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Der Untertan

Kapitel 6

Zusammenfassung

In Zürich angekommen, genießt das frisch verheiratete Paar zunächst ihre Hochzeitsreise. Doch dann liest Diederich in der Zeitung, dass der Kaiser unterwegs nach Rom ist und so brechen die beiden auf, um dem Kaiser hinterher zu reisen. Es entsteht sogar eine Art Wettrennen, wer früher in Rom ankommt – Diederich oder sein Kaiser. Am Bahnhof angekommen stellt Diederich fest, dass der Kaiser zeitgleich in Rom angekommen ist und durchbricht sämtliche Absperrungen, um in die Nähe des Kaisers zu kommen. Es gelingt ihm, direkt vor den Wagen des Kaisers zu kommen und für einen Moment seine Aufmerksamkeit zu erhaschen – er wird vom Kaiser mit einem Lächeln belohnt. Danach wartet Diederich vor jeder Station des Kaisers auf ihn, salutierend, jubelnd oder Wache haltend. Und während Diederich auf seinen Kaiser wartet, wartet Guste allein auf ihren Diederich im Hotel.

Diederich verhindert sogar ein vermeintliches Attentat und überwältigt einen verdächtig aussehenden Künstler, der sich hinter einer Säule versteckt und eine vermeintliche »Bombe« wirft – einen Beutel mit Zahlpulver. Dennoch schafft es Diederich mit seiner Heldentat in die Zeitung und ist sehr stolz darauf. Am Tag der Abreise erfährt Diederich, dass der Kaiser den Reichstag aufgelöst hat.

Da Guste bei der eiligen Abreise ihre Zahnbürste im Hotel vergessen hat, kehren sie in Netzig in eine Apotheke ein. Dort trifft Diederich auf Gottlieb Hornung, der sich weigert, Zahnbürsten und Schwämme zu verkaufen als »Studierter« und ehemaliger Neuteutone. Bereits fünf Anstellungen hätte er wegen dieser Einstellung verloren, doch Diederich gefällt sie. Da er einen nationalen Kandidaten aufstellen will, lädt er Hornung zu sich nach Hause ein, um die Angelegenheit zu besprechen und Hornung mit seiner aristokratischen Herkunft und nationalen Gesinnung auf seine Seite zu ziehen.

Seine Mutter und Emmi quartiert Diederich in einem alten Dienstmädchenzimmer ein und arrangiert ein Treffen mit Kunze, Kühnchen und Zillich, um seine politischen Angelegenheiten weiter voranzutreiben, da die Sitze des aufgelösten Reichstags neu besetzt werden müssen. Kunze, der laut Diederich in den Reichstag soll, glaubt nicht an den Sieg eines nationalen Kandidaten, doch Diederich verspricht ihm ein Denkmal gegenüber dem Kaiser-Denkmal, da er so viel für Netzig getan hätte. Nach weiterer Überredung schlägt Kunze schließlich zögerlich ein. Diederich legt noch einen Orden obendrauf, Zillich verspricht er die Reparatur seiner Kirche und Kühnchen eine Rektorenstelle. Nachdem die drei eine »gesunde Grundlage der Interessen« festgelegt haben, konzentrieren sie sich wieder auf die Politik – Major Kunze wird offiziell als nationaler Kandidat für den Reichstag aufgestellt. Alle drei machen sich sogleich an den Wählerfang – Kunze im Kriegerverein, Kühnchen bei seinen Schülern und Zillich bei seiner Gemeinde.

Diederich spricht sich in der »Netziger Zeitung« gegen das Säuglingsheim aus, das in erster Linie für uneheliche Kinder gedacht sei und das Laster begünstigen würde. Weiter appelliert er an die Netziger Bewohner, dass sie möglichst viele »deutsche« Kinder zur Welt bringen.

Nach diesen Vorarbeiten findet schließlich die erste Wahlversammlung der »Partei des Kaisers« bei Klappsch statt. Aber auch Heuteuffel, Cohn und ihre Freunde sind in der Kneipe, was Diederich nicht passt. Kunze lässt sich bei seiner Antrittsrede sogleich verunsichern und verheddert sich in seiner Rede, dennoch erntet er soliden Applaus vom Kriegerverein. Auch Hornung verheddert sich und erntet für seine Arroganz Spott und Häme. Der nächste Redner Heuteuffel bringt das Thema »Säuglingsheim« auf und wird zugunsten Diederichs, der als Nächster das Wort an sich reißt, von der Runde zum Verstummen gebracht.

Er spricht sich wieder für das Kaiser-Denkmal aus und was es symbolisiert – eine Huldigung an die Großväter und ein Versprechen an die Enkel, sich stets den Werten der nationalen Gesinnung verpflichtet zu fühlen. Als Diederich sich immer weiter gegen die Humanität ausspricht, verlassen die liberalen das Lokal. Diederich hat sich im Laufe des Abends heiser geschrien und gruselt sich bereits vor dem gereizten Heuteuffel, der ihm den Hals pinseln soll. Dieser verbietet ihm zusätzlich das Ausgehen, was Diederich angesichts des tobenden politischen Kampfes besonders schwerfällt.

Während Guste sich mit Mutter Heßling streitet, fällt Diederich die geknickte Emmi auf. Auch mit Emmi zerstreitet sich Guste, da diese ihr den Leutnant von Brietzen nicht gönnt. Von den Streitigkeiten zu Hause genervt, widmet sich Diederich wieder der Politik zu. Fischer wird nämlich die »Partei des Kaisers« zu stark und sie würde gegen die Sozialdemokratie hetzen. Diederich verspricht ihm wieder das sozialdemokratische Gewerkschaftshaus und will sich gleich bei der Versammlung darum kümmern. Doch Cohn und seine Genossen kommen ihm mit dem Antrag zuvor und Diederich kann nur hilf- und stimmlos zusehen. Diederich will Fischer daraufhin entlassen, da dieser sich mit den Freisinnigen eingelassen hat, doch Fischer lässt sich nicht so leicht loswerden. Diederich hat Angst, dass Fischer seine Geheimnisse ausplaudern könnte und beschwichtigt ihn mit einer Zigarre. Fischer erzählt ihm im Gegenzug, dass der alte Buck überall herumerzählt, dass Diederich der Nationalismus nicht so wichtig sei und er nur die Papierfabrik Gausenfeld im Blick habe und dass er Klüsing mit seiner Angst vor Auftragsentzug zum Verkauf bewegen will. Diederich ist außer sich vor Wut und glaubt sogar, dass der alte Buck mit von Wulckow gemeinsame Sache macht. Nun wittert Diederich hinter jeder Handlung seiner Mitmenschen Fallen und Intrigen – orchestriert durch den alten Buck.

Zu Hause findet Diederich Emmi vor dem Fenster, als würde sie auf jemanden warten. Guste unterrichtet sie darüber, dass der Leutnant Brietzen sich habe versetzen lassen, was Emmi einen heftigen Schlag versetzt. Sie rennt in ihr Zimmer und verbarrikadiert sich dort. Diederich folgt ihr und Emmi lässt ihn herein. Sie hatte versucht, sich mit Chloroform umzubringen, was Diederich sehr besorgt. Und obwohl er innerlich ehrlich besorgt um sie ist, spricht er dennoch nur von der Schande, die sie über die ganze Familie bringen würde und der Ehre, die dadurch in Gefahr sei.

Am nächsten Tag macht Diederich sich auf den Weg zum Leutnant von Brietzen, um ihn wegen Emmi zu sprechen. Er findet sich in derselben Rolle wieder, in der damals der alte Göppel vor ihm stand und ihn wegen Agnes sprechen wollte. Von Brietzen fordert ihn sogar zum Duell heraus, wie Diederich früher den alten Göppel. Diederich knickt ein und verlässt unverrichteter Dinge das Haus. Durch diese Geschichte aufgewühlt schreibt er nach Berlin und erkundigt sich nach Agnes. Agnes ist inzwischen verheiratet und relativ gesund, was er mit gemischten Gefühlen aufnimmt.

Schließlich ist der Wahltag da und Diederich wird in seinem Schlafzimmer von Fischer überrascht. Fischer ist wütend, weil er sich von Diederich verraten fühlt, da er sich bei Heuteuffel angebiedert haben soll. Fischer versichert ihm, dass wenn die Sozialdemokraten nicht in den Reichstag kommen, die Streiks losgehen würden. Nachdem Fischer ihn wieder verlassen hat, geht Diederich durch die Stadt, um die Stimmung einzufangen. Zillich und Kunze reagieren verhalten, was Diederich wieder Verrat durch den alten Buck wittern lässt. Nachdem er den ganzen Tag auf Stimmenfang unterwegs war, wird abends das Ergebnis verkündet – Stichwahl zwischen Heuteuffel und Fischer.

Als er nach der Wahl nach Hause zurückkehrt, erreicht ihn ein Brief aus Gausenfeld – Klüsing will seine Fabrik an ihn verkaufen. Diederich vermutet von Wulckow hinter dem plötzlichen Kaufangebot und erhält im Brief vermeintlich zusätzlich Munition gegen den alten Buck und die Seinen.

Abends wird eine Versammlung im großen Saal der »Walhalla« einberufen und dort mischen sich diesmal die Nationalen unter die Freisinnigen. Auf dieser Versammlung stellt sich Diederich dem alten Buck und behauptet, er hätte sein Haus dem Säuglingsheim überlassen müssen, an dem der alte Buck Interesse gezeigt haben soll. Da er sich gewehrt habe, ginge man nach Gausenfeld und hätte zu zweit das Vorkaufsrecht angemeldet, damit dort das Säuglingsheim gebaut werden kann. Einer der beiden Herren sei Cohn gewesen. Dieser will sich auf der Bühne verteidigen, doch es gelingt ihm nicht so recht. Es bricht ein allgemeiner Tumult aus, der von dem anwesenden Polizeibeamten passiv zur Kenntnis genommen wird.
Der zweite der beiden vermeintlichen Käufer sei Kühlemann gewesen, aus dessen Erbe das Säuglingsheim errichtet werden soll. In diesem Moment erreicht die Versammlung die Nachricht, dass Kühlemann verstorben ist.

Später marschiert der Kriegerverein – angeführt von Kühnchen – durch die Straßen Netzigs Richtung Wahllokal, um Fischer zu wählen. Auch Diederich marschiert stolz mit und setzt damit ein Zeichen gegen den alten Buck und die Freisinnigen. Fischer gewinnt schließlich haushoch gegen Heuteuffel und die »Netziger Zeitung« führt dies auf die Hilfe der »Partei des Kaisers« zurück. Bei der Wahl zwischen dem Säuglingsheim und dem Kaiser-Denkmal wählen die Sozialdemokraten das Denkmal. Der alte Buck legt währenddessen Klage gegen die Zeitung »Die Volksstimme« ein.

Der alte Buck muss sich bei Diederich Geld leihen, da er inzwischen wirtschaftlich beinahe ruiniert ist. Diederich lässt sich für seinen Großmut feiern und erfährt nebenbei von Jadassohn, dass Käthchen Zillich nach Berlin gegangen ist.

Gausenfeld ist inzwischen durch Gerüchte gebeutelt, die Aktien fallen und Arbeiter werden entlassen. Der alte Buck musste die Arbeiterentlassungen in die Wege leiten, da er Vorsitzer des Aufsichtsrates ist – dies schadet seinem Ansehen sehr.

Nun rollt der Prozess des alten Bucks gegen die Zeitung an und die Gerüchte, der alte Buck habe mit Klüsing gemauschelt, verdichten sich. Der alte Buck will hingegen klargestellt haben, dass es der verstorbene Kühlemann gewesen sei, der mit Klüsing verhandelt habe. Diederich stellt in seiner Aussage fest, dass er den Namen des alten Buck nie genannt habe und ihm keinesfalls schaden wolle. Derweil berichtet die »Netziger Zeitung« von Diederich als den Großaktionär von Gausenfeld und seiner Einberufung als Generaldirektor. Der alte Buck gewinnt den Prozess und die »Volksstimme« wird zu einer geringen Strafe von fünfzig Mark verurteilt. Dennoch ist der alte Buck gesellschaftlich ruiniert. Er legt sein Amt als Stadtrat und sein politisches Amt nieder.

Diederich, der heimlich mehr als die Hälfte der Aktien von Gausenfeld gekauft hat, füllt nun das Amt des Generaldirektors aus. Er verhindert einen Streik und bringt die Fusion der Gausenfelder und seiner Fabrik über die Bühne. Er greift in der neuen Fabrik wieder hart durch und wird von der »Netziger Zeitung« in den höchsten Tönen gelobt. Diederich prozessiert mit Kienast, der weiterhin die Gewinne aus Diederichs Fabrik haben will, doch Diederich will durch die Fusion mit Gausenfeld nichts mehr davon wissen.

Eines Tages erreichen anonyme Briefe mit obszönem Inhalt Guste und Diederich. Auch Magda erhält solche Briefe, Emmi ebenfalls. Mit der Zeit stellt sich heraus, dass viele Einwohner Netzigs diese Briefe erhalten haben sollen. Nachdem Gottlieb Hornung Diederich unter vier Augen gesteht, dass er durchaus solche Briefe geschrieben haben könnte, wird er als Hauptverdächtiger angeklagt. Er gibt die Tat zu und muss für einige Zeit in ein Sanatorium. Nach seiner Entlassung aus dem Sanatorium bietet ihm Diederich eine Summe Geld, damit er Netzig verlässt.

Guste bekommt mit Diederich 3 Kinder – Gretchen, Horst und Kraft. Sie leben ein nach außen hin ordentliches, gottesfürchtiges Leben mit sonntäglichen Kirchgängen. Hinter den Kulissen jedoch besucht Diederich mit anderen Herren der Stadt Käthchen Zillich, die inzwischen als Prostituierte arbeitet. Er und Jadassohn nähern sich wieder an, auch Jadassohn ist ein guter Kunde bei Käthchen. Währenddessen nähert sich Wolfgang Buck, der wieder in der Stadt ist, Emmi an. Der alte Buck leidet inzwischen an einem Herzleiden.

Das Kaiser-Denkmal nimmt langsam seine Form an und der Zeitpunkt der Enthüllung steht bald bevor. Diederich soll bei der Enthüllung die Festrede halten, was für ihn ein weiterer Beweis seiner wachsenden Macht ist. Von Wulckow währenddessen büßt seine Macht ein und buckelt sogar vor Diederich, welcher ihn kühl abblitzen lässt.

Der Tag der Denkmalenthüllung ist gekommen und alle wichtigen Protagonisten aus Netzig sind dabei. Nach einem Disput um die besten Sitzplätze beginnt die Zeremonie. Diederich hält eine leidenschaftliche Rede auf den Kaiser, als das Wetter plötzlich umschlägt und es sogar zu blitzen anfängt. Diederich lässt sich davon nicht irritieren und hält weiterhin seine Rede, während das Publikum langsam unruhig wird. Das Denkmal wird enthüllt und es beginnt zu regnen. Schließlich »platzt« der Himmel auf und ein Unwetter bricht über die Bürger Netzigs herein. Diederich versteckt sich unter dem Rednerpult und bekommt in dieser Haltung einen Wilhelmsorden von einem Schutzmann überreicht. Dann macht er sich auf den Weg in die Innenstadt und passiert dabei das Haus des alten Buck. Er schleicht sich hinein und sieht den alten Buck im Sterben liegen, umgeben von seiner Familie. Dieser sieht Diederich, erschreckt sich und verstirbt.

Analyse

Diederich unterbricht seine Hochzeitsreise, um dem Kaiser nach Rom zu folgen und ihm auf jeder Station in Rom zuzujubeln. Damit ist er der Inbegriff des Untertanen und obrigkeitstreuen Bürgers, der sich der absoluten Macht vollkommen unterwirft. Als er erfährt, dass der Kaiser den Reichstag aufgelöst hat, macht er sich jedoch sofort auf den Weg zurück nach Netzig, um seine eigenen politischen Interessen weiter zu verfolgen. Dies alles tut er seiner Auffassung nach im Sinne des Kaisers, da er ihm ein Denkmal errichten will. Dafür paktiert er abermals mit Napoleon Fischer, damit dieser gewählt und sein Denkmal genehmigt wird, denn seine eigene »Partei des Kaisers« ist bei der Wahl chancenlos.

Schließlich kommt es zur Stichwahl zwischen dem Sozialdemokraten Fischer und dem Freisinnigen Heuteuffel. Diederich nutzt einen Brief seines Konkurrenten Klüsing, der ihm seine Papierfabrik anbietet und verbreitet das Gerücht, der alte Buck hätte mit Klüsing gemeinsame Sache gemacht, um sich zu bereichern. Hier wird deutlich, dass Diederich jedes Mittel recht ist, um seine Konkurrenz auszuschalten und immer weiter nach oben zu gelangen. Der alte Buck bricht zusammen und mit ihm politisch die Freisinnigen, denn Fischer gewinnt die Wahlen. Damit beginnt der endgültige Abstieg des alten Buck, der zwar gegen eine Zeitung, die Diederichs Gerücht verbreitet hat, gewinnt, gesellschaftlich jedoch als Verlierer behandelt wird. Schließlich ist er auch finanziell ruiniert und muss sich von Diederich aushelfen lassen. Am Ende ist er gezwungen, sein Amt im Stadtrat und den Parteivorsitz niederzulegen.

Diederich wiederum wird durch Aktienspekulationen Großaktionär und Generaldirektor von Gausenfeld und gewinnt auf der ganzen Linie. Durch Intrigen, Manipulationen und rücksichtsloses Verhalten hat er alle seine Ziele erreicht – er kauft die eigene Papierfabrik und wird durch die Fusion mit Gausenfeld konkurrenzlos, er bekommt sein Denkmal und ist der alleinige Patriarch in seiner Firma und Familie.

Am Tag der Denkmalenthüllung wird ihm die Feier durch ein heftiges Gewitter verdorben, doch da er einen Orden erhalten hat, ist er guter Dinge. Mit Orden, Schärpe und dem Habitus des Kaisers sieht er den alten Buck im Sterben liegen. Dieser erschreckt sich bei seinem Anblick und verstirbt - und mit ihm der Liberalismus in Netzig.

Veröffentlicht am 12. Oktober 2022. Zuletzt aktualisiert am 12. Oktober 2022.