Skip to main content

Torquato Tasso

Akt 4, Szene 1-5

Zusammenfassung

(IV, 1) Allein in seinem Zimmer, spricht Tasso mit sich über seine düstere Lage. Er wähnt sich halb träumend, oder wähnt das Glück, das er am Morgen noch erlebte, einen Traum. Gegenüber Antonio sieht er sich im Recht. Nur gute Absichten hätten ihn zu ihm getrieben und der Wink der Prinzessin. Die Aussprache mit ihr hält er als Erinnerung in allem Unglück fest. Er glaubt sich entschieden aus der Gunst des Herzogs gesetzt und weiß nicht, wohin er sich wenden soll.

(IV, 2) Gegenüber Leonore zeigt sich Tasso unwillig, von seinem Hass auf Antonio auch nur geringfügig abzulassen, ja er will sich in einer zerstörerischen Lust noch weiter darein vertiefen. Er begründet diese Haltung mit dem abweisenden Verhalten des Staatssekretärs, seiner belehrenden Art und seiner Unfähigkeit zuzuhören, mit dem Neid, den Tassos ästhetische Verdienste notwendig bei dem literarischen Dilettanten Antonio auslösen müssten und schließlich mit einer Art diätetischer Notwendigkeit: Der Mensch müsse lieben und eben auch hassen. Die wenig entschiedenen Einwände Leonores dringen nicht durch, und sie schlägt vor, er solle sich für eine Zeit vom Hof entfernen und mit ihr nach Florenz gehen, wo bedeutende Personen seine Gegenwart zu schätzen wüssten. In raschem Wortwechsel befragt Tasso sie nach der Haltung der Prinzessin, die, so Leonore, mit der Entfernung zufrieden sei, wenn sie Tasso nur gut bekäme. Sie kündigt Antonio an und spricht die Hoffnung aus, Tasso möge den guten Willen derer, die ihn umgeben, endlich erkennen.

(IV, 3) Tasso berät sich mit sich selbst. Er sieht den Herzog von seinen Feinden beeinflusst, und Leonore traut er nicht:
Die Zuneigung, die sie ihm gezeigt habe, sei von der Gunst abhängig gewesen, in der er gestanden habe; nun mache sie sich zum Werkzeug seiner Feinde, denn zwischen den in Florenz herrschenden Mediceern und dem Ferrareser Hof bestehe eine verdeckte Feindschaft; wenn Tasso in Florenz gut aufgenommen würde, könnte ihm das in Ferrara als Verrat angerechnet werden. So würde er endgültig aus der Gunst Alphons‘ verbannt. Er entschließt fortzugehen, doch nicht mit Leonore. Von der Prinzessin, die ihre Zustimmung zu seiner Entfernung signalisiert hatte, ist er enttäuscht.

(IV, 4) Antonio teilt Tasso die Befreiung mit und bittet für die Kränkung, die er ihm angetan hat, um Vergebung; beschimpft – so, dass er als Edelmann Rache fordern müsste – habe er ihn nicht. Tasso macht deutlich, dass für ihn die Kränkung schwerer wiege, dass die Erholung davon Zeit bräuchte. Antonio drängt – mit Verweis auf die umgekehrte Situation vorhin – darauf, nicht abgewiesen zu werden, und Tasso gibt nach.

Antonio bietet Tasso seine Dienste an und dieser formuliert gleich eine Bitte. Er wünsche, nach Rom zu gehen, um sich dort einem literarischen Gericht zu stellen, einer Versammlung seiner Freunde, die Einwände gegen sein Epos erhoben haben. Er wünscht, die Einwände zu prüfen, bevor er, auf sie hin, sich an eine Überarbeitung seines Werks machte Antonio widerrät: Gerade jetzt, wo er sein Werk dem Fürsten übergeben habe, sei seine Anwesenheit bei Hof geboten, um den Vorteil, den er dadurch gewinnen könne, nicht zu verspielen. Der Fürst würde ihn jetzt ungern gehen lassen und um etwas, das nur ungern bewilligt würde, sollte Tasso nicht bitten. Beide beharren auf ihren Positionen und im Hin und Wider der Argumente erhitzt sich Tasso, beginnt das eben gefasste Zutrauen zu Antonio wieder zu verlieren. Antonio bittet nur um einen kurzen Aufschub: Bis zu ihrer Rückkehr nach Belriguardo sollte Tasso warten, doch dieser schildert drastisch die Not, die ihn davontreibe. Er stellt Antonio vor die Wahl: entweder, mit seiner Hilfe, würde er im Guten und in der herzoglichen Gunst davongehen, oder er werde sich selbst helfen müssen und die herzogliche Gunst dabei aufs Spiel setzen. Antonio gibt nach, wiewohl er ihm den schlechten Ausgang prophezeit: Nach Ferrara werde Tasso sich rasch zurücksehnen und in Rom sein Ziel verfehlen.

(IV, 5) Allein mit sich, beglückwünscht sich Tasso zu der Kunst, sich zu verstellen, die er rasch gelernt habe. Antonio hingegen habe er durchschaut: Er wolle ihn vom Hof treiben, ohne so zu scheinen; er geriere sich als klugen Vormund Tassos und übe so seinen Einfluss auf Alphons und die Prinzessin. Er sagt sich selbst vor, wie er meint, dass Antonio über ihn spreche: dass das Talent zum Dichten bei ihm mit einigen schlimmen Eigenschaften einhergehe, die man nun nicht ändern könne. Er wundert sich, dass Antonio an einem Tag sein ganzes Glück zerstören konnte und sieht darin, dass die Prinzessin ihm noch keine Nachricht gesandt hat, ein klares Zeichen dafür, dass er auch sie verloren habe. Diesen Gedanken muss er sich immer wiederholen, denn hier verliert er den letzten Halt und die letzte Kraftquelle.

Analyse

Im vierten Akt ist die Prinzessin abwesend. Zu dem transitorischen Mittelmonolog, der schon den zweiten und dritten Akt in zwei Teile schied, sind nun zwei rahmende Monologe getreten; solche hatte es bisher nur im dritten Akt, und nur in rudimentärer Form gegeben.

Die Gespräche folgen aufeinander wie vorhergesagt. Leonore spricht zuerst, dann Antonio mit Tasso. Die Versöhnung findet statt, und obwohl der Konflikt neu aufzubrechen droht, als Antonio Tasso gleich die erste Bitte versagen will, überwindet der Staatssekretär sich, gibt wider besseren Wissens nach und rettet so den Frieden.

Die ausführliche Aussprache Tassos in den Monologen setzt den Zuschauer in den Glauben, die Absichten und Pläne des Helden zu kennen – doch wird er in dem Gespräch mit Antonio überrascht: Die Romfahrt, die Tasso unternehmen will, um sich den dort versammelten Kritikern seines Epos zu stellen, ist ein völlig neues Element der Handlung, das eigentlich seinen Beitrag zum guten Ausgang des Stückes leicht spielen können sollte. Denn ist dies nicht das Hinausgehen in die Welt, das Sich-Stellen der Kritik, das Alphons für die Zeit nach der Fertigstellung des Epos für seinen Schützling vorgesehen hatte (vgl. 283-301)? Von daher ist nicht ganz nachvollziehbar, warum Antonio ihn so dringend davon abhalten will.

Weiter bilden Aufbrüche den Fluchtpunkt der Handlung: Nicht mehr die Aufbrüche der Nebenfiguren, sondern die möglichen Aufbrüche Tassos. Leonores Intrige scheint vorerst gescheitert: Tasso misstraut ihr zurecht, ohne sie doch durchschaut zu haben. Er wähnt sie Teil der allgemeinen Verschwörung, die zum Ziel habe, ihn aus der herzoglichen Gunst zu setzen. Als hauptsächlichen Antagonisten sieht er immer noch Antonio, der den Schritt auf ihn zu nur mache, um beiläufig umso wirksamer seine Einschätzung von Tassos Charakter zu verbreiten: Er sei ein begabter Dichter mit vielen Fehlern, die man um der Begabung Willen dulden müsse (vgl. 2757-2771; diese Einschätzung Tassos von Antonios Einschätzung seiner selbst liegt nicht weit daneben – vgl. 2163-2168; nur kann Tasso nicht begreifen, dass Antonio so nüchtern und realistisch von ihm denken, und dennoch guten Willens sein kann).

Die Entscheidung, die dem fünften Akt aufgegeben wird, ist somit vor allem eine psychologische: Kann Tasso seinen Verfolgungswahn überwinden und – was die Prinzessin ihm aufgegeben hatte – zu einem harmonischen Verhältnis mit seinen Mitmenschen zurückfinden? Dass er selbst sich Antonio gegenüber zu verstellen gezwungen sieht, scheint dagegen zu sprechen. Doch was er in den Monologen sagt, hat niemand gehört, und ihm bleibt die Möglichkeit, bei sich sein vernünftigeres Verhalten Antonio gegenüber (er nimmt seine Entschuldigung an) für das bessere zu erkennen.

Eine entscheidende Rolle – darauf bereitet ihre aktlange Abwesenheit vor – wird fraglos der Prinzessin zukommen.

Die thematische und motivische Dichte der ersten beiden Akte wird übrigens vom Autor jetzt nicht durchgehalten. Die fortschreitende, immer wieder auf Entscheidungen zusteuernde Handlung verlangt dies. Thematischer Horizont wird mehr und mehr, was im Stück bereits geschehen ist.

Veröffentlicht am 11. April 2024. Zuletzt aktualisiert am 11. April 2024.