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Homo faber

Prüfungsfragen

  • Welche Bedeutung hat das Motiv des Spiegels im Roman?

    Faber verkennt sich und andere Menschen permanent selbst, und er neigt dazu, auch andere Menschen nach einem stereotypen Muster wahrzunehmen. Beim Blick in den Spiegel kommt er jedes Mal in Bedrängnis, da er sich plötzlich einem Bild gegenübersieht, das nicht mit demjenigen übereinstimmt, was er selbst von sich konstruiert hat. Der Ich-Erzähler blickt der Realität ins Auge, und zwar seinem schlechten Gesundheitszustand. Er verweigert sich jedoch diesem Bild, nimmt es nicht wahr, wehrt es ab und verdrängt es.

    Bezeichnend ist, dass Frisch seinen Hauptprotagonisten insgesamt drei Mal an entscheidenden Stellen in seinem Roman in den Spiegel schauen lässt: am Anfang auf dem Flughafen (S. 11), in der Mitte im Restaurant in Paris (S. 98) und am Ende in Athen kurz vor seiner Operation (S. 170). Dadurch wird vom Autor sowohl Fabers Verdrängungsmechanismus anschaulich dargestellt als auch sein schneller physischer Verfall bis hin zu seinem Tod verdeutlicht.

  • Welche Bedeutung hat der Titel des Romans »Homo faber«?

    Der Titel des Romans weist einen doppeldeutigen Charakter auf: Einerseits verweist er auf den Ich-Erzähler mit Namen Walter Faber, der den »Bericht«, wie der Roman im Untertitel genannt wird, geschrieben hat. Auf der anderen Seite liegt bei dieser Bezeichnung eine Begriffsbestimmung aus der philosophischen Anthropologie vor, die sich mit dem Wesen des Menschen befasst. Der Allgemeinbegriff »Homo« stammt aus dem Lateinischen und bedeutet »Mensch«. Durch das Adjektiv »faber« wird er näher spezifiziert, und zwar als ein »schaffender Mensch«. Da Faber ein Techniker und Macher ist, bedient sich Hanna dieses Ausdrucks und nennt ihn scherzhaft »Homo faber« (S. 47).

    Max Frisch kündigt also mit dem Titel einen spezifischen Menschentypus an. Dadurch nimmt er eine gewisse Eingrenzung der menschlichen Identität vor und gibt einen ersten Hinweis auf das Dilemma seiner Hauptfigur. Denn es ist genau diese starre Festschreibung seiner Identität als Techniker (»Homo faber«) mit einem rationalistischen Weltbild, die Faber im Verlauf der Geschichte nachher zum Verhängnis wird.

  • Das Motiv der Technik zieht sich quer durch den Roman. Welche Bedeutung kommt ihm zu?

    In Fabers Weltbild ist die Technik das Mittel, mit dem sich das Leben nicht nur vereinfachen, sondern auch kontrollieren lässt. Sie ist zudem eine verlässliche Größe, die ihm eine gewisse Sicherheit verleiht, sodass er sich dem Leben nicht ausgeliefert fühlt. Nun zeigt sich jedoch, dass Faber im Verlauf der Ereignisse, die ihm widerfahren, zusehends miterleben muss, wie ein Gerät nach dem anderen versagt und dadurch sein festgefahrenes Weltbild gefährlich ins Wanken gerät. Zu Beginn erlebt er einen Flugzeugabsturz, da die Motoren versagen (S. 19). Sein Rasierapparat geht plötzlich kaputt (S. 63), er gibt seine Omega-Uhr zur Rettung Sabeths weg (S. 129), Herberts Wagen ist nicht mehr einsatzfähig (S. 167ff.), und zum Ende muss er auch damit leben, dass er keine Schreibmaschine mehr hat. Das Versagen der technischen Hilfsmittel symbolisiert, dass Fabers Lebensentwurf gescheitert ist und er nach und nach auf das Wesentliche, nämlich auf sein reines Menschsein, zurückgeworfen wird und jetzt versteht, worum es im Leben eigentlich geht.

  • Erläutern Sie das Frauenbild, das von Max Frisch mit der Figur der Hanna Piper dargestellt wird!

    Mit der Figur Hanna entwirft Frisch ein Bild der fortschrittlichen, modernen Frau, die ihr Leben durchaus selbstständig und souverän managen kann. Sie hat studiert, verdient ihr eigenes Geld und ist zudem Alleinerziehende. Mit dem Entwurf einer derartigen Frauenrolle ist der Autor seiner Zeit schon weit voraus. Am 3. Mai 1957 wurde zwar vom Deutschen Bundestag das sogenannte »Gleichberechtigungsgesetz zwischen Mann und Frau« beschlossen, was sich aber auf die Realität der damaligen festgeschriebenen Geschlechterrollen kaum auswirkte. Die Gesellschaft war in den 50er-Jahren vom traditionellen Familienbild geprägt, in dem die Frau zuhause blieb und der Mann für die Versorgung der Familie zuständig war.

    Anzunehmen ist, dass Frisch für den Entwurf der Frauenfigur Hanna stark von der französischen Schriftstellerin Simone de Beauvoir inspiriert wurde, die als Ikone des Feminismus gilt und mit ihrem Werk »Das andere Geschlecht« (1951) weltbekannt wurde.

  • Nach Sabeths Tod hat sich Fabers technische Weltsicht verändert. Wie macht sich dieser innere Wandel auf seiner letzten Reise bemerkbar?

    Die Schicksalsschläge, die Faber erfahren hat, haben sein tiefstes Inneres berührt und erschüttert, sodass sein vorheriges Weltbild zerbrochen ist. Beim viertägigen Aufenthalt auf Kuba wird er sich zum ersten Mal darüber selbst bewusst. Seine zuvor erfolgreich verdrängten Emotionen lässt er nun zu und öffnet sich gegenüber den Menschen und dem Leben an sich. Begeistert und mit offenen Augen läuft er durch die Straßen Havannas und nimmt das pulsierende Leben nicht nur wahr, sondern auch daran teil. Zum ersten Mal hat er Freude am Nichtstun, was sich im Singen und Schaukeln ausdrückt. Faber reflektiert sein bisheriges Leben und beschließt, sein Leben zu ändern.

  • Welche Bedeutung haben Fabers Begegnungen mit Professor O.?

    Professor O. wird von Faber als Fachmann für Elektrodynamik sehr geschätzt und war in Studienzeiten sein Vorbild. Zum ersten Mal begegnet Faber seinem früheren Lehrer in einem Traum auf dem Flug nach Caracas. Er träumt, dass ihm die Zähne ausfallen und gleichzeitig tritt Professor O. auf und weint, was Faber sich nicht erklären kann (S. 15f.). Als er ihn dann in Paris persönlich trifft, nimmt er ihn als personifizierten Tod wahr (S. 102f.). Seine Krankheit, er leidet an Magenkrebs, ist schon so weit fortgeschritten, dass sie ihn entstellt. Faber wird dadurch abgeschreckt und lehnt seine Einladung ab. Mit dem Tod will er nichts zu tun haben. Faber ist zwar schon selbst dem Tod geweiht, was er wohl instinktiv ahnt, aber er will sich dem nicht stellen. Er wendet sich lieber dem Leben und der Jugend zu, denn er zieht es vor, mit der 20-jährigen Sabeth in die Oper zu gehen.

    Als Faber den Professor zum dritten und letzten Mal in Zürich trifft, nimmt er seine Einladung an. Sabeths Tod hat eine innere Wandlung in Faber bewirkt, und er ist jetzt in der Lage, sich für den Professor Zeit zu nehmen und ihm zuzuhören. Dies lässt die Deutung zu, dass er jetzt endlich bereit ist, sich seiner eigenen Krankheit zu stellen und sie zu akzeptieren. Im Krankenhaus erwähnt Faber kurz vor seiner Operation schließlich den Tod seines früheren Lehrers. So fungiert die Figur des Professors im Roman praktisch als Todesbote, die Faber mit seinem eigenen Schicksal konfrontiert.

  • Warum hat der Roman »Homo faber« auch im 21. Jahrhundert noch immer nichts von seiner Aktualität verloren?

    Max Frisch kreiert ein besonders treffendes Bild des modernen Menschen und drückt in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts damit schon eine Sorge aus, die heute aktueller ist denn je: die Technikgläubigkeit des Menschen und die Gefahr, dass damit eine Verkümmerung der sozialen Kommunikation einhergeht. Die Informations- und Bilderflut im Zeitalter von Twitter, Tiktok und Facebook, mit denen die Menschen überschüttet werden, ist mittlerweile ins Unendliche gestiegen und bringt einschneidende Veränderungen im sozialen Gefüge der Menschheit mit sich.

    Es scheint sogar, als hätte Frisch auch die Vereinfachung der Sprache schon vorweggenommen, denn in gewisser Weise erinnert die Ausdrucksweise Fabers an die heute verwendete Internetsprache, die kurz und knapp nur das Notwendigste an Worten enthält.

    Zudem stehen die Themen, die Frisch in seinem Roman anschneidet, wie der westliche Lebensstil, das Verhältnis zwischen Technik und Natur, die Frage um die Geschlechterrollen sowie die Suche nach der eigenen Identität heute wieder oder sogar mehr denn je, noch immer in der öffentlichen Diskussion.

  • Welche spezifischen Merkmale kennzeichnen die moderne Erzähltechnik, die der Autor Frisch in seinem Roman verwendet?

    Der Autor hält sich nicht mehr an einen klaren Aufbau der Geschichte, sondern nutzt eine Art Montagetechnik, die sehr an das filmische Schreiben erinnert, in dem die Beschreibung einzelner Szenen im Vordergrund steht. Zudem wird der chronologische Ablauf aufgehoben und mit Rückblenden, Erinnerungen sowie vorausschauenden Gedankengängen hantiert. In der Sprache kommt überwiegend die direkte Rede zum Einsatz. Für die Darstellung des Hauptprotagonisten wird eine Figur gewählt, die sich eher durch ihre Unzulänglichkeit auszeichnet, anstatt durch ihr Heldentum. Dieser »Antiheld« verhindert, dass sich die Leserschaft automatisch mit ihm identifiziert.

    Hier macht sich der Einfluss Brechts auf den Roman bemerkbar. Denn er hat in seinen Theaterstücken gezielt eine »Verfremdungstechnik« eingesetzt, mit der eine Distanz zum Geschehen aufgebaut wird. Damit sollte die Übernahme einer gewissen Weltanschauung verhindert und das eigene Denken angeregt werden. Dies war ganz im Sinne Frischs, denn seine Leserschaft sollte sich von seinen Geschichten ebenso selbst >ein Bild machen<.

  • Erläutern Sie die Bedeutung der Aufteilung des Romans in »zwei Stationen«!

    Auffällig ist, dass sich die beiden »Stationen« stark in ihrem Aufbau, ihrer Sprache und in ihrer Erzähltechnik voneinander unterscheiden. Sie spiegeln den Erkenntnisprozess Fabers wider, der sich im Verlauf der Geschichte in ihm abspielt. Faber wird sich nicht nur über seine eigene Krankheit bewusst, sondern kann sich auch seiner persönlichen Schuld am tragischen Unfalltod seiner Tochter stellen.

    Faber ist in der »ersten Station« noch sehr von sich und seinem rationalistischen Weltbild überzeugt. Er nutzt seine Schreibmaschine, um seinen »Bericht« zu schreiben. Als Macher hat er die Dinge unter Kontrolle und lässt sich nicht von seinen Emotionen leiten. Seine Sätze sind dementsprechend kurz und knapp gehalten, seine Sprache wirkt kühl und leblos. Da sich durch den Tod Sabeths seine innere Verfassung ändert, macht sich dies in der »zweiten Station« nun bemerkbar. Sein Bericht, den er mangels einer Schreibmaschine jetzt im Krankenhaus handschriftlich fortführen muss, ist subjektiver und persönlicher gehalten. So berichtet Faber geradezu ausschweifend von seinen Gefühlen und Glücksmomenten, die er bei seinem Aufenthalt in Kuba erlebt hat. Aus der Figur des emotionslosen Technikers der »ersten Station« hat Frisch in der »zweiten Station« ein menschliches Individuum entwickelt, das in der Lage ist, sich seinen Gefühlen zu stellen.

  • Welche Funktionen hat die Figur Herbert Hencke innerhalb der Geschichte?

    Die Begegnung Fabers mit Herbert Hencke ist ein zentrales Element in der Geschichte. Denn sie kann als eine Art Initialzündung für die Verkettung der darauffolgenden unglücklichen Umstände bis hin zu Sabeths Tod angesehen werden. Durch Hencke wird Faber gedanklich wieder in seine Vergangenheit zurückversetzt, denn er ist der Bruder seines Jugendfreundes Joachim. Auch erfährt er durch ihn, dass Hanna, seine ehemalige Jugendfreundin, noch am Leben ist.

    Zudem wird Hencke anfänglich als typischer aufstrebender Jungunternehmer dargestellt, der im Zuge des deutschen Wirtschaftswunders nur seine Geschäfte im Sinn hat, ohne daran zu denken, wie viel Leid das Nazi-Regime der Menschheit zugefügt hat. Frisch nutzt diese Figur, um darauf hinzuweisen, wie sehr im Nachkriegsdeutschland der 50er-Jahre noch in den Strukturen des nationalsozialistischen Weltbildes gedacht wird. Denn Hencke trägt seine politischen Ansichten teilweise noch mit Begrifflichkeiten aus der nationalsozialistischen Sprache vor (S. 9).

Veröffentlicht am 18. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 18. Juli 2023.