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Antigone

Rezeption und Kritik

Als »Antigone« 442 oder 441 v. Chr. zum Dionysosfest aufgeführt wurde, gewann das Stück den Theaterwettstreit. Das »Drama ist ein großer Erfolg und findet erhebliche Resonanz beim Publikum.« (Möbius, 23) Überlieferungen von Aristophanes von Byzanz (200 v. Chr.) zufolge, wurde Sophokles kurz darauf zum Strategen von Samos ernannt und stand damit auf einer Stufe mit Perikles. Die Zuschauer müssen sein Werk also geschätzt haben, wenn sie ihm anschließend eine Führungsposition verliehen.

»Antigone« ist eines der sieben erhaltenen von insgesamt 123 Dramen des Sophokles. Das macht es zu einer Besonderheit, waren die 2500 Jahre alten Schriften auf Papyrusrollen doch leicht dem Verfall ausgeliefert. Man geht davon aus, dass es zahlreiche Abschriften von dem Stück gab, was wiederum für eine hohe Anerkennung spricht. (Schardt, 67)

Die zwei großen Tragiker neben Sophokles grifffen die Thematik auf. Aischylos verarbeitete sie in seinem Werk »Sieben gegen Theben«. Obwohl dieses bereits 467 v. Chr. aufgeführt wurde, wird der Schluss, bei dem ein Herold Antigone bei der Bestattung hilft, nach heutigem Kenntnisstand auf 410 v. Chr. datiert. (Möbius, 18f.,78) Euripides ließ Antigone in ein eigenes Drama einfließen, welches jedoch nur fragmentartig erhalten ist. Der Thebenstoff wurde dafür in »Phoinissai« aufgegriffen. Antigone ist hier nur eine Nebenfigur, die mit ihrem Vater in die Verbannung geht. In »Ödipus auf Kolonos« ließ Sophokles selbst Antigone nochmals auftreten. Hier nimmt sie eine versöhnende Rolle ein.

In den ersten Jahrhunderten nach Christi entstanden hellenistische und römische Bearbeitungen, die sich auf Euripides’ Version beziehen, wie zum Beispiel »Phoenissae« von Seneca.

1636 erfolgte die erste deutsche Übersetzung durch Martin Opitz, eine von vielen. Der Stoff über das antike Griechenland unterscheidet sich deutlich vom christlich geprägten Deutschland, nicht nur in der Sprache, sondern auch in Zeit, Kultur, Gesetzgebung und Religion. Jede Übersetzung ist daher als eine Interpretation zu betrachten. (Pelster, 89) Die Übersetzung von J. C. F. Hölderlin aus dem Jahr 1804 folgt inhaltlich dem Original, ist aber teilweise missverständlich und fehlerhaft.

Anfang des 20. Jahrhunderts entstand eine Fassung von Walter Hasenclever, in welcher der Krieg um Theben noch wütet und von Kreon befürwortet wird. Antigone fordert hingegen das Ende des Krieges. Die Bearbeitung entstand in Bezug auf den Ersten Weltkrieg.

Auch in Frankreich traf der Antigonestoff auf Interesse. Bereits 1664 gab es eine Version von Jean Racine und 1942 entstand die von Jean Anouilh. Der Autor hegte Sympathie mit Antigone. Sie galt als Symbolfigur für die aufbegehrende Jugend gegen das gesellschaftliche System. Die Kernaussage bezog sich jedoch auf den »Abschied von [...] überspannten Idealen« (Möbius, 83)

Bertolt Brecht übertrug die Thematik 1947 auf den Zweiten Weltkrieg. Antigones Widerstand und der Fall der tyrannischen Macht wurden herausgearbeitet. 1966 folgte »Die Berliner Antigone«, eine Antikriegs-Novelle von Rolf Hochhuth. Dabei handelte es sich um eine epische anstatt dramatische Bearbeitung. So eine wurde bereits in »November 1918« von Alfred Döblin umgesetzt. Viele weitere folgten. Auch musikalisch ließ sich der Stoff verarbeiten. Im 18. Jahrhundert soll es über 30 Antigone-Opern gegeben haben, die heute jedoch nicht mehr gespielt werden. (Pelster, 90)

»Antigone« ist dennoch fest im Theaterrepertoire verankert. Für Inszenierungen orientieren sich Regisseur*innen entweder an der klassischen Spielpraxis basierend auf den antiken Vorschriften oder verarbeiten die Thematik in aktuellen Problematiken. In den 70ern wurde zum Beispiel zur Diskussion über den individuellen Widerstand gegen staatliche Ordnungen angeregt. Grund lieferte die terroristische Vereinigung RAF. In einer Inszenierung von 1988 in Freiburg stellte Lore Stefanek den Machtkampf zwischen Mann und Frau dar.

»Antigone« zählt heute zur Schulliteratur und lässt sich immer wieder aufs Neue interpretieren.

Veröffentlicht am 6. Februar 2024. Zuletzt aktualisiert am 6. Februar 2024.