Skip to main content

Torquato Tasso

Über das Werk

»Torquato Tasso« ist das letzte der sogenannten klassischen Dramen Goethes (also »Iphigenie«, »Egmont« und eben »Tasso«). Es wurde 1789, im Jahr der Französischen Revolution, fertiggestellt und erst im Februar 1807 im napoleonisch besetzten Weimar auf Initiative der Schauspieler am Weimarer Hoftheater uraufgeführt. Es gilt als erstes reines Künstlerdrama der Weltliteratur.

Formal wie stilistisch nähert sich Goethe mit dem »Tasso« so weit an die Ideale der französischen tragédie classique an wie in keiner anderen seiner dramatischen Arbeiten. Das Personal wird von nur fünf adligen Figuren gestellt, die Handlung spielt an einem einzigen Frühlingstag und ist auf einen Schauplatz, das Lustschloss Belriguardo unweit von Ferrara, beschränkt. Die fünf Akte sind sorgfältig komponiert: Die drei Binnenakte und die beiden Rahmenakte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Binnenstruktur und hinsichtlich des auftretenden Personals. So fehlt in den Binnenakten immer eine Figur, während in den Rahmenakten alle Figuren einen wenigstens kurzen Auftritt haben. Die Binnenakte sind, mit einem transitorischen Monolog als Mittelachse, spiegelsymmetrisch gestaltet, in den Rahmenakten hingegen ist die Zunahme des Personals und der dramatischen Intensität das bestimmende Moment.

Titelfigur ist der Renaissancedichter Torquato Tasso (1544–1595). Die Handlung kann etwa auf das Jahr 1575 datiert werden. Tasso steht nach zehnjähriger Arbeit kurz vor der Vollendung seines Hauptwerks, des Epos »La Gerusalemme liberata«. Die Ehre, die er bei der in seinen Augen etwas verfrühten Übergabe des Manuskripts erfährt, erregt den Verdruss des gerade von einer diplomatischen Mission zurückkehrenden Staatssekretärs Antonio Montecatino. Das kaum noch verhüllte Liebesgeständnis der Schwester des Herzogs treibt Tasso dazu, die Freundschaft Antonios zu suchen, die dieser aber ablehnt. Der Konflikt eskaliert, und Tasso wird, weil er unerlaubt seinen Degen gezogen hat, unter Arrest gesetzt. Dank einer Reihe von Gesprächen kommt es zur Versöhnung und Tasso wird vom Herzog befreit; doch die Erniedrigung, die vermeintliche Abkehr der herzoglichen Schwester von ihm und seine ohnehin misstrauische Veranlagung bewegen Tasso dazu, den Versöhnten nur zu spielen. Er möchte sich vom Ferrareser Hof abwenden und bekommt eine Reise nach Rom bewilligt, auf der er sich seinen literarischen Kritikern stellen wolle. Die abermalige Begegnung mit der geliebten Prinzessin und die Einsicht in ihre unveränderte Neigung zu ihm führt aber zum Zusammenbruch der Fassade. Tasso verletzt den höfischen Verhaltenskodex erneut, indem er die Geliebte an sich zieht und umarmt. Nur Antonio bleibt bei ihm, ihn in seinem Wahnsinn zu stützen gewillt. Tasso nimmt die Stütze endlich an, wiewohl er nach wie vor Antonio für den Grund seines Unglücks hält.

Goethe selbst hat versucht, sein Stück von der Bühne fernzuhalten. Auch die zeitgenössische Kritik sah im »Tasso« ein undramatisches Drama, das der Charakterzeichnung zu viel Raum gegenüber der Handlung gebe. Dennoch waren die Aufführungen in Weimar, und dann auch in Berlin, ein Erfolg.

Das Stück berührt Themen wie die Stellung eines Künstlers am Hof, die künstlerische Produktion, die Funktionalisierung von Dichtung in Liebesbeziehungen, im Wettstreit der Höfe und für den weiblichen Ruhm, Melancholie, Paranoia, Eskapismus, die literarische Bukolik, Eitelkeit sowie höfische Umgangsformen im Allgemeinen.

Herausragendes Merkmal des Stückes ist die feine Gewichtung und Nuancierung der Konflikte. So gibt es nichts, was als Position des Stückes zweifelsfrei ausgemacht werden könnte. »Wenn man etwa von einer Kritik Tassos an der höfischen Ideologie und ihrer Tendenz zu extremer Veräußerlichung sprechen kann, so könnte man mit gleichem Recht aus dem Text eine Kritik des Hofes an dem ästhetischen Solipsismus Tassos und an dessen Hang zur extremen Innerlichkeit herauslesen.« (Hinderer, S. 190)

Veröffentlicht am 11. April 2024. Zuletzt aktualisiert am 11. April 2024.