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Homo faber

Erste Station, S. 7-33

Zusammenfassung

Walter Faber, der Ich-Erzähler und Hauptprotagonist des »Berichts«, ist ein Schweizer Ingenieur, der für die internationale Organisation UNESCO arbeitet. In der Nacht vom 25.03.1957 befindet er sich auf einem Flug von New York nach Venezuela/Caracas. Die Maschine, eine Super-Constellation, startet wegen Schneestürmen mit drei Stunden Verspätung. Für seinen Sitznachbarn im Flugzeug, einen jungen deutschen Unternehmer aus Düsseldorf, der sich sofort bei ihm vorstellt, hegt Faber wenig Sympathie.

Er signalisiert ihm, dass er seine Ruhe haben möchte, denn er hat eine anstrengende Arbeitswoche hinter sich und ist müde. Dabei überlegt Faber noch, warum ihm das Gesicht des Deutschen bekannt vorkommt und schläft darüber ein.

Als er nach ein paar Stunden aufwacht, befindet sich das Flugzeug mittlerweile über dem Mississippi. Da er nicht mehr einschlafen kann, bestellt er sich sein Frühstück. Der Deutsche redet dabei auf ihn ein und spricht über die aktuelle politische Lage. Faber geht auf die Toilette und rasiert sich, um diesem Gespräch zu entgehen. Er überlegt, ob er seinen Sitzplatz wechseln kann, denn er mag die Deutschen nicht, mit Ausnahme seines Freundes Joachim.

Aufgrund technischer Probleme muss das Flugzeug in Houston (Texas) zwischenlanden. Hier bekommt Faber plötzlich die Eingebung, dass das Gesicht des Deutschen ihn an das seines Freundes Joachim erinnert. Um ihm in der Bar nicht zu begegnen, begibt er sich zur Toilette, in der er einen Ohnmachtsanfall erleidet. Als er wieder zu sich kommt, hört er schon die letzten Aufrufe für seinen Flug, sich doch schnellstmöglich zum Gate zu bewegen.

Faber spürt jedoch keinen Drang mehr, in den Flieger zu steigen und versteckt sich in einem Cabinet, um nicht doch noch in letzter Minute entdeckt zu werden und mitfliegen zu müssen. Als er sich schließlich wieder heraustraut, wird er von einer Stewardess entdeckt, die ihn persönlich zum Flieger begleitet.

Faber nimmt wieder neben dem Deutschen Platz, mit dem sich jetzt ein näherer Kontakt ergibt, da dieser eine interessante Geschichte zu erzählen hat. Der Unternehmer möchte zwischen Guatemala und Mexiko eine Zigarrenplantage aufbauen. Er besucht nun seinen Bruder, der dort schon lebt, wohl aber Probleme mit dem Klima zu haben scheint.

Nach diesem Gespräch fällt Faber in einen Traum. Als er erwacht, registriert er den Ausfall eines Motors. Das Flugzeug fliegt nun mit drei Motoren weiter und nimmt Kurs auf Tampico. In dieser Situation entwickelt Faber plötzlich Gesprächsbedarf und erzählt dem Deutschen, den er vorher ignoriert hat, von seinen früheren Erlebnissen in dieser Stadt. Der Unternehmer bleibt dabei jedoch wortkarg. Schließlich kommt es zu einer Notlandung in der Wüste von Tamaulipas in Mexiko. Die Bruchlandung geht glimpflich aus: Es wird niemand dabei verletzt.

Faber fügt in seinen Bericht eine kurze Reflexion über Zufall und Schicksal ein und erklärt ausdrücklich, dass er nicht daran glaubt. Er ist ein Anhänger der Wahrscheinlichkeitslehre und verweist in diesem Zusammenhang auch auf entsprechende Literatur zu diesem Thema. Jedoch markiert er die Notlandung als denjenigen Zufall in einer Kette von Zufällen, die dazu geführt habe, dass er Hencke kennengelernt, von Hanna gehört und erfahren habe, dass er Vater ist: Ja zu Sabeths Tod sei es ohne die Notlandung nicht gekommen.

Der Aufenthalt in der Wüste, bei dem eine Freundschaft zwischen Faber und dem deutschen Unternehmer entsteht, dauert 85 Stunden. In dieser Zeit spielen sie hauptsächlich Schach miteinander. Faber liebt dieses Spiel, da dabei wenig Konversation vonnöten ist. In den kurzen Gesprächen, die sie miteinander führen, erfährt er, dass es sich bei dem Deutschen mit Namen Herbert Hencke tatsächlich um den Bruder seines Studienfreundes Joachim handelt, von dem er seit zwanzig Jahren nichts mehr gehört hat. Dieser lebt nun als einziger Weißer auf der Plantage in Guatemala und hat schon seit zwei Monaten kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben. Des Weiteren erzählt ihm Hencke, dass sein Freund Joachim mit Hanna Landsberg, seiner ehemaligen Freundin, verheiratet gewesen war, die Ehe jedoch längst geschieden worden ist.

Faber nutzt die Zeit in der Wüste, um Ivy, seiner jetzigen Geliebten, einen Brief zu schreiben, indem er ihr die endgültige Trennung von ihr mitteilt.

Der Bericht enthält an dieser Stelle einen Rückblick auf die Jahre 1933-1935, geleitet von der Frage nach den Gründen dafür, dass Faber Hanna nicht geheiratet hat. Er war zu dieser Zeit noch Assistent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich und schrieb an seiner Dissertation. Für ihn kam eine Heirat zwar aus finanziellen Gründen nicht infrage, er wäre jedoch bereit dazu gewesen. Aus seiner Sicht war es Hanna gewesen, die eine Heirat damals ablehnte.

Analyse

Max Frisch nennt seinen Roman im Untertitel »Ein Bericht« und teilt diesen in »zwei Stationen« auf. Seine Leserschaft bekommt zu Beginn der »ersten Station« einen ersten Eindruck von der Persönlichkeit des Berichtenden, Walter Faber, der die bedeutendste Figur in der Geschichte darstellt. Alle anderen Figuren werden in seinen Aufzeichnungen ausschließlich durch seine Perspektive betrachtet.

Faber ist ein kühler, emotionsloser, fast 50-jähriger Mann, der als gebürtiger Schweizer in New York seinen Wohnsitz hat und als Ingenieur für die internationale Organisation UNESCO auf der ganzen Welt tätig ist. Er ist als Techniker davon überzeugt, dass sich jegliches Phänomen auf dieser Welt nur rationalistisch erklären lässt: Als Ich-Erzähler gibt er den Lesenden schon auf den ersten Seiten einen Einblick in seine Persönlichkeit. Seine Selbstaussagen dienen dazu, ihn als selbstbewussten und sachlichen Mann darzustellen: »Ich bin Techniker und gewohnt, die Dinge zu sehen, wie sie sind. Ich sehe alles […], ich bin ja nicht blind.« (S. 24) Das Gegenteil ist jedoch der Fall und durch die Ereignisse, die ihm widerfahren, wird dieses falsche Selbstbild Stück für Stück demontiert.

Der Autor setzt seine Figur zu Beginn der Geschichte in ein Flugzeug des Typs »Super-Constellation« (S. 7). So heißt das erfolgreichste Langstreckenflugzeug des US-amerikanischen Unternehmens Lockheed, das 1950 auf den Markt kam. Dass Faber von dem Flugzeugtyp überhaupt Notiz genommen hat, dass er sich zur Zeit der Abfassung seines Berichts noch daran erinnert, und schließlich dass er ihn in seinem Bericht erwähnt – das alles dient zur Charakterisierung der Hauptfigur.

Im Flugzeug macht Faber die Bekanntschaft mit seinem Flugnachbarn Herbert Hencke, den er als unsympathisch empfindet , sodass er in Erwägung zieht, sich einen anderen Platz zu suchen: »Ich war entschlossen, mich anderswohin zu setzen; […] so daß ich mich freier fühlte, sicherer […].« (S. 10) Instinktiv spürt er wohl hier schon, dass von Hencke eine Gefahr für ihn ausgeht. Sein Gesicht kommt ihm sogar bekannt vor: »irgendwie kannte ich sein Gesicht, ein sehr deutsches Gesicht.« (S. 8)

Wenig später wird deutlich, dass diese Person in der Tat für ihn gefährlich ist, denn sie konfrontiert ihn mit seiner Vergangenheit: Hencke ist der Bruder seines Jugendfreundes Joachim, der wiederum mit Hanna, seiner früheren Jugendliebe, verheiratet war. Insofern hat diese Figur eine zentrale Bedeutung, denn der Autor nutzt Fabers Begegnung mit ihr als Anlass für »eine ganze Kette von Zufällen« (S. 22), die darauf folgen.

Eine weitere wichtige Rolle spielt sie auch im Hinblick auf die deutsche Vergangenheit. Denn die Äußerungen Henckes, einem deutschen Jungunternehmer Anfang dreißig, spiegeln wider, dass die Deutschen das nationalsozialistische Gedankengut noch nicht abgelegt haben: »Unterscheidung nach Herrenmenschen und Untermenschen, wie`s der gute Hitler meinte, sei natürlich Unsinn; aber Asiaten bleiben Asiaten – « (S. 9). Die Deutschen bewegen sich nun schon wieder auf internationalem Parkett, so als hätten sie niemals die Welt in Schutt und Asche gelegt: »Dann machte er [Herbert], wie üblich nach dem zweiten Weltkrieg, sofort auf europäische Brüderschaft.« (S. 8) Auch zur Aufrüstung der beiden Großmächte, die in den 50er-Jahren den »Kalten Krieg« kennzeichnete, hat Hencke eine eigene Meinung, die eindeutig bezeugt, dass die Deutschen hier schuldlos seien: »Kein Deutscher wünsche Wiederbewaffnung, aber der Russe zwinge Amerika dazu, […], er kenne den Iwan, der nur durch Waffen zu belehren sei. Er kenne den Iwan!« (S. 9)

Faber fühlt sich angeschlagen, er spürt seinen Magen (S. 10), und bei einer Zwischenlandung wird er durch einen Blick in den Spiegel mit seinem todkranken Gesicht, »scheußlich wie eine Leiche« (S. 11), konfrontiert. Dies ist der Blick auf seinen realen, schlechten Gesundheitszustand, den er jedoch schnell verdrängt. Ein zweiter Hinweis ist der gleich darauffolgende Ohnmachtsanfall. Danach beschließt er, nicht mehr weiterzufliegen und versteckt sich in der Toilette. Die Aussage: »Ich weiß nicht, wieso ich mich eigentlich versteckte« (S. 13), macht deutlich, dass Fabers Selbstsicherheit immer mehr Risse bekommt. Er steigt jedoch wieder in den Flieger, der wenig später in der Wüste notlanden muss. Vor der Landung packt Faber die nackte Angst, er redet deshalb ohne Unterlass auf Hencke ein und greift nach seinem Arm – eine Verhaltensweise, die er verabscheut: »Ich hasse diese Manie, einander am Ärmel zu greifen.« (S. 17)

In der Wüste gelandet, versucht Faber, sich sofort innerlich wieder zu stabilisieren, um die Kontrolle über sich zurückzugewinnen. Bezeichnend ist, dass er seine Uhr dazu nutzt, denn technische Hilfsmittel geben ihm Sicherheit: Als Erstes gibt er die genaue Zeit der Landung an, dann zieht er seine Uhr auf (S. 21).

An dieser Stelle durchbricht Frisch den chronologischen Ablauf der Erzählung. Durch einen Kommentar Fabers wird den Lesenden zum einen deutlich, dass er die Ereignisse im Rückblick berichtet. Zum anderen wird ein erster Hinweis gesetzt, dass es durch eine »Kette von Zufällen« (S. 22) zum Tod seiner Tochter kam: »Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Wieso Fügung? Ich gebe zu: Ohne die Notlandung in Tamaulipas (26.III.) wäre alles anders gekommen; […] Vielleicht würde Sabeth noch leben.« (S. 22)

Natureindrücke seiner Mitreisenden in der Wüste belustigen Faber nur, und er bezeichnet sie als »weibisch« und »hysterisch« (S. 24). Da Faber selbst in seiner Gefühllosigkeit gefangen ist und ihm ein authentisches Erleben im Hier und Jetzt fremd ist, greift er wieder zu einem technischen Hilfsmittel, seiner Kamera, um die Sonnenaufgänge zu filmen.

Faber fühlt sich unwohl und nervös, da in der Natur keine Technik zur Verfügung steht, die er nutzen kann. Hier wird deutlich, wie sehr sein persönliches Empfinden von der Technik abhängig ist: » – das war es ja, was mich nervös machte: daß es in der Wüste keinen Strom gibt, kein Telefon, keinen Stecker, nichts.« (S. 27)

Die Kommunikation zwischen Faber und Hencke, die sich in der Wüste angefreundet haben, dient dem Autor zum einen dazu, die notwendigen Figuren – Fabers Jugendfreund Joachim, seine Jugendliebe Hanna und deren Tochter – einzuführen, die im weiteren Verlauf der Geschichte von zentraler Bedeutung sind. Zum anderen führt Frisch seinen Hauptprotagonisten Faber damit in eine direkte Auseinandersetzung mit seiner eigenen Vergangenheit, in deren Kern die eigentliche Wurzel für die späteren Ereignisse begründet liegt: Zwischen Faber und Hanna kam es damals nicht zu einer Heirat, da sie für Faber »wirtschaftlich betrachtet, abgesehen von allem anderen« (S. 33) nicht infrage kam. Der Autor lässt seine Leser hier noch über die eigentlichen Gründe der geplatzten Heirat im Unklaren, deutet aber durch Fabers Äußerung schon an, dass sich hinter diesem vergangenen Ereignis mehr zu verbergen scheint. Diese Anspielungen nutzt Frisch vor allem zum Spannungsaufbau seiner Geschichte.

Das Thema Heirat wird vom Autor auch in der Beziehung zwischen Faber und seiner Geliebten mit Namen Ivy aufgegriffen. Sie wird als typische oberflächliche Amerikanerin beschrieben und bildet somit die Gegenfigur zu Hanna. Im Gegensatz zur vergangenen Geschichte mit Hanna führt Faber mit Ivy ein emotionsloses Verhältnis, sodass für Faber eine Heirat, wie sie von ihr gewünscht wird, nicht infrage kommt: »Ich habe Hanna nicht geheiratet, die ich liebte, und wieso soll ich Ivy heiraten?« (S. 30) Aus diesem Grund schreibt Faber ihr in der Wüste noch einen Abschiedsbrief, in dem er ihr die Trennung mitteilt.

Veröffentlicht am 17. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 17. Juli 2023.