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Der Untertan

Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1918

Über das Werk

»Der Untertan« ist ein satirischer Roman von Heinrich Mann und handelt vom Leben und dem Aufstieg des autoritären Charakters Diederich Heßling während des Wilhelminischen Zeitalters. 

»Der Untertan« gehört zu den »kaiserlichen« Romanen Heinrich Manns neben »Die Armen« (1917) und »Der Kopf« (1925) und hatte ursprünglich als Untertitel »Geschichte der öffentlichen Seele in Deutschland«. Das Werk gilt als eines der bedeutendsten, großen Gesellschaftsromane der Weltliteratur, das das Wilhelminische Gesellschaftspanorama und den darin lebenden Untertanen als autoritären Typus beleuchtet. 

Heinrich Mann behandelte das kaiserliche Deutschland bereits auf satirisch überspitzte Weise in seinem 1900 erschienenen Roman »Im Schlaraffenland« sowie in seinem 1905 erschienenen Roman »Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen«. Der Roman folgt formal dem Muster eines typischen Bildungs- und Entwicklungsromans, ist jedoch satirisch überspitzt. Während in einem Bildungsroman der Fokus auf die positive Entwicklung eines Individuums gelegt wird, korrumpiert der Protagonist Diederich Heßling seinen Charakter im Laufe seines Lebens immer mehr und fühlt sich nur in der Masse stark und sicher. 

Das sogenannte Wilhelminische Zeitalter begann mit der Ernennung des preußischen Königs Wilhelm I. 1871 zum neuen deutschen Kaiser und endete mit der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg 1918 sowie dem Rücktritt des Kaisers Wilhelm II. Im Roman wird die Regierungszeit von Wilhelm II. behandelt, die von 1888 bis 1918 andauerte. Reale historische Ereignisse finden sich auch in »Der Untertan« wieder, wie z. B. die Märzrevolution 1848, an der welcher der alte Buck teilnahm. Auch der Personenkult um den Kaiser Wilhelm II. wird im Roman satirisch überspitzt wiedergegeben, denn die Schnurrbartspitzen von Diederich sind nicht nur nach oben frisiert, sondern »bis zu den Augenwinkeln« hochgebogen. Die Uniformleidenschaft des Kaisers, der sich teilweise sechs Mal am Tag umzog, findet sich auch in der Uniformanbetung von Diederich wieder, der den Militarismus als eine Machtentität geradezu anbetet. Aber auch sein Vorgänger Bismarck wurde geradezu kultisch verehrt und erhielt in beinahe jeder größeren Stadt ein bronzenes Denkmal. Zum 100-jährigen Geburtstag von Wilhelm I. wurden in deutschen Städten ebenfalls zahlreiche Denkmäler eingeweiht. In »Der Untertan« erreicht Diederich, dass anstatt eines Säuglingsheims ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal errichtet wird und kämpft mit allen Mitteln für dieses Ziel. 

Auch die Gründerjahre im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts kommen im Roman vor, denn durch den damaligen wirtschaftlichen Aufschwung und die Industrialisierung konnten sowohl Diederichs Vater als auch der alte Buck die Grundlagen für ihren wirtschaftlichen Erfolg legen. So konnte Diederichs Vater seine Papierfabrik aufbauen und zu einem solide laufenden Unternehmen führen. Auch Diederich will sich mit einer neuen Maschine modernisieren und weiter expandieren. 

Es folgten jedoch der Gründerkrach und die Depression mit einem Höhepunkt im Jahr 1873, was die Klassenunruhen noch verstärkte, sowie die Arbeitslosenkrawalle in Berlin 1892, die sich ebenfalls im Roman wiederfinden. 

Die 1869 gegründete und immer stärker werdende Sozialdemokratische Arbeiterpartei wird im Buch durch Napoleon Fischer symbolisiert. 1890 wurde die Partei bei den Reichstagswahlen zur stärksten deutschen Partei. Im Roman paktiert Diederich immer wieder mit den Sozialdemokraten, um seine eigenen Belange durchzusetzen. 

Das Werk wurde 1951 verfilmt und erschien 1971 als Hörspiel im WDR. In der DDR gehörte »Der Untertan« zum Lehrplan im 9. und 12. Schuljahr. Der Roman wurde 1978 von der »Zeit« in die »100 Bücher der Weltliteratur« aufgenommen.

Veröffentlicht am 18. August 2022. Zuletzt aktualisiert am 10. Oktober 2022.