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Homo faber

Erste Station, S. 33-69

Zusammenfassung

Nach der Rettung entschließt sich Faber auf dem Flugplatz in Mexico-City spontan, mit Herbert nach Guatemala zu fliegen, um seinen alten Jugendfreund Joachim wiederzusehen. In Campeche angekommen, müssen sie in einem Hotel übernachten, da die Weiterfahrt mit dem Zug fehlschlägt. Faber möchte am liebsten schon am nächsten Tag wieder zurückfliegen, was er jedoch wieder verwirft. Stattdessen fährt er mit Herbert im Zug nach Palenche. Auf der Zugfahrt erfährt Faber, dass Hanna eine Tochter hat.

In Palenche werden sie nicht, wie ursprünglich geplant, abgeholt, sodass sie dort fünf Tage des Wartens verbringen. In dieser Eintönigkeit, in der sie apathisch und schwitzend in ihren Hängematten liegend zum Nichtstun verdammt sind, machen sie die Bekanntschaft mit Marcel, einem jungen Amerikaner, der aus Boston stammt. Er ist französischer Herkunft und eigentlich Musiker von Beruf. Marcel interessiert sich für die Kultur der Mayas und erforscht in seiner freien Zeit deren Denkmäler.

Im Gegensatz zu seiner Begeisterung für dieses Volk hält Faber die Mayas jedoch für primitiv, da sie ihre Bauten in einen Dschungel gesetzt haben, in dem alles zerfällt. Diese Natur mit ihren katastrophalen klimatischen Verhältnissen setzt ihm sehr zu. Zudem plagen ihn seine Magenschmerzen, sodass er wieder an eine Umkehr denkt, die er jedoch erneut nicht umsetzt.

Durch Marcels gute Beziehungen zum Wirt vor Ort kommen sie endlich an den einzigen Landrover in der Gegend, mit dem sie ihre weitere Reise nach Guatemala fortsetzen können. Der Amerikaner schließt sich ihnen auf dieser Fahrt an. Faber kümmert sich um den Landrover und macht ihn startklar für die Fahrt in den Dschungel.

In seinem Bericht geht Faber nun in einem Rückblick auf die vergangene Zeit mit Hanna ein. Hanna stammte aus München, war Halbjüdin und die Tochter eines von den Nationalsozialisten in Schutzhaft genommenen Professors. Aus diesem Grund hatte sie Deutschland verlassen müssen und studierte nun Kunstgeschichte in der Schweiz. 1935 wurden die Nürnberger Rassengesetze verkündet, mit denen die Juden aus der deutschen Volksgemeinschaft ausgeschlossen wurden. Hanna musste die Schweiz innerhalb von 14 Tagen verlassen, und Faber war – trotz der Bedenken seiner Eltern – bereit, sie zu heiraten, um ihr zu helfen. Hanna war jedoch selbst gegen eine Eheschließung und ließ die Heirat in letzter Sekunde platzen.

In dieser Zeit bekam Faber von Hanna auch seinen Spitznamen: Homo faber.

Er war damals entschlossen, seine berufliche Karriere voranzutreiben und nahm eine ihm angebotene Stelle als Ingenieur in Bagdad an. Kurz danach erfuhr er, dass Hanna ein Kind von ihm erwartete. Darauf reagierte er kühl und sachlich, was Hanna wiederum dazu veranlasste, nicht mehr mit ihm darüber reden zu wollen. Er sprach mit seinem Freund Joachim, der sich als Mediziner im Staatsexamen befand, über einen möglichen Schwangerschaftsabbruch. Zudem bot er Hanna nochmals eine Heirat an, die sie aber wieder ablehnte.

Herbert, Marcel und Faber machen sich mit dem Landrover auf den Weg zur Plantage. Es sind zwar nur 100 Meilen, aber es gibt keine Straße, sodass sie durch Dickicht fahren müssen. Faber will am dritten Tag umkehren, da er keinen Sinn mehr darin sieht, durch diesen Urwald zu fahren. Auch Marcel möchte nicht weiterfahren, entdeckt jedoch plötzlich Reifenspuren, sodass sie nun doch beschließen, ihre Reise fortzusetzen. Bald stoßen sie auf eine Gruppe Einheimischer, von der sie bis zu einem heruntergekommenen Gebäude begleitet werden. Sie müssen die Baracke aufbrechen und finden im Inneren Joachim, der sich mit einem Draht erhängt hat. Herbert beschließt, auf der Plantage zu bleiben, während Faber und Marcel zurückfahren.

Der berichtende Faber geht in einem weiteren Rückblick in das Jahr 1936. Obwohl Hanna sich geweigert hatte, ihn zu heiraten, stimmte sie einer Eheschließung letztendlich doch zu. Sie setzten eine Anzeige in die Zeitung und gingen nach einem Frühstück mit den Eltern ins Stadthaus, um sich dort trauen zu lassen. Kurz vor ihrem Aufruf zur Trauung verweigerte Hanna jedoch die Eheschließung. Gemeinsam verbrachten sie danach noch eine letzte Woche in Zürich. Hanna versprach ihm, zu Joachim zu gehen, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Nach seiner Abreise nach Bagdad hörte er nichts mehr von ihr.

Nach Fabers Rückkehr aus dem Dschungel hält er sich beruflich nur für zwei Tage in Venezuela auf und fliegt wieder nach New York zurück. Hier erwartet ihn seine Freundin Ivy am Flughafen, die mit keinem Wort den Abschiedsbrief erwähnt, den er ihr geschrieben hat. In der Wohnung angekommen, kommt es zu einem Streit. Faber spürt plötzlich, wie Wut in ihm darüber hochkommt, dass sie die von ihm schriftlich ausgesprochene Trennung ignoriert. Er beschließt daraufhin, nicht wie geplant erst in einer Woche nach Paris zu fliegen, sondern für den nächsten Morgen sofort eine Schiffspassage nach Europa zu buchen, um Ivy so schnell wie möglich verlassen zu können.

Ivy wird daraufhin zornig, denn sie hatte sich vorgenommen, die Woche mit ihm in New York zu verbringen. Faber erzählt ihr nicht die Wahrheit – dass er ihrer überdrüssig ist – sondern täuscht als Begründung seiner spontanen Schiffsreise Flugangst vor.

Ivy bricht in Tränen aus, sodass Faber sie tröstet. Es kommt zum Austausch von Zärtlichkeiten zwischen beiden, und schließlich schlafen sie miteinander. Danach hasst Faber nicht nur sich selbst, sondern auch Ivy. Er fühlt sich von ihr an der Nase herumgeführt, da sie erfolgreich seine Trennung ignoriert und ihn verführt hat. Faber sagt ihr, dass er sie hasst, bittet sie, sich anzukleiden und teilt ihr seinen Entschluss mit, die Wohnung zu kündigen. Auf diese Eröffnung reagiert Ivy relativ gefasst. Sie entschließen sich, an diesem Abend noch ins Kino zu gehen.

Faber will sich vorher noch rasieren, aber der Apparat funktioniert nicht, sodass er ihn auseinandernimmt, um ihn zu reparieren. Dabei erhält er einen Anruf von der Schiffsgesellschaft, er müsse noch an diesem Abend seinen Pass vorbeibringen, damit die Schiffspassage gesichert ist.

Der berichtende Faber reflektiert wieder über den Zufall. Durch den defekten Rasierapparat erreichte ihn an diesem Abend nämlich noch dieser besagte Anruf, der schließlich zur Buchung seiner Schiffsreise und zur Begegnung mit seiner Tochter auf dem Schiff führte.

Faber macht sich nun auf den Weg zur Agentur und erhält seine Schiffspassage. Danach zögert er seine Heimkehr hinaus, weil er Ivy nicht mehr begegnen möchte. Er begibt sich in ein Restaurant am Hafen, isst dort noch etwas und freut sich auf seine erste bevorstehende Schiffsreise. Auf dem Heimweg denkt Faber über Ivy nach und stellt dabei fest, dass er nicht viel über sie weiß. Ivy hat in der Wohnung auf ihn gewartet und verführt ihn. Gegen Mitternacht ruft Faber seinen Freund Dick an und bittet ihn, mit seinen Freunden doch noch vorbeizukommen, denn er möchte mit Ivy nicht allein sein. Er feiert die Nacht durch, und Ivy bringt ihn am nächsten Morgen zum Schiff.

Der berichtende Faber kommt an dieser Stelle noch einmal auf die Rückfahrt von der Plantage in Guatemala zu sprechen, die er zusammen mit Marcel im Landrover angetreten hat. Dabei schildert er insbesondere den ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens der Natur, wobei sein Ekel vor dem unkontrollierbar Wuchernden im Dschungel deutlich wird. Im Nachhinein bereut er jetzt, dass sie seinen Freund Joachim in der Erde begraben und nicht verbrannt hatten. Ihm kommt dabei der Gedanke, dass er selbst verbrannt werden möchte.

Analyse

Nach seinem unfreiwilligen Aufenthalt in der Wüste schickt der Autor seinen Ich-Erzähler nun in das Dickicht des Dschungels, um ihn noch eindrücklicher mit der Natur zu konfrontieren. Bezeichnend ist dabei, dass er, der noch nie eine Dienstreise änderte – »Ich gelte in beruflichen Dingen als äußerst gewissenhaft, geradezu pedantisch, jedenfalls ist es noch nicht vorgekommen, daß ich eine Dienstreise aus purer Laune verzögerte, […]« (S. 33) – sich für diese Reise spontan entscheidet. Der berichtende Faber betont immer wieder, dass er selbst nicht weiß, warum er sich damals auf diese Reise begab (S. 33), denn er wollte vom ersten Augenblick nach Ankunft in Campeche an wieder abreisen: »Ich war entschlossen, Herbert zu verlassen und am anderen Mittag zurückzufliegen, […].« (S. 34) Aber er bleibt, ohne dass er selbst weiß, warum.

Diese Diskrepanz zwischen Denken und Handeln wächst stetig in ihm an, und bei den Lesenden entsteht der Eindruck, als würde Faber langsam ein zweites Ich entwickeln, das immer mehr zur Oberfläche kommt. In seinem Handeln scheint er seinem Instinkt zu folgen. Im Denken hält er sich jedoch noch immer an den Faber, den er kennt, nämlich an den verlässlichen Techniker. Dieser ist es auch, der seine Zeit im Dschungel damit verbringt, zum einen ständig seine Abscheu über die Natur zu äußern, deren unkontrollierbares Wachstum ihn anekelt: »Was mir auf die Nerven ging: die Molche in jedem Tümpel, in jeder Eintagspfütze ein Gewimmel von Molchen – überhaupt diese Fortpflanzerei überall, es stinkt nach Fruchtbarkeit, nach blühender Verwesung. Wo man hinspuckt, keimt es!« (S. 51) Zum anderen wird durch seine Äußerungen über das Volk der Maya deutlich, wie sehr Faber in seinem eurozentristischen Weltbild gefangen ist, das im Kern Europas Wertvorstellungen als Maßstab für den Rest der Welt setzt: »Ein Volk wie diese Maya, die das Rad nicht kennen und Pyramiden bauen, Tempel im Urwald, wo alles vermosst und in Feuchtigkeit verbröckelt – wozu?« (S. 43) Zudem bezeichnet er ihre Ruinen als »primitiv« (S. 44).

In der Entwicklungspolitik der 50er-Jahre stand tatsächlich der Gedanke im Mittelpunkt, die sogenannten »hochentwickelten« industrialisierten Länder müssten den »unterentwickelten« Völkern nach ihren Wertvorstellungen Wohlstand und Fortschritt nahebringen. Diese Haltung war von einer gewissen Arroganz und Überheblichkeit geprägt. Die Äußerung Marcels stellt genau diese Einstellung des Westens an den Pranger und kritisiert diese mit folgenden Worten: »der Techniker als letzte Ausgabe des weißen Missionars, Industrialisierung als letztes Evangelium einer sterbenden Rasse, Lebensstandard als Ersatz für Lebenssinn – « (S. 50)

Frisch setzt hier die Figur Marcel als Gegenpol zu Faber ein, sodass in deren Streitgesprächen eine gegensätzliche Meinung ins Spiel kommt. Er ist Amerikaner aus Boston französischer Herkunft und eigentlich Musiker von Beruf. Marcel interessiert sich jedoch für das Volk der Maya, sodass er in seinem Urlaub deren Geschichte und Kultur erforscht. Faber nennt ihn verächtlich einen »Ruinen-Freund« (S. 39), »Pauspapier-Künstler« (S. 43) und bezeichnet seine Einstellung als »Künstlerquatsch« (S. 50)

Die Gespräche zwischen Faber und Marcel weisen auf die folgenden Auseinandersetzungen mit Sabeth und Hanna hin, in die Faber im späteren Verlauf der Geschichte verstrickt wird. Denn wie die beiden Frauen ist auch Marcel ein kunstinteressierter Mensch, der den alten Zivilisationen Achtung entgegenbringt, sodass er deren Lebenskunst studieren möchte. Auch die Thematik des »American Way of Life« (S. 50), die in der Geschichte noch eine Rolle spielt, wird hier schon vorweggenommen. Marcel wendet sich vehement gegen den amerikanischen Lebensstil, während Faber ihn zu diesem Zeitpunkt noch verteidigt. Dennoch scheint Marcels Einstellung im Hinblick auf den weiteren Verlauf nicht spurlos an Faber vorbeizugehen.

Der berichtende Faber bedauert später, dass er damals seinen Impulsen, seinen Aufenthalt im Dschungel abzubrechen, nicht nachgegangen ist, sondern mit Marcel und Hencke weiter zur Plantage fährt. Denn »es wäre (ich werde diesen Gedanken nicht los) alles anders gekommen« (S. 53). Als sie dort ankommen, finden sie nämlich Joachim erhängt in seiner Hütte vor. Die Frage, warum er sich erhängt hat, lässt der Autor im Roman unbeantwortet.

Fabers zahlreiche Rückblicke in die Vergangenheit, die vom Autor in die Erzählung eingeschoben werden, haben die Funktion, die Lesenden über seine Geschichte mit seiner Jugendfreundin Hanna in Kenntnis zu setzen.

Hanna ist Jüdin und ihr Vater, ein Professor, kommt in Schutzhaft, in der er später stirbt. »Es war die Zeit der Greuelmärchen« (S. 46) – eine Art psychologische Kriegsführung der Nationalsozialisten, indem sie ab 1933 ihre Gegner bewusst anhand von Diffamierungen und Falschaussagen vor Sondergerichten verurteilten. Zudem wurden am 15. September 1935 die Nürnberger Rassengesetze erlassen, die die Grundlage für die Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung bildeten (S. 46). Hanna muss Deutschland verlassen, sodass Faber ihr die Heirat anbietet. Auch wenn sie sehr verschieden sind, was in den Spitznamen, die sie einander geben, verdeutlicht wird – Hanna nennt ihn »Homo Faber« (der schaffende, technische Mensch), und er bezeichnet sie im Gegenzug als »Schwärmerin und Kunstfee« (S. 47) –, sind sie glücklich miteinander. Doch zu einer Heirat kommt es nicht, denn Hanna ist der Meinung, Faber wolle sie bloß heiraten, um nicht als Antisemit zu gelten (S. 57).

Folgende Äußerung, die Faber gegenüber Hanna macht, als sie ihm eröffnet, sie sei schwanger, führt dann zur endgültigen Trennung: »Ich hatte gesagt: Dein Kind, statt zu sagen: Unser Kind. Das war es, was mir Hanna nicht verzeihen konnte.« (S. 48) Faber hat damit in Hannas Augen seine Vaterrolle abgelehnt, denn er fühlt sich »zu unfertig, um Vater zu sein« (S. 47). Zudem ist ihm seine berufliche Karriere wichtiger, denn er geht kurz darauf nach Bagdad. Diese weit in der Vergangenheit zurückliegende Kränkung Hannas setzt eine Entwicklung in Gang, die ein unheilvolles Ende nimmt; ihr kommt in der Geschichte eine zentrale Bedeutung zu.

Faber wird nach seiner Rückkehr aus dem Dschungel von Ivy am Flughafen in New York abgeholt, obwohl er ihr einen Abschiedsbrief geschrieben hat. In dieser letzten Begegnung zwischen den beiden wird vom Autor eine gestörte, toxische Beziehung beschrieben, die von einer Hassliebe geprägt ist. Ivy bezeichnet Faber als »Rohling, ein Egoist, ein Unmensch« (S.58), kann sich aber nicht von ihm trennen, weil sie ihn liebt. Fabers Interesse beschränkt sich auf ihre Körperlichkeit, denn über ihr Leben weiß er im Grunde genommen nichts. Er fühlt sich von ihr sexuell angezogen und stellt sich als Opfer ihrer Verführungskünste dar, als es noch einmal zum Sex zwischen beiden kommt: »Ich glaube, Ivy wollte, daß ich mich haßte, und verführte mich bloß, damit ich mich haßte, und das war ihre Freude, die ich ihr geben konnte.« (S. 66) Um diesem Teufelskreis der Abhängigkeit zu entkommen, bucht er spontan für den nächsten Morgen eine Schiffsreise nach Europa. Faber fühlt sich glücklich über seine Entscheidung: »Ich hatte das Gefühl, ein neues Leben zu beginnen, vielleicht bloß, weil ich noch nie eine Schiffsreise gemacht hatte;« (S. 64)

Veröffentlicht am 17. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 17. Juli 2023.