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Homo faber

Autor
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1957
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Über das Werk

Der große Erfolg, den der Autor Max Frisch nach der Veröffentlichung seines Romans »Homo faber« im Oktober 1957 erzielt, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass er mit seinen Themen den Nerv der damaligen Zeit trifft. Die 50er-Jahre sind nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von der machtpolitischen Rivalität der beiden Siegermächte USA und UdSSR gekennzeichnet, die schließlich im sogenannten »Kalten Krieg« mündet. Im Wettlauf der Systeme geht es vor allem darum, den Gegner in Wissenschaft und Technik zu übertrumpfen, was schließlich ein wenig später fast zu einem Dritten Weltkrieg führt. Insofern wird das Thema des technischen Fortschritts und seine Auswirkungen auf die Menschheit in den Sozialwissenschaften, gerade von ihren bekanntesten Vertretern Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, stark diskutiert. 

In diesem spannungsgeladenen politischen Klima der 50er-Jahre kreiert Frisch mit Faber eine nüchterne, emotionslose Figur, die sich rein über Technik, Wissenschaft und Fortschritt definiert. Gefühle, Träumereien oder der Glaube an Fügung oder Schicksal sind ihr ein Gräuel. Der Autor interessiert sich vor allem für die Frage, was mit einem solchen Individuum passiert, wenn es in seinem Leben mit Zufällen konfrontiert wird, die sein technokratisches Weltbild erschüttern. So setzt er seinen Hauptprotagonisten harten Schicksalsschlägen aus, die in ihm einen Bewusstwerdungsprozess auslösen, in dem er zu sich selbst findet.

Der an Magenkrebs erkrankte Ingenieur Walter Faber verliebt sich unwissentlich auf einer Schiffsreise in seine eigene Tochter Sabeth, die wenig später auf ihrer gemeinsamen Reise durch Europa in Griechenland einen tragischen Unfalltod erleidet, und er selbst, so lässt sich vermuten, stirbt kurz darauf in einem Athener Krankenhaus an seiner Krankheit.

Mit dieser Thematik stellt Frisch den modernen Menschen und die Frage nach seiner Identität in den Mittelpunkt seines Romans. Der Autor lässt seinen Hauptprotagonisten Faber am Ende zwar scheitern, nicht aber ohne ihm noch vorher einen Entwicklungsprozess zuzugestehen, der in seinem Innern nach dem Tod seiner Tochter einsetzt. Fabers starres, technokratisches Weltbild zerbricht, und er beginnt, sein eigenes Leben zu reflektieren und es anzunehmen.

Frisch schreibt am Roman »Homo faber« knapp zwei Jahre (1955–1957), wobei er den Text mehrfach umarbeitet. In seinen Tagebüchern (1946–1949) finden sich dazu Gedankengänge, die er später in seiner Geschichte verarbeitet: Es ist die Frage nach der Rolle des Zufalls im modernen Leben und die Angst, er könnte zufällig einem Mädchen begegnen, das seine Tochter sein könnte, die den Schriftsteller umtreiben.

Zudem verarbeitet Frisch im Roman »Homo faber« auch Autobiografisches: seine Liebesbeziehung zu Käte Rubensohn, die als Jüdin aus Deutschland emigrieren muss und in Zürich studiert; seinen Heiratsantrag, den sie ablehnt, weil sie aus Liebe geheiratet werden will sowie die Trennung voneinander. Auch seine vielen Reisen, die er unternimmt – nach Texas, New York, Mexiko, Rom und Griechenland – fließen in das Werk mit ein.

Frischs »Homo Faber« kann als »moderner Klassiker« bezeichnet werden, denn die Themen, die er in den 50er-Jahren im Roman in seiner Hauptfigur Faber bündelt, haben bis heute nichts an ihrer Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil: Gerade durch den Einzug der neuen Medien stehen in der heutigen Gesellschaft mehr denn je die Problematiken im Raum, mit denen auch die Figur Faber in seiner Zeit schon zu kämpfen hatte. Frisch hat damals schon anhand seiner Hauptfigur eindrücklich aufgezeigt, wie sich der moderne Mensch permanent selbst aus dem Weg geht und sich durch das Wunder der Technik immer mehr betäuben und vereinnahmen lässt, wobei die Fragen nach der menschlichen Existenz und ihrer Endlichkeit verdrängt werden. In diesem Sinne kann der Autor sogar als Visionär bezeichnet werden, denn gegenwärtig wird immer klarer, dass auch durch den Segen des technischen Fortschritts das Überleben der Menschheit nicht mehr garantiert werden kann.  

Veröffentlicht am 27. Februar 2012. Zuletzt aktualisiert am 17. Juli 2023.

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