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Der Schimmelreiter

Inhaltsangabe

Die Binnenhandlung der im April 1888, dem Todesjahr Theodor Storms, erschienenen Novelle »Der Schimmelreiter« spielt im 18. Jahrhundert an der Küste Nordfrieslands in einem namentlich nicht genannten Marschdorf. Sie erzählt die Lebensgeschichte von Hauke Haien, von seinem Aufstieg, Fall und frühen tragischen Tod. Aufgrund seiner auf die exakten Berechnungen der Mathematik und der Faszination für Technik ausgerichteten Kompetenzen und seines großen persönlichen Ehrgeizes schafft Hauke Haien den sozialen Aufstieg vom Sohn eines Kleinbauern zunächst zum Kleinknecht beim alten Deichgrafen und später selbst bis zum Deichgraf. In der noch streng hierarchisch ausgerichteten dörflichen Gesellschaft ist ein solcher Aufstieg eigentlich nicht möglich und auch nicht vorgesehen. Hauke Haien sprengt diese engen sozialen ständischen Grenzen auch durch seine Heirat mit Elke, der Tochter des Deichgrafen, die ihm noch vor der Hochzeit ihren Besitz überträgt. Er muss zeitlebens seinen Erfolg und seinen Aufstieg gegen den Neid, den Aberglauben und die Engstirnigkeit der Dorfgemeinschaft verteidigen.

Hauke und Elke führen eine von gegenseitigem Respekt und Liebe getragene glückliche Ehe, nach neun Jahren wird ihre gemeinsame Tochter Wienke geboren. Doch Haukes Leben und berufliches Streben wird vor allem durch sein Lebensprojekt, die Realisierung eines neuen Deiches nach neuesten technischen Maßstäben mit einem abgeflachten Profil bestimmt. Dieser soll das Dorf sicher und für die nächsten mindestens 100 Jahre vor Sturmfluten schützen und durch die Eindeichung auch neues Weideland gewonnen werden. Für Hauke Haien ist der neue Deich jedoch auch ein Prestigeprojekt, mit dem er seine Legitimität und Kompetenz als Deichgraf unter Beweis stellen möchte und das er deshalb mit aller Härte und gegen den Widerstand der gesamten Dorfgemeinschaft durchsetzt. Vor allem sein erbitterter Widersacher Ole Peters, der einst ebenfalls Großknecht beim Deichgrafen war, tut sich darin hervor, die Feindschaft gegen Hauke im Dorf zu schüren. Zur Außenseiterstellung von Hauke Haien trägt auch der Gegensatz seines rational-aufgeklärten Weltbildes zu dem von religiösem Aberglauben geprägten magischen Weltbild der Dorfgemeinschaft bei. Höhepunkt dieser Auseinandersetzung ist Haukes Weigerung, einen als »Deichopfer« gedachten lebendigen Hund in den neu gebauten Deich werfen zu lassen. Auch der von seinen Mitmenschen als unheimlich empfundene Schimmel, den Hauke Haien unter merkwürdigen Umständen erworben hat, trägt zu seiner zunehmenden Dämonisierung bei. Am Ende scheitert Hauke und lädt Schuld auf sich. In einer verheerenden Flutkatastrophe bricht der von Hauke Haien vernachlässigte alte Deich, auch weil Hauke entschlossen ist, sein Lebensprojekt, den neuen Deich, um jeden Preis zu schützen. Nachdem auch seine Frau und seine Tochter in den hereinbrechenden Fluten versinken, stürzt sich Hauke Haien mit seinem Schimmel ins Meer. Seither erscheint er als Deichgespenst, das die Deichbewohner in Momenten von drohender Gefahr warnt.

Die Erzählung vom Leben und Sterben Hauke Haiens ist in eine doppelte Rahmenhandlung eingebettet, die von zwei verschiedenen Erzählern bestimmt wird. In der ersten Rahmenhandlung erinnert sich ein Ich-Erzähler in den 1880er Jahren an eine Legende vom Schimmelreiter, die er vor über 50 Jahren in einer Zeitschrift gelesen hat. In dieser, im Jahr 1820 spielenden inneren Rahmenhandlung berichtete ein unbekannter Reisender von seiner Begegnung mit einem gespenstischen Reiter in einer Sturmnacht auf einem Deich in Nordfriesland und von seiner anschließenden Einkehr in ein rettendes Wirtshaus, wo ihm ein alter Schulmeister die Lebensgeschichte dieses als Deichgespenst umgehenden Schimmelreiters, des Deichgrafen Hauke Haien, erzählt. Diese spielt vor und nach 1750 und endet mit der verheerenden Sturmflut im Jahre 1756. Am nächsten Morgen setzt der Reisende seine Fahrt nach überstandenem Sturm auf dem Deich fort.

Veröffentlicht am 30. Dezember 2023. Zuletzt aktualisiert am 30. Dezember 2023.