Skip to main content

Transit

Kapitel 8

Zusammenfassung

Abschnitt I–II
Der Ich-Erzähler geht zu seinem Termin auf das amerikanische Konsulat, in dem er auf zahlreiche andere wartende Geflüchtete trifft. Er macht sich Gedanken darüber, welche Strapazen diese Menschen auf sich nehmen, um ein Visum in die USA zu bekommen. Auch hier trifft er wieder alte Bekannte, deren Geschichten sich immer um die gleichen Themen ranken.

Beim Warten wächst seine Angst, dass er dieses Mal festgenommen werden könnte. Aber er bekommt das Visum, da er dank Paul eine unanfechtbare Bürgschaft erhalten hat. Da er die Prozedur jedoch unter dem Namen eines Toten durchgeführt hat, bleibt ein unangenehmes Gefühl in seinem Inneren zurück.

Als der Ich-Erzähler im Café auf einen Exilanten wartet, der ihn eingeladen hat, betritt Marie den Raum. Er genießt es immer noch, sich vor Marie zu verstecken. So zieht sie weiter, ohne dass er sie auf sich aufmerksam gemacht hat. Sein Gegenüber erzählt ihm derweil seine Beweggründe, warum er wieder nach Deutschland zurückkehren möchte, anstatt wie alle anderen seine Auswanderung voranzutreiben.

Abschnitt III–VII
Auf dem spanischen Konsulat bekommt der Ich-Erzähler eine unangenehme Nachricht. Aufgrund des Berichts über die Massenerschießungen im Spanischen Bürgerkrieg, den er alias Weidel verfasst hat, wird ihm der Transit verweigert.

Wieder im Café sitzend trifft der Ich-Erzähler auf den Legionär, seinen Zimmernachbarn aus dem Hotel. Dieser erzählt ihm jetzt seine Geschichte und berichtet, wie er zur Fremdenlegion gekommen ist und was er dort erlebt hat. Währenddessen kommt Marie herein und setzt sich still in eine Ecke, ohne zu suchen. Der Ich-Erzähler ist nicht mehr in der Lage, dem Legionär richtig zuzuhören, denn er hat nur Augen für Marie und spürt in seinem Inneren eine tiefe Verbindung zu ihr. Er lässt ihn jedoch weitererzählen, denn erst wenn seine Geschichte zu Ende erzählt ist, kann er auch damit abschließen.

Da seine Wirtin den Ich-Erzähler wohl angezeigt hat, wird er frühmorgens von der Geheimpolizei überprüft. Zu ihrem Ärgernis kann er jedoch die notwendigen Papiere zu seiner Abreise vorweisen. Der Legionär erscheint und nimmt ihn mit auf das brasilianische Konsulat, da angeblich bald ein Schiff namens »Antonia« abfahren soll.

Immer noch hat der Ich-Erzähler die Hoffnung, mit Marie gemeinsam auf einem Schiff abzufahren. Zusammen mit dem Legionär wartet er jetzt auf dem brasilianischen Konsulat stundenlang hinter einer Schranke in einer Menschenmenge auf den Eintritt des Konsuls. Als dieser endlich erscheint, gelingt es dem Legionär, ihm sein Visumsgesuch in die Hände zu drücken.

Vor der Pizzeria trifft der Ich-Erzähler den Arzt an, der ihm erzählt, dass er mit Marie nun bald mit dem Schiff namens »Montreal« ausreisen könne. Daher bittet dieser ihn, doch gemeinsam im Restaurant auf sie zu warten. Marie will sich nämlich unbedingt noch von ihrem treuesten Freund verabschieden. Der Ich-Erzähler lehnt die Bitte jedoch brüsk ab, geht und lässt den Arzt einfach stehen.

Abschnitt VIII
Der Ich-Erzähler tätigt nun für sich eine Vorbuchung für ein Schiff. Er bekommt jedoch nur ein Ticket, wenn er ein Visa de sortie, das Reisegeld und eine Kaution vorweisen kann. Dabei stößt er zufällig auf Marie. Sie erzählt ihm, dass sie ihn überall gesucht habe, denn sie brauche wieder seine Hilfe. Weiter berichtet sie, dass sie jetzt ihr Visum für Mexiko habe, jedoch fehle ihr noch der Transit. Aus diesem Grund war sie beim amerikanischen Konsul, der ihr versichert habe, sie bekäme dieses Dokument. Nur wird dieser Termin wahrscheinlich zu spät sein, um mit dem Arzt noch ausreisen zu können. Auf dem Konsulat erfährt sie auch, dass ihr Mann Weidel alias Seidel vor Kurzem da gewesen sei. Darüber gerät sie in vollkommene Verwirrung, denn ihr Herz sagt ihr, dass er wohl schon tot sein müsse, da er nie nach ihr gesucht habe.

Nachdem Marie dem Ich-Erzähler nun die Geschichte ihrer Beziehung zu Weidel und der Flucht mit dem Arzt erzählt hat, will er ihr wieder die Wahrheit über das Schicksal ihres Mannes offenbaren, bringt es aber nicht übers Herz. Er verspricht, ihr erneut bei der Beschaffung der notwendigen Dokumente zu helfen.

Analyse

Obwohl der Ich-Erzähler das »Transitgeflüster« (S. 213) auf den Konsulaten nicht mehr ertragen kann, treibt er jetzt fest entschlossen seine Vorbereitungen zur Ausreise weiter und versucht, ein Transit für die USA zu bekommen. Für ihn bleibt die Einwanderungspolitik der Länder undurchschaubar, und er fragt sich, warum die Geflüchteten solchen Barrieren ausgesetzt sind, die es fast unmöglich machen, weiterzuleben: »was konnte es einem Riesenvolk schaden, wenn einige dieser geretteten Seelen zu ihm stießen, würdig, halbwürdig, unwürdig, was konnte es einem großen Volk schaden?« (S. 213)

Anna Seghers wollte ursprünglich mit ihrer Familie in die USA ins Exil gehen, was ihr jedoch als aktive Kommunistin verweigert wurde. Zudem gab es für sie Schwierigkeiten bei der Transitbeschaffung für die Durchreise nach Mexiko. Diese Situation spiegelt sich in derjenigen des Ich-Erzählers wider. Denn dem Hauptprotagonisten alias Weidel wird auf dem spanischen Konsulat ebenso der Transit verweigert, da er über die Massenerschießungen von Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg berichtet hat.

Zum ersten Mal wird ihm hier klar, dass Weidel mit dem geschriebenen Wort, so wie er mit der Faust, aktiven Widerstand geleistet hat: »Nur wenig, ein paar Zeilen in einem Anfall von Eingreifenmüssen, so wie es bei mir auch nur ein Faustschlag gewesen war in das Gesicht irgendeines SA-Lümmels.« (S.225) Beide Formen des Widerstandes sind gleichwertig, denn es handelte sich um »ein jähes Eingreifenmüssen in einem Nur-eben-Dahinleben« (S. 226), und es folgen Sanktionen darauf: Weidel bekommt kein Transit, und der Ich-Erzähler musste für seine Aktion in ein Konzentrationslager gehen.

Jedes Konsulat hatte damals spezielle Hürden, die es den Geflüchteten fast unmöglich machten, aus dem Land auszureisen und ins Exil zu gehen. Gleichzeitig wurde dies aber von ihnen erwartet, denn bleiben durften sie nicht. In Frankreich wurden die Geflüchteten nur für die Zeit zwischen Ankunft und Ausreise, sozusagen im Transit, geduldet.

Dass der Aufenthalt vieler Exilsuchender in der unbesetzten Zone immer gefährlicher wurde, verdeutlicht die Szene, in der die Wirtin den Ich-Erzähler bei der Geheimpolizei angezeigt hat und er überprüft wird (S. 234). Hier wird von der Autorin indirekt auf die Rolle Frankreichs im Zweiten Weltkrieg hingewiesen. Der Verrat und die Denunziation waren in der französischen Bevölkerung weit verbreitet, und viele Franzosen kollaborierten mit der deutschen Besatzungsmacht.

Indem die Autorin im Café mit dem Legionär und ihrem Hauptprotagonisten wieder eine Erzählsituation schafft wie zu Beginn ihrer Geschichte, stellt sie explizit die hohe Bedeutung des Erzählens in den Vordergrund. Der Ich-Erzähler gibt seinem Freund eine Plattform, seine Geschichte loszuwerden, weiß er doch jetzt selbst darum, wie wichtig es ist, eine zuhörende Person zu haben. Denn nur durch das Erzählen kann die eigene Geschichte verarbeitet werden: »Ich wusste, dass er erst jetzt, in dieser Minute, an diesem Tisch, sein vergangenes Leben abschloss. Denn abgeschlossen ist, was erzählt wird. Erst dann hat er die Wüste für immer durchquert, wenn er seine Fahrt erzählt hat.« (S. 231) Hier wird deutlich, dass der Ich-Erzähler eine persönliche Entwicklung durchgemacht hat und nun aus Erfahrung spricht.

In einem Gespräch zwischen dem Hauptprotagonisten und Marie kommt es zwar nochmals bei einem Treffen vordergründig zu einer Vertrautheit zwischen den beiden: »Sie lehnte den Kopf an meine Schulter. In ihrem Blick lag etwas, was ich mir noch nie gewünscht, was ich noch nie empfangen hatte: unendliches Vertrauen.« (S. 240) Es bleibt jedoch nur, sehr zum Leidwesen des Ich-Erzählers, bei einem freundschaftlichen Vertrauen, denn sie erzählt ihm ihre Geschichte und bittet ihn nochmals um seine Hilfe, um zu dem notwendigen Transit zu gelangen. Wieder ringt er mit sich, ihr endlich die Wahrheit zu sagen: »Ich musste jetzt auf der Stelle alles erzählen. Ich suchte nach Worten.« (S. 244) Doch er kann sie nicht ihrer Hoffnung berauben, die sie im Herzen mit sich trägt, ihren Mann wiederzusehen.

Veröffentlicht am 9. Mai 2023. Zuletzt aktualisiert am 9. Mai 2023.