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Der Schimmelreiter

Binnenhandlung – 1. Teil: Jugend von Hauke Hauke Haien (S. 14-16)

Zusammenfassung

Mit der Erzählung des alten Schulmeisters im Wirtshaus beginnt die Binnenhandlung der Novelle. Sie spielt »in der Mitte des vorigen Jahrhunderts« (14), also vor und nach 1750 und erzählt die Lebensgeschichte von Hauke Haien, eines begabten und weitsichtigen Deichgrafs in Nordfriesland, der sich sein Wissen autodidaktisch angeeignet hat.
Bereits sein Vater, der als Kleinbauer im Marschland hinter dem Deich wohnt, versteht sich auch aufs Landvermessen. Der Schulmeister vergleicht ihn mit der historischen Figur des Hans Mommsen, der ein Bauer und zugleich Mathematiker in der Gegend war. Doch der Sohn Hauke beschäftigt sich schon in seiner Kindheit mit Berechnungen und stellt bald das Wissen des Vaters in Frage. Da der Vater ihm keine Antwort mehr auf seine Nachfragen geben kann, bringt sich der kleine Hauke mit Hilfe eines alten holländischen Buches von Euklid, das er auf dem Dachboden findet, und einer holländischen Grammatik selbst die euklidische Geometrie bei.

In der ersten Unterbrechung der Erzählung durch den Schulmeister bezieht er diese außergewöhnlichen frühen Begabungen auf die historische Figur des Hans Mommsen. Bereits vor diesem war Hauke Haien schon mit ähnlichen Begabungen hervorgetreten.

Analyse

Zu Beginn seiner Erzählung verortet der Schulmeister die Lebensgeschichte Hauke Haiens um 1750, womit er, als nun beginnender dritter Erzähler, das Geschehen noch weiter in die Vergangenheit rückt. Er tritt dabei zumeist als auktorialer Erzähler auf.

Auch der Hinweis auf Hans Mommsen, mit dem er zunächst Hauke Haiens Vater, Tede Haien, und später auch den Sohn vergleicht, verortet das Geschehen zeitlich und räumlich und beglaubigt es, da es sich dabei um einen Hinweis auf die historische Persönlichkeit Hans Momsen handelt, der von 1735-1811 in einem Dorf nahe Husum lebte. Storm hat dessen Lebensgeschichte im Zuge seiner Quellenstudien zur Novelle recherchiert und auch einige Stationen der Lebensgeschichte Haukes an dessen Werdegang orientiert (vgl. Kuhn, Worterläuterungen, S. 177).

    Erreicht wird damit, daß der Leser meint, Hauke Haien sei ebenso historisch wie Momsen; so entsteht die Illusion, es handele sich um die Wiedergabe von Tatsächlichem und der Erzähler referiere über Wirkliches. (Hildebrandt, S. 28)

Bereits in diesen Schilderungen der frühen Jugend Haukes werden sein Wissensdurst und der Drang nach Erkenntnis deutlich, der ihn von allen anderen abhebt und auch schnell den Vater überflügeln lässt, der ebenfalls Interesse an Landesvermessung und Mathematik hat. So wird dann die Geometrie des Euklid seine liebste Lektüre und er lässt sich in seinem Wissensdrang auch nicht davon aufhalten, dass er sich erst im Selbststudium die holländische Sprache beibringen muss, um die Ausgabe lesen zu können. »Haukes Lernprozess – von der »Fibel oder Bibel« zum »Euklid« – vollzieht sich entlang zunehmender Abstraktion; in nuce entwickelt sich hier die Kluft zu seiner an Magie, Religion, Tradition gebundenen Umwelt« (Kuhn,Worterläuterungen, S. 180).

Veröffentlicht am 30. Dezember 2023. Zuletzt aktualisiert am 30. Dezember 2023.