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Antigone

Stasimon und 5. Epeisodion

Zusammenfassung

Der Chor beschreibt die Macht des Schicksals, dem sich die Betroffenen unweigerlich beugen müssen. Dafür bezieht er sich auf Beispiele aus der griechischen Mythologie: Danae und Akrisios, Lykurg und Dionysos sowie Kleopatra und Phineus.

Der blinde Greis und Seher Teiresias sucht Kreon auf. Bisher hat Kreon auf dessen Rat vertraut. Teiresias warnt Kreon, dass er sich in Gefahr befände. Er verseuche die Stadt. Die Götter nehmen keine Opfer mehr an, da die Tiere von dem toten, unbestatteten Polyneikes gefressen haben. Kreon solle zur Besinnung kommen und seinen Zorn besänftigen. Kreon will dies jedoch nicht hören und glaubt nicht an die negativen Folgen seines Handelns. Teiresias enthüllt, dass das Unheil auf ihn zurückfallen werde und Haimons Tod bedeute. Indem Kreon den Toten nicht bestattet hat, habe er ihn den Göttern vorenthalten und zusätzlich Antigone lebendig begraben. Nach diesen Worten verlässt Teiresias Kreon.

Die Ältesten warnen Kreon, dass Teiresias immer die Wahrheit gesagt habe. Kreon muss ihnen zustimmen und fragt, was er tun solle. Die Ältesten drängen ihn, Polyneikes zu beerdigen und Antigone zu befreien. Kreon windet sich. Für ihn fühlt sich das wie Verleugnung an. Er erkennt jedoch, dass dies der einzige Weg ist und will den Vorschlag umsetzen.

Analyse

Das 4. Stasimon schließt sich dem 3. an. Nachdem beschrieben wurde, dass sich der Mensch nicht dem Eros, der Liebe, entziehen könne, ist er im 4. Stasimon der Macht des Schicksals ausgeliefert. Die gewählten Geschichten beinhalten Gemeinsamkeiten mit Antigones Schicksal: Danae, Lykurg und Kleopatra werden wie Antigone in eine Felshöhle gesperrt. Die Kernaussage ist, dass sich niemand dem Schicksal entziehen könne, egal ob Gott oder Mensch, schuldig oder nicht.

Eine Auffälligkeit im 5. Epeisodion ist, dass die auftretende Figur nicht vom Chor angekündigt wird. Der Dialog mit Kreon dient der Vorstellung des Sehers und der bisherigen Beziehung zwischen Teiresias und Kreon. Anschließend folgt der Monolog, in dem Teiresias sein Anliegen beschreibt. Hier werden Kreons Fehler und die daraus resultierenden Folgen aufgezeigt. Er fordert Kreon zur Besinnung auf. Die Mahnung doppelt sich (zuvor Haimon). Irren ist menschlich, doch mangelnde Einsicht führt zum Verderben: »Sich verirren | Ist aller Sterblichen gemeinsam Los. [...] Nur Eigensinn macht sich der Torheit schuldig.« (V 1023f., 1028) Mit diesen Worten stellt Teiresias heraus, dass die nahende Katastrophe nicht in Kreons bloßem Bestattungsverbot begründet ist. Vielmehr sein starres Festhalten an den eigenen Prinzipien, seine Engstirnigkeit und Überheblichkeit führen zu einer verspäteten Umkehr und schließlich zum Fall. Im Gespräch mit dem Seher wehrt sich Kreon noch gegen dessen Worte. Die Spannung wird aufrechterhalten. Verblendet von seinen Ängsten, glaubt Kreon, dass der Seher bestochen wurde und verspottet gar die Götter in seiner Argumentation (vgl. 1044ff.). Kreon steigert damit zum Dramenende nochmals seine Hybris, seine Selbstüberschätzung, die ihn zu Fall bringen wird.

Trotz seiner Blindheit sieht Teiresias im übertragenen Sinne mehr als die anderen Figuren. Er erkennt den Tyrannen in Kreon (vgl. V 1056). Die folgenden Worte des Sehers sind zwar von dessen Zorn durchtränkt, sprechen jedoch die Wahrheit und kündigen Haimons Tod sowie Kreons Fall an. Kreon ist erschüttert, doch gelangt er nicht von selbst zum Handeln. Es ist der Chor, der seine beratende Funktion ausfüllt und eine klare Anweisung macht. Die Ältesten wechseln ihren Standpunkt, erkennen Kreons Fehlen und drängen ihn zum Handeln. Kreon rückt nur widerwillig von seinem Standpunkt ab: »Kaum kann ich’s. Ich verleugne mich und tu’s.« (V 1105) Seine Umkehr stellt die Peripetie, die Wendung im Stück, dar. Kreons Wandel erfolgt jedoch nicht aus Einsicht, sondern aus Angst vor dem Verlust! Ein Teil seiner Verblendung bleibt bestehen, nicht zuletzt, weil er glaubt, das prophezeite Unheil noch abwenden zu können. Teiresias Worte sind allerdings keine Warnung, sondern eine Vorhersage.

Veröffentlicht am 6. Februar 2024. Zuletzt aktualisiert am 6. Februar 2024.