»Antigone« ist vor tausenden Jahren in Griechenland entstanden. Jede Übersetzung muss den Unterschied der verschiedenen Sprachen und die enorme zeitliche Kluft überwinden. Die Übersetzungen divergieren also stark. Für diese Lektürehilfe wurde die Übersetzung von Wilhelm Kuchenmüller aus dem Jahr 1955 verwendet. Es handelt sich dabei um eine Vers-Übersetzung.

Als Tragödie ist »Antigone« in Versen und nicht in Prosa verfasst. Die Wortwahl ist keine Alltagssprache und stark von den Figuren abhängig. Es lassen sich Unterschiede zwischen den Personen des höheren Standes wie Kreon und Antigone sowie denen des niederen Standes, zum Beispiel der Wächter, feststellen. Die Werte der Figuren kehren in ihrer Wortwahl und Ausdrucksform wieder. Kreons Absolutismus schlägt sich in Aussagen wie: »Soll ich für andre als für mich hier herrschen?« (V 736) nieder. Seine Sätze sind geprägt von Staat und Vaterland, während Antigone die Liebe und Familie ehrt. 

Als vordergründiges Stilmittel fällt die Metapher auf. Dabei wird eine Bedeutungsübertragung vorgenommen: Es werden zwei gewöhnlich zusammenhanglose Bereiche sprachlich miteinander verknüpft: »Der allzu starre Sinn | Zerbricht am ehsten, und der stärkste Stahl, | Wenn man ihn überhart im Feuer glühte, | Zersplittert und zerspringt zuallererst.« (V 473-476) Weiterhin dient der Bezug zur griechischen Mythologie zur bildhaften Darstellung: »Der alle bettet, Hades, führt mich | Lebend zum Acheronufer« (V 811f.).

Die Dialoge der Figuren sind vom Streit bestimmt. Sie repräsentieren den Logos, das menschliche Wort. Ihm gegenüber steht der Chor, welcher den Bezug zum Mythos, dem Göttlichen, herstellt. Chor und Dialoge bilden in »Antigone« ein ausgeglichenes Verhältnis.

Die Passagen des Chors sind in Strophen abgefasst, weisen aber wie die Dialoge keine Reime auf. Bedenkt man, dass die Chorlieder früher gesungen wurden, wird ihre lyrisch-musikalische Wirkung noch deutlicher (Geisenhanslüke, 88).