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Homo faber

Erste Station, S. 125-139

Zusammenfassung

Faber wacht am 3. Juni in einem Krankenhaus in Athen auf und sieht Hanna an seinem Bett stehen. Sie berichtet ihm, Sabeth sei versorgt und habe gegen den Schlangenbiss eine entsprechende Injektion erhalten. Zudem fragt sie Faber, was denn geschehen sei.

Der berichtende Faber schildert nun die Geschehnisse. Sabeth wurde von einer Schlange gebissen und daraufhin bewusstlos. Faber leistete Erste Hilfe und trug sie zur Straße. Nach einem mühseligen Transport mit einem Eselskarren und Lastwagen erreichten sie schließlich das Krankenhaus.

Der Arzt erklärt ihnen, dass Sabeth von einer Viper gebissen worden sei und Faber das einzig Richtige getan habe, denn das Serum gegen das Schlangengift konnte ihr nun rechtzeitig gespritzt werden. Vor dem Verlassen des Krankenhauses möchte Faber nochmals einen Blick auf Sabeth werfen, womit Hanna nicht so recht einverstanden ist.

Obwohl Faber lieber in einem Hotel übernachtet hätte, nimmt er Hannas Angebot an, bei ihr in der Wohnung zu übernachten. Hier kommt es zu Gesprächen über ihre frühere Beziehung und die Zeit danach. Die wichtigsten Fragen nach der Vaterschaft Sabeths und der Beziehung zwischen ihr und Faber bleiben dabei jedoch anfänglich unbeantwortet zwischen beiden im Raum stehen. Als das Gespräch schließlich auf Joachims Tod kommt, fragt Faber nochmals nach, ob denn Joachim Sabeths Vater sei, was von Hanna bejaht wird. Faber berichtet ihr dann, was zwischen ihm und Sabeth geschehen ist.

Faber übernachtet in Sabeths Mädchenzimmer. Er kann nicht schlafen, sondern sitzt nur auf dem Bett. Dazwischen klopft er immer wieder an die Wand, um zu sehen, ob Hanna auch noch wach ist, denn er hört sie im Zimmer nebenan schluchzen. Für ihn wird jetzt klar, dass die Aussage Hannas, Joachim sei der Vater, eine Lüge gewesen sein muss. Schließlich bricht er die Tür auf, weil Hanna nicht öffnet, geht aber nicht hinein.

Der berichtende Faber ergänzt an dieser Stelle seinen Bericht mit der Schilderung der Nacht vor Sabeths Unfall. Gemeinsam fuhren sie von Patras nach Korinth, wo sie jedoch kein Zimmer bekamen. Sie wanderten in die Nacht hinaus, um sich einen Schlafplatz im Freien zu suchen. Auf ihrer Wanderung ergab sich ein Wortspiel zwischen beiden. Sie maßen sich beide in bildhaften Vergleichen. Am Morgen saß Sabeth in der aufgehenden Morgensonne und sang.

Am nächsten Morgen fährt Hanna ohne Faber ins Krankenhaus, da sie mit ihrer Tochter allein sein möchte. Sabeths Gesundheitszustand hat sich verschlechtert. Als sie dies, zu Hause wieder angekommen, Faber berichtet, ist sie verwirrt und kann ihn nicht ansehen. Faber packt Hannas Kopf und küsst sie.

Danach fahren sie gemeinsam mit Hannas Dienstwagen nach Korinth, um die restlichen Sachen am Unfallort abzuholen.

Hier schildert Faber nun rückblickend den Hergang des Unfalls. An besagtem Morgen erwachte er, ging ins Wasser und hörte Sabeth plötzlich aufschreien. Er sah sie davonrennen, bis sie schließlich stehen blieb. Aus dem Wasser kommend, folgte er ihr nackt, konnte sie jedoch nicht einholen. Sie blieb zwar stehen, wich aber vor ihm zurück und fiel über die Böschung. Sie blieb bewusstlos liegen, und er entdeckte die Bisswunde. Danach trug er sie zur Straße, um Hilfe zu holen.

Hanna eröffnet ihm am Unfallort, dass Sabeth doch seine Tochter ist. Als sie gemeinsam ins Krankenhaus zurückkehren, erfahren sie, dass Elisabeth gestorben ist. Sie starb nicht an dem Schlangenbiss, sondern an den Folgen des Sturzes über die Böschung. Hanna ist verzweifelt, schreit und schlägt auf Faber ein.

Analyse

Da Frisch in diesem Roman mit einer Montagetechnik arbeitet, bei der wie im Film einzelne Szenen aneinandergereiht werden, konfrontiert er seine Leserschaft auch mit inhaltlichen Brüchen. Auf den ersten Blick fehlt der Zusammenhang zum vorherigen Geschehen: Faber befindet sich jetzt in einem Athener Krankenhaus, und beim Aufwachen sieht er sich plötzlich Hanna gegenüber, die er 20 Jahre lang nicht gesehen hat. Sie konfrontiert ihn sofort mit der Frage: »Was hast du gehabt mit dem Kind?« (S.127), worauf Faber nicht antwortet, sondern eine Gegenfrage stellt. Obwohl sie sich nach all den Jahren noch vertraut sind, ist ihre Kommunikation hochgradig gestört. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie in ihren Gesprächen einander ausweichen und nicht in der Lage sind, aufeinander einzugehen.

Erst nach und nach offenbart sich den Lesenden das gesamte Geschehen, da der Autor zu dessen Darstellung eine versetzte Erzählweise wählt. So berichtet Faber den Vorfall nicht in einer zusammenhängenden Geschichte, sondern erzählt erst von seiner Rettungsaktion. Dabei ist er – mitten in der Natur, ohne technische Hilfsmittel – ganz auf die Hilfe griechischer Arbeiter angewiesen. Es stehen ihm nur ein Esel und anschließend ein Lastwagen zur Verfügung, und er wird gezwungen, die Langsamkeit der Fortbewegungsmittel in dieser Situation auszuhalten, bis sie endlich im Krankenhaus angelangt sind (S. 127f.).

Hanna möchte Faber mit Sabeth nicht allein im Krankenzimmer lassen, was ihm klar signalisiert, dass ihr als Mutter die alleinige Zuständigkeit für ihr Kind gebührt (S.131). Bei einem späteren Telefonat mit Sabeth, erwähnt sie auch nicht, dass Faber nun bei ihr zuhause ist, sodass er sich ausgeschlossen fühlt: »Sie redete, als gebe es nur Hanna, die Mutter, die um Sabeth gebangt hatte und sich freute, daß das Mädchen sich langsam wohler fühlte, […].« (S. 137) Daraufhin bezeichnet Faber sie als »Henne« (S. 137), worauf Hanna aufgebracht erwidert: »Sie ist mein Kind, nicht dein Kind!« (S. 138), womit Frisch auf die damalige Kränkung Hannas hinweist, die als Auslöser für das nachfolgende Geschehen angesehen werden kann. Auf die Frage, ob Joachim Sabeths Vater sei, gibt sie ihm keine Antwort.

Faber bewundert Hannas Lebensstil (S. 143), da sie ein selbstständiges, unabhängiges Leben führt und niemanden braucht: »Dabei hat Hanna immer getan, was ihr das Richtige schien, und das ist für eine Frau, finde ich, schon allerhand. Sie führte das Leben, wie sie’s wollte.« (S.139)

Dem entgegen steht das Selbstbild, das Hanna von sich zeichnet. Sie erklärt ihr Leben für »verpfuscht« (S. 139). Denn »solange Gott ein Mann ist, nicht ein Paar, kann das Leben einer Frau […] nur so bleiben, wie es heute ist, nämlich erbärmlich, die Frau als Proletarier der Schöpfung« (S. 140). Frisch hat in die Figur der Hanna einige feministische Theorien der französischen Schriftstellerin Simone de Beauvoir hineingelegt, die sie in ihrem Buch »Das andere Geschlecht« im Jahr 1949 veröffentlicht hat.

In ihren Gesprächen ist zwar von früher noch eine gewisse Vertrautheit vorhanden, doch sie können nicht ehrlich zueinander sein. Hanna zieht aus Angst, der Wahrheit ins Auge sehen zu müssen, sogar eine Lüge vor, indem sie behauptet: »Walter, du bist nicht ihr Vater. (S. 145) Faber erzählt ihr, um ihr nicht die Nacht mit Sabeth zu gestehen, lieber von Joachims Tod. Nachdem er sich noch einmal bei ihr versichert, dass Joachim tatsächlich der Vater ist und Hanna ihn zu einer Antwort drängt, rückt er mit der Wahrheit heraus (S. 147). Als Faber nachts ihr Schluchzen hört, ahnt er, dass sie gelogen haben könnte: »Sie hat gelogen, und ich bin doch der Vater.« (S. 149) Er bricht ihre Tür auf und als Hanna ihn mit nacktem Oberkörper sieht, fängt sie an zu schreien (S. 150).

Mit dieser nächtlichen Szene setzt der Autor eine Parallele zu dem tatsächlichen Hergang von Sabeths Unfall. Denn hier ist es auch Fabers Nacktheit, durch deren Anblick Sabeth erschreckt wird, dabei auf den Hinterkopf fällt und an den Folgen dieses Sturzes stirbt. Faber kann sich jedoch erst vollständig dieser Wahrheit stellen, als er mit Hanna an den Unfallort zurückkehrt, um seine Sachen dort zu holen.

Wie bei einem Täter, wird Faber erst bei der Rekonstruktion der damaligen Nacht direkt am Ort des Geschehens bewusst, was tatsächlich geschah. Die Lesenden erfahren also jetzt erst vom tatsächlichen Unfallhergang.

Da Faber am Morgen nackt ins Wasser ging, war er auch noch nackt, als er Sabeths Schreie am Ufer hörte und ihr nachrannte, um sie zum Stehen zu bringen:

    »(es ist mir nicht bewusst gewesen, daß ich nackt bin) und mich nähere – dann der Unsinn, daß sie vor mir, wo ich ihr nur helfen will, langsam zurückweicht, bis sie rücklings (dabei bin ich sofort stehengeblieben!) rücklings über die Böschung fällt. Das war das Unglück.« (S. 158)

Schließlich kann auch Hanna erst an diesem Ort Faber gestehen, dass er Sabeths Vater ist. Beide haben sich schuldig gemacht, indem sie die Wahrheit verdrängt und dem anderen vorenthalten haben. So ist es schließlich ihre Tochter, die sie wieder näher zueinander führt.

Faber erkennt jetzt, dass er bereit ist, sein Leben zu verändern. Er kann sich vorstellen, mit Hanna zusammenzuleben: »[...] gemeinsames Wohnen, gemeinsame Ökonomie, gemeinsames Alter.« (S. 159) Da Sabeth jedoch an den Folgen des Unfalls und nicht am Schlangengift stirbt, hat Faber ein zweites Mal Schuld auf sich geladen, da er den Ärzten nichts von dem Sturz erzählt hat. Wäre dies bekannt gewesen, hätte Sabeth durch einen chirurgischen Eingriff gerettet werden können (S. 160).

Veröffentlicht am 17. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 17. Juli 2023.