Worten des Schriftstellers Weidel verzaubert. Es ist nicht die harte Sprache der deutschen Nationalsozialisten, die ihm hier begegnet, sondern er wird plötzlich von seiner Muttersprache berührt. Sie erinnert ihn an seine Kindheit und lässt ein tiefes Heimatgefühl in ihm aufkommen. Des Weiteren kann er sich auch mit einer Figur im Roman sofort identifizieren.

  • Welche Bedeutung hat das unvollendete Romanmanuskript Weidels innerhalb der Geschichte?

    Das unvollendete Romanmanuskript Weidels ist der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Geschichte. Zu Beginn wird es durch den Ich-Erzähler gefunden und gelesen, der nun zum einen die Absicht hat, das Dokument Weidels Frau zukommen zu lassen. Zum anderen bekommt es sofort eine Bedeutung für seine eigene Geschichte, denn er spürt den inneren Drang in sich, das Unvollendete zu vollenden. Die Abgabe des Manuskripts im mexikanischen Konsulat symbolisiert die Hoffnung, dass Weidels Stimme doch noch in der Welt Gehör findet. Zudem hat der Ich-Erzähler damit seine eigene Geschichte und indirekt auch diejenige Weidels vollendet.

  • In welcher Figur werden die Charaktereigenschaften eines idealen sozialistischen Menschenbildes widergespiegelt?

    Mit dem Protagonisten Heinz schafft Anna Seghers die Figur eines idealen Menschen einer neuen, sozialistischen Gesellschaft. Seine Stärken sind Treue, Standhaftigkeit und der unbedingte Glaube an die Solidarität unter der Arbeiterklasse, der er selbst angehört. Er hat sein Leben dem Aufbau einer Gesellschaft verschrieben, die sich solidarisch gibt und in der jeder Mensch gleichberechtigt ist. So verhält er sich auch gegenüber seinen Kameraden, die ihm wiederum für diese Haltung bedingungslos ihre Unterstützung zukommen lassen.

  • Welche Definitionen des Begriffs »Transit« finden sich im Roman?

    Durch die Figur des Kapellmeisters wird zum einen eine klare Definition des Begriffes im politischen Sinne gegeben. Es handelt sich um eine Erlaubnis, sogenannte Zwischenländer durchqueren zu können, um schließlich an sein Endziel zu gelangen. Zum anderen ist der Begriff auch im religiösen Sinne zu verstehen, denn jeder Mensch auf Erden befindet sich nur vorübergehend zwischen Geburt und Tod auf dieser Erde. Indem der Ich-Erzähler sich vehement wehrt, sich zu den Geflüchteten zu zählen, die unbedingt durch eine Überfahrt ins neue Leben gerettet werden möchten, bekräftigt er seinen Lebenswillen. Denn für ihn bedeutet eine Überfahrt einen »Transit« in den Tod.

  • Welche Situationen werden im Roman mit dem Begriff der Heimat verbunden?

    Der Ich-Erzähler liest den unvollendeten Roman Weidels und verliert sich aufgrund der deutschen Sprache in Kindheitserinnerungen. In Weidels Werk stößt er auf Worte, die nur seine Mutter verwendet hat. In der Nacht hört er in seinem Hotelzimmer ein Lied aus Kindheitstagen. So ist es also auch die Musik, die ein Heimatgefühl in ihm auslöst. Die Erinnerungen an seine Freunde, die er zurücklassen musste, gehören ebenso dazu. Bei Georg und seiner Frau Claudine findet er eine Art Heimatersatz, denn im Kreis ihrer Familie kann er zumindest für Momente die Sicherheit und Geborgenheit wiederfinden, die ihm die Heimat früher einmal gegeben hat.

  • Aus welchen Gründen hält Marie an der Suche ihres Ehemannes fest?

    Marie beschreibt ihren Ehemann als einen eigenbrötlerischen, mürrischen Menschen. Auch äußerlich scheint er wenig attraktiv zu sein. Sie ist jedoch stolz darauf, dass er sie ernst nimmt und mit ihr auf eine ganz eigene Art und Weise spricht. In gewisser Weise sieht sie zu ihm auf und bewundert ihn, sodass sie später ein Schuldbewusstsein plagt, ihn auf der Flucht verlassen zu haben. Nun wird ihre Suche nach ihm zu einer Art Besessenheit: zum einen, weil sie verstanden hat, dass sie in der Tiefe noch immer an ihm hängt, zum anderen, weil sie die für die Ausreise notwendigen Ausweispapiere nur über ihn erhalten kann. So ist es eine Mischung aus Liebe und eigenem Überlebenswillen, die sie an ihn bindet.

  • In welcher Form thematisiert die Autorin die Rolle Frankreichs im Zweiten Weltkrieg?

    Im Roman thematisiert die Autorin nur indirekt die Rolle Frankreichs, indem sie Geschehnisse in ihre Handlung einbaut, die eine Interpretation in diese Richtung zulassen. Immer wieder ist von Razzien in den Hotels die Rede, bei denen die Geheimpolizei die Gäste kontrolliert und verhaftet, wenn sie nicht die notwendigen Dokumente vorweisen können. Dies geschieht aufgrund von Denunziation aus der französischen Bevölkerung. Im Falle des Ich-Erzählers ist es seine Hotelwirtin. Auch von Verhaftungen auf offener Straße ist des Öfteren die Rede. Die Verhafteten werden dann in Arbeitslager interniert, in denen sie Zwangsarbeit verrichten müssen, oder in deutsche Konzentrationslager deportiert.

  • Welche Wandlung vollzieht sich in Marie, als sie glaubt, ihren Mann auf dem Schiff wiederzusehen?

    Marie, die in der Geschichte als eine Art Schattenwesen, schon näher den Toten als den Lebenden, ihren Mann verzweifelt sucht, wird anfänglich als graue, freudlose Gestalt dargestellt. Nachts läuft sie ruhelos durch die dunklen, verwinkelten Gassen Marseilles, die als Sinnbild der Unterwelt verstanden werden können. Als sie durch das perfekte Spiel des Ich-Erzählers glaubt, dass ihr Mann Weidel an Bord der »Montreal« sein wird, blüht sie plötzlich auf und verwandelt sich in eine freudige, glückliche Frau. Im Inneren ist sie endlich mit sich im Reinen. Entschlusskräftig hat sie nur noch ein Ziel: so schnell wie möglich abzureisen, um endlich ihren Mann wiederzusehen.

  • Warum kann der Roman »Transit« auch als sozialistischer Entwicklungsroman verstanden werden?

    In einer von Chaos und Kriegswirren gezeichneten Welt gibt sich der Hauptprotagonist auf seiner Flucht anfänglich abenteuerlustig und reisefreudig. Er begreift das Leben als ein Spiel, das von einer gewissen Leichtigkeit und Unverbindlichkeit gekennzeichnet ist. Immer wieder verspürt er aber eine innere Leere in sich, die bei ihm Unzufriedenheit erzeugt. Zudem wird ihm insbesondere im Kontakt mit anderen Menschen seine eigene Ziel- und Planlosigkeit bewusst. Doch ist er noch nicht in der Lage, über sich selbst zu reflektieren.

    Im Laufe der Geschichte setzt jedoch beim Ich-Erzähler ein innerer Reifungsprozess ein, der insbesondere durch seine Beziehung mit Heinz und der Familie von Georg Binnet in Gang gesetzt wird. Sie verkörpern symbolhaft alle Werte, die in der sozialistischen Arbeiterbewegung von Bedeutung sind: die Treue und der Glaube an die Solidarität und Gleichberechtigung untereinander.

    So entwickelt sich der Hauptprotagonist letztendlich von einem unzuverlässigen, unverbindlichen Abenteurer zu einem selbst reflektierenden Menschen, der nun endlich in der Lage ist, in dieser Gesellschaft seinen Platz einzunehmen.

Veröffentlicht am 9. Mai 2023. Zuletzt aktualisiert am 9. Mai 2023.