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Der Untertan

Kapitel 4

Zusammenfassung

Diederich gerät in einen Streit mit seinen Schwestern, die ihr monatliches Toilettengeld von ihm nicht bekommen, da die Rechnung vom Ratskeller so hoch ist. Schließlich schreibt er einen Brief an die Firma Büschli & Co., um eine neue Maschine für die Papierfabrik, einen sog. Holländer, zu bestellen. Sötbier rät ihm davon ab, doch Diederich ist fest entschlossen. In seiner Verzweiflung holt Sötbier den Maschinenmeister Napoleon Fischer dazu, der bestätigen soll, dass die jetzige Maschine hervorragend ihren Dienst tut. Doch auch hiervon lässt sich Diederich nicht beeindrucken und bestellt den Holländer.

Anschließend geht er zu Dr. Heuteuffel, um seinen Brief, den er ihm während seiner Militärzeit geschrieben hatte, zurückzufordern. Schließlich könne dieser Brief ihn als Feigling und Drückeberger entlarven und dies kann Diederich nicht zulassen. Heuteuffel jedoch lenkt Diederich ab, indem er Untersuchungen an ihm durchführt und vermeintliche Leiden entdeckt. Vor der Arztpraxis stößt er auf Jadassohn, mit dem er in eine Kneipe geht.

Jadassohn berichtet Diederich von seinem Plan, Anklage gegen Lauer wegen Majestätsbeleidigung zu erheben. Diederich ist unsicher, doch Jadassohn ist fest entschlossen, auch, weil es seiner Karriere guttun würde. Er versichert Diederich, dass sämtliche zu dem Zeitpunkt Anwesenden seine Aussage bestätigen würden, doch dieser ist weiterhin unsicher und möchte keinen »anständigen« Menschen wie Lauer ins Gefängnis bringen. Sie verabschieden sich recht kühl und gehen auseinander.

Als Diederich am nächsten Tag die Bestätigung seines Telegramms durch den Kaiser in dem Berliner »Lokalanzeiger« liest, gibt ihm das wieder die Bestätigung, dass er rein im Sinne des Kaisers handelt und sogar seine Worte vorausahnen kann. Mit diesem neu gewonnen Schwung stattet er Guste Daimchen einen Besuch ab und trifft dort auf ihre Mutter, die Frau Oberinspektor Daimchen. Guste eröffnet Diederich, dass sie überlegt, mit ihrem Verlobten Wolfgang Buck nach Berlin zu ziehen. Nach seinem bestandenen Staatsexamen könne er dort Karriere machen. Ihre Mutter und Diederich sind dagegen, doch Guste schmettert ihre Bedenken ab. Diederich versucht, Guste Wolfgang Buck auszureden, doch sie hat nur Verachtung für ihn übrig. Diederich findet Guste plötzlich doch nicht passend für ihn, zudem Jadasson herausgefunden hatte, dass sie nur fünfzigtausend Mark geerbt hat anstatt einer Million. Er konzentriert sich fortan auf Käthchen Zillich, besonders da sie die einzige ist, die angesichts des Prozesses gegen Lauer auf seiner Seite steht.

Vor dem Prozess wird Diederich von allen gemieden, auch in der Kneipe sitzt er inzwischen allein am Tisch. Als der Major Kunze widerwillig zu ihm stößt, spricht Diederich ihn auf seine anstehende Mitgliedschaft im Kriegerverein an. Major Kunze lehnt dies entrüstet ab und zweifelt sogar seinen Militärdienst an. Kaum verlässt er Diederichs Tisch, kommt der Landgerichtsrat Fritzsche dazu, der Diederichs Aussage, die zur Anklage gegen Lauer geführt hat, ebenfalls missbilligt – zudem ist er mit der Familie Lauer eng befreundet. Beide sind sich darüber einig, dass er in seinem »jüdischen Radikalismus« über die Stränge schlägt. Die Zeitungen sind ebenfalls auf der Seite des Fabrikanten Lauer, was Diederichs Ansehen in Netzig nicht gerade zugutekommt. Sie berichten zudem über Lauers Großzügigkeit gegenüber seinen Arbeitern, die er am Gewinn seiner Fabrik beteiligt. Auch Diederichs Geschäfte leiden, denn die Aufträge bleiben aus, sodass er ein Drittel seiner Belegschaft entlassen muss und die Anzahlung für den neuen Holländer nicht leisten kann. Seine Schwestern und seine Mutter bekommen die Kälte der guten Netziger Gesellschaft ebenfalls zu spüren und machen Diederich dafür verantwortlich.

Um wenigstens das Problem des zu teuren Holländers zu lösen, versucht Diederich, diesen noch vor der Ankunft zu reklamieren. Es gelingt ihm, den Maschinenmeister Napoleon Fischer für seine Zwecke zu gewinnen, indem er ihm die Überstunden bezahlen will. Der Maschinenmeister bestätigt sehr gerne, dass der Holländer nichts tauge und ist bereit, dies der Firma Büschli & Cie. zu bestätigen. Die Firma jedoch weigert sich, den tadellosen Holländer zurückzunehmen, woraufhin Diederich mit einer Klage droht. Die Firma antwortet, indem sie den Prokuristen Friedrich Kienast schickt, um die Maschine in Augenschein zu nehmen. Sämtliche Reklamierungsversuche seitens Diederichs und des Maschinenmeisters schlägt Kienast aus, findet jedoch Gefallen an Magda, wegen der er gerne noch einmal vorbeikommt. Emmi beobachtet dies alles eifersüchtig, da sie als die ältere Schwester ein Anrecht auf die erste Heirat zu haben glaubt. Schließlich einigen sich Diederich und Kienast auf eine Verheiratung Kienasts mit Magda und die Rücknahme des Holländers. Auf einem gemeinsamen Spaziergang treffen sie auf Wolfgang Buck, der Diederich eröffnet, dass er Lauer beim Prozess vertreten wird. Zudem bittet er Diederich, sich Guste anzunehmen, da er in Berlin »beschäftigt« sei. Diederich lehnt dies empört ab.

Zu Hause stellt er fest, dass seine Mutter seine Vorladung hat verschwinden lassen. Sie solle ihm nicht die Laune verderben, was für Diederich kein Trost ist. Er zerstreitet sich mit seiner Mutter und seinen Schwestern und zieht sich missmutig zurück.

Bei Gericht am nächsten Tag angekommen, stellt Diederich fest, dass die gute Netziger Gesellschaft geschlossen zugegen und ihm gegenüber immer noch feindselig gestimmt ist.
Schließlich ist der Prozesssaal gefüllt und die Richterbank besetzt mit dem vorsitzenden Landgerichtsdirektor Sprezius, dem Landgerichtsrat Harnisch und dem Landsgerichtsrat Kühlemann. Als Diederich seine Aussage tätigt, verhaspelt er sich immer wieder und behauptet, dass er nicht genau wisse, ob es der Angeklagte war, der die Majestätsbeleidigung getätigt habe. Er windet sich in alle Richtungen, um Lauer nicht zu belasten, wird jedoch vom Vorsitzenden Sprezius, Jadassohn und Wolfgang Buck in die Mangel genommen. Der alte Buck spricht ihm sein Wohlgefallen aus, was Diederich sehr berührt, insbesondere angesichts der allgegenwärtigen Feindseligkeit ihm gegenüber.
Als nächster muss Pastor Zillich aussagen und er gibt schließlich zu, die Majestätsbeleidigung tatsächlich gehört zu haben.

Der Zeuge Kühnchen berichtet zunächst über den patriotisch geladenen Abend, an dem der Kaiser als Thema im Mittelpunkt stand. Ansonsten habe er nichts mitbekommen, da er zu dem Zeitpunkt geschlummert habe.

Major Kunze wird als nächster in den Zeugenstand gerufen und berichtet, dass er nichts mitbekommen habe, da er erst später dazugestoßen sei, zudem sei Diederich ein Denunziant. Jadassohn erinnert Major Kunze daran, dass Diederich ihm vor acht Tagen hundert Mark geliehen habe, woraufhin er seine Aussage überdenkt und gegen Lauer aussagt.
Langsam kippt die Stimmung zu Diederichs Gunsten. Der Zeuge Nothgroschen belastet Lauer ebenfalls und wird vom Vorsitzenden Sprezius vor Wolfgang Buck beschützt und schließlich aus dem Zeugenstand entlassen.

Der Zeuge Fritzsche, ein Freund der Familie Lauer, sagt zu Lauers großer Überraschung ebenfalls gegen ihn aus. Die Stimmung ist jetzt endgültig zugunsten Diederichs und gegen den Angeklagten Lauer gekippt.

Der Bruder des alten Buck wird als nächstes vernommen und sogleich nach seinen Lebensverhältnissen befragt. Da er von seiner Familie Unterstützung erhält, bezeichnet ihn Jadassohn als wirtschaftlich und damit moralisch abhängig. Damit wird der Bruder als Zeuge entlassen.

Der Zeuge Heuteuffel wird vernommen und wegen seiner freien Gesinnung von Jadassohn als Teilnehmender an der Tat bezichtigt. Zudem würde er sonntags Atheismus in seinen Reden verbreiten, was angesichts eines christlichen Kaisers moralisch verwerflich sei. Als Wolfgang Buck dagegen angeht, wird er zu einer Ordnungsstrafe wegen Verhöhnung Jadassohns verurteilt. Als er nach dem Familienleben der Lauers befragt wird, berichtet er von tadellosen Zuständen. Jadassohn jedoch hat andere Informationen vorliegen, nach denen die Herren regelmäßig im Bordell »Klein-Berlin« verkehren würden. Heuteuffel pariert, indem er Jadassohn in demselben Etablissement gesehen haben will und wird dafür zu einer Ordnungsstrafe verurteilt.

Als Wolfgang Buck in letzter Verzweiflung sämtliche Arbeiter Lauers als Leumundszeugen vernehmen lassen will, wird dies von den Richtern abgelehnt und als letzter Zeuge lediglich der Bürgermeister Scheffelweis zugelassen.

Der Zeuge Scheffelweis ist in seiner Aussage unentschlossen und will sich nicht auf eine Seite festlegen. Einerseits halte er ihn nicht der Tat fähig, andererseits schon. Damit wird auch er als Zeuge entlassen.

Diederich hat – nachdem die Stimmung endgültig zu seinen Gunsten umgeschlagen ist – einen großen Auftritt vor Gericht, indem er seine Aussage fest und nachdrücklich wiederholt und von reiner Pflichterfüllung gegenüber dem Kaiser spricht, die ihn zur Provokation Lauers animiert hat. Seine Worte haben eine vernichtende Wirkung auf Lauer, dem die Worte fehlen.
In der Pause wird er von der guten Netziger Gesellschaft umringt, die ihn morgens noch geächtet hat und selbst der Regierungspräsident von Wulckow spricht ihm nun sein Wohlwollen aus.

Während des Plädoyers macht Jadassohn mit einem theatralischen Auftreten keinen guten Eindruck und animiert das Publikum sogar zum Gelächter. Als Wolfgang Buck an der Reihe ist, beginnt er sogleich mit dem Vorwurf der Erpressung der Zeugen zu Aussagen gegen Lauer, woraufhin er den Unmut des Vorsitzenden auf sich zieht. Er bezeichnet Diederich offen als einen Untertanen, der nach der Meinung der Masse geht, um seinen Vorteil zu erlangen. Und die Person des Kaisers sei erst durch den Vorsitzenden aufgekommen, denn der Angeklagte habe sie nicht genannt. Mit seiner Rede rührt er die Zuschauer zu Tränen, verspielt jedoch auf den letzten Metern wieder seine Sympathien und so wird Lauer zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Die Zeitungen, die vor dem Prozess geschlossen pro-Lauer eingestellt waren, berichten nun negativ über ihn, auch die Beteiligung seiner Arbeiter am Gewinn seiner Fabrik könne man genauso gut als Weihnachtsgeschenk übergeben.

Zudem wirft der Redakteur Nothgroschen Lauer vor, durch seine Majestätsbeleidigung die Existenz seiner Arbeiter gefährdet zu haben.
Diederich erreicht ein Brief des Major Kunze, der seine Meinung bezüglich der Aufnahme Diederichs in den Kriegerverein geändert hat. Unterstützung hat Diederich dabei von dem Regierungspräsidenten von Wulckow und so fordert er den Besuch von Major Kunze und Professor Kühnchen, die seiner Bitte nachkommen. In seiner Antrittsrede behauptet er, dass der Kaiser persönlich vor dem Provinziallandtag mehr Soldaten forderte, sonst würde er die »ganze Bude ausräumen«. Diese Behauptung wird von der »Netziger Zeitung« und dem »Lokal-Anzeiger« gedruckt und nicht von kaiserlicher Seite dementiert.

Analyse

Zu Beginn des Kapitels sieht sich Diederich der Ächtung der Netziger Gesellschaft gegenüber, die auf der Seite von Lauer steht. Auch seine Freunde, die bei dem Vorfall zugegen waren, wollen nichts mehr davon wissen und distanzieren sich von ihm. Diederich wendet sich wieder der Masse zu und fragt sich: »wie kommt ich dazu, einen anständigen Menschen wie Lauer ins Gefängnis zu bringen?« (152)

Dass dieser Prozess von Jadassohn aus opportunistischen Motiven geführt wird, erkennt Diederich recht schnell: »Sie haben offenbar die Absicht, mit Hilfe eines politischen Prozesses schneller Staatsanwalt zu werden.« (152) Hier zeigt sich, dass in Netzig im Grunde jeder aus eigennützigen Motiven handelt, um ans Ziel zu gelangen – ohne Rücksicht auf Verluste.
Wirtschaftlich geht es für ihn ebenfalls bergab, denn die Aufträge bleiben aus, sodass er sogar die neu erworbene Maschine zurückgeben muss.

Hier kollaboriert er zum ersten Mal mit dem eigentlich verhassten Maschinenmeister und Sozialdemokraten Napoleon Fischer, da es zu seinem Vorteil ist. Auch mit dem Prokuristen Kienast, der wegen der Maschine in seine Fabrik kommt, trifft er eine Absprache, indem er seine Schwester Magda samt großzügiger Mitgift an ihn zwecks Heirat übergibt, damit er die Maschine zurücknimmt.

Während des Prozesses ist Diederich anfangs kleinlaut und relativiert seine Rolle in dem Vorfall. Doch als er merkt, dass das Publikum schließlich auf seiner Seite steht, hält er eine leidenschaftliche Rede gegen die humanistischen, demokratischen Werte und für eine kaisertreue, nationale Gesinnung. Damit dreht sich der Wind für den Angeklagte Lauer und die Bucks - sie verlieren auf jeder Ebene und damit der Liberalismus.

Veröffentlicht am 12. Oktober 2022. Zuletzt aktualisiert am 12. Oktober 2022.