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Geschichten aus dem Wiener Wald

Titel
Geschichten aus dem Wiener Wald
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1931
Uraufführung
1931
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Über das Werk

»Geschichten aus dem Wiener Wald« ist ein Drama in drei Akten des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth. Es spielt in Wien gegen Ende der 1920er-Jahre. Die erste Buchausgabe des Werkes erschien 1931 im Berliner Propyläen Verlag. Noch im selben Jahr erhielt Horváth auf Vorschlag Carl Zuckmayers dafür den Kleist-Preis. Horváth bezeichnete das Theaterstück, das sein erfolgreichstes werden sollte, selbst als »Volksstück«. Bei näherer Betrachtung erweist es sich jedoch als bitterböse Parodie dieser Gattung.

Das Drama handelt von einer jungen Frau aus einfachen Verhältnissen, die von ihrem Geliebten verlassen wird und erleben muss, wie das Kind, das sie von ihm bekommen hat, aufgrund der Vernachlässigung durch seine Angehörigen stirbt.

Schon mit der äußeren Gestaltung des Werkes wendet sich sein Autor ganz bewusst gegen das klassische Drama. Anders als dieses bestehen die »Geschichten aus dem Wiener Wald« nicht aus fünf, sondern lediglich aus drei Akten, die als »Teile« bezeichnet werden. Statt einer Handlungspyramide folgt der Aufbau des Stücks einer Rondoform, mit der der ewige Kreislauf des menschlichen Lebens und die immer gleichen gesellschaftlichen Lügen und Zwänge, aus denen es kein Entrinnen gibt, formal gespiegelt werden. Zwar endet das Drama wie ein klassisches Trauerspiel in einer Katastrophe, diese hat jedoch keinen kathartischen Effekt, sondern ist Ausdruck völliger Sinnlosigkeit und Resignation angesichts unveränderlicher menschlicher Dummheit und Bosheit.

Der Titel des Stücks zitiert den Walzer op. 325 »Geschichten aus dem Wienerwald« von Johann Strauß (Sohn). Mit diesem Zitat wird auf die ›Walzerseligkeit‹ der österreichischen Gesellschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert angespielt. Sie steht im starken Kontrast zu den politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen der 1920er-Jahre und ist in Horváths Deutung eine Form der Verdrängung oder Kompensation realer sozialer Probleme. 

Horváth entlarvt die Vorstadtidylle und die vermeintliche »Wiener Gemütlichkeit« als trügerisch. Dahinter verbergen sich Intoleranz, Rassismus und Grausamkeit, auch hervorgerufen durch die Abstiegsängste der Wiener Kleinbürger zur Zeit der Weltwirtschaftskrise. Obwohl sich diese Krise im Hinblick auf ihr Ausmaß sicher nicht mit den sozialen und wirtschaftlichen Problemen unserer Zeit gleichsetzen lässt, sind durchaus alarmierende Parallelen zur Gegenwart auszumachen. Im besten Fall machen sie das Publikum wacher für aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen.

 

Veröffentlicht am 23. November 2019. Zuletzt aktualisiert am 27. März 2023.