Nathan der Weise

Zitate und Textstellen

  • »Wer zweifelt, Nathan, dass Ihr nicht die Ehrlichkeit, die Großmut selber seid?«
    – Daja, S. 11

    Gleich in der ersten Szene des Dramas stellt Daja diese Frage. Sie ist zwar an Nathan gerichtet, ist aber eigentlich rhetorisch. Das bedeutet, Daja erwartet keine Antwort. Für sie ist unbestreitbar, dass Nathan der großmütigste Mensch ist, den sie kennt. Mit Dajas Frage wird dem Publikum bereits innerhalb der ersten Minuten des Dramas einer der wichtigsten Charakterzüge Nathans vermittelt.

  • »Der Kerl im Staat, ist nur dein Kleid.«
    – Nathan zu Al-Hafi, S. 24

    Diese Worte richtet Nathan an Al-Hafi, als dieser ihn fragt, ob Nathan ihn aufgrund Al-Hafis neuer Position als Schatzmeister im Dienste des Sultans vielleicht nicht mehr zum Freund haben wolle. Nathan erklärt, solange Al-Hafis Herz noch am rechten Platz sei, werde es dazu nicht kommen. Damit stellt Nathan wiederholt seine Fähigkeit unter Beweis, mehr auf die inneren Werte seiner Mitmenschen zu achten und nicht so sehr auf ihre soziale Stellung, Religion oder Herkunft.

  • »Du kennst die Christen nicht, willst sie nicht kennen. Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht Menschen.«
    – Sittah, S. 44

    Saladin hatte soeben bedauert, dass sein Versuch eines Friedensabkommens mit den Christen gescheitert ist. Sittah gibt ihm daraufhin zu verstehen, dass das nicht weiter überraschend ist. Die Christen verteidigen ihre Religion so vehement, weil sie ihren Glauben über alles andere stellen. Für sie sei er wichtiger als Menschlichkeit und Frieden.

  • »Jud’ und Christ und Muselmann und Parsi, alles ist ihm eins.«
    – Al-Hafi, S. 53

    So beschreibt Al-Hafi Nathan dem Sultan. Hiermit gibt er Saladin die vielleicht wichtigste Information über seinen Freund: Dass dieser sich nach einem Frieden zwischen allen drei Religionen und der Abschaffung aller religiösen Vorurteile sehnt.

  • »Verachtet mein Volk so sehr Ihr wollt. Wir haben beide uns unser Volk nicht auserlesen. Sind wir unser Volk? Was heißt denn Volk? Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, als Mensch? Ah! wenn ich einen mehr in Euch Gefunden hätte, dem es g’nügt, ein Mensch zu heißen!«
    – Nathan, S. 62

    Nathan und der Tempelherr haben soeben festgestellt, dass sie beide eigentlich eine sehr ähnliche Weltanschauung haben: Sie sehen sich in erster Linie als Menschen und nicht als Angehörige eines Volkes, beziehungsweise einer Religion. Auf diese Erkenntnis hin schließen die beiden Männer Freundschaft.

  • »Auch mach ich ihm gar leicht begreiflich, wie gefährlich selber für den Staat es ist, nichts glauben! Alle bürgerliche Bande Sind aufgelöset, sind zerrissen, wenn der Mensch nichts glauben darf. – Hinweg! Hinweg mit solchem Frevel!«
    – Patriarch, S. 115

    Der Patriarch steht in starkem Gegensatz zu den von Nathan angestrebten Zielen. Er ist überzeugt, dass ein Staat ohne Religion oder mit verschiedenen Religionen nicht existieren kann. Anders als der aufgeklärte Nathan ist der Patriarch noch ein Advokat des Absolutismus und der alten Ordnung. Diese beiden Ziele sind unvereinbar: Denn um Gleichberechtigung für alle Religionen zu erlangen, müsste genau diese alte Ordnung abgeschafft werden, die der Patriarch so schätzt.

  • »Bliebst du wohl bei mir? Um mir? – Als Christ, als Muselmann: gleichviel! Im weißen Mantel, oder Jamerlonk; Im Tulban, oder deinem Filze: wie du willst! Gleichviel! Ich habe nie verlangt, dass allen Bäumen eine Rinde wachse.«
    – Saladin, S. 119

    Saladin lädt den Tempelherrn ein, bei ihm im Palast zu leben. Welche Religion sein neu gewonnener Freund ausübt, ist Saladin vollkommen gleich. Für ihn zählt nur ihre Freundschaft und die Ähnlichkeit des Tempelherrn zu seinem verstorbenen Bruder Assad.

  • »Der Aberglaub’, in dem wir aufgewachsen, verliert, auch wenn wir ihn erkennen, darum doch seine Macht nicht über uns. – Es sind nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten.«
    – Tempelherr, S. 122

    Der Tempelherr schwärzt Nathan beim Sultan an: Nathan sei geprägt von seinen Vorurteilen (»Aberglaube«) gegenüber Christen und lasse den Tempelherrn Recha deshalb nicht heiraten. Denn auch wenn Nathan immer so tolerant wirke, sei er eigentlich nur ein »jüdischer Wolf im philosophischen Schafspelz«. So leicht, scheint der Tempelherr zu sagen, ist es eben doch nicht, sich der Vorurteile zu entledigen, mit denen man aufwächst.

  • »Sei keinem Juden, keinem Muselmanne zum Trotz ein Christ!«
    – Saladin, S. 124

    Saladin ermahnt den Tempelherrn, sich nicht aus Wut auf Nathan wie ein von Vorurteilen geleiteter Christ zu benehmen. Diese Worte bewegen den Tempelherrn zur Einsicht.

  • »Nicht mehr, nicht weniger, als meinen Vater mir zu lassen; und mich ihm! – Noch weiß ich nicht, wer sonst mein Vater zu sein verlangt; – verlangen kann. Will’s auch nicht wissen. Aber macht denn nur das Blut den Vater? nur das Blut?«
    – Recha, S. 159f.

    Recha bringt hiermit ihr Konzept von »Familie« zum Ausdruck. Für sie ist nicht so wichtig, ob zwei Menschen miteinander blutsverwandt sind, sondern wie nah sie sich stehen. Deshalb bittet Recha den Sultan auch darum, ihr Nathan als Vater zu lassen. Er hat Recha aufgezogen, sie schätzt und bewundert ihn. Auch Nathan liebt seine Tochter sehr und bestätigt in der nächsten Szene, dass er gern weiterhin ihr Vater bleiben möchte.

Veröffentlicht am 1. März 2023. Zuletzt aktualisiert am 1. März 2023.