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Euphemismus

Der Euphemismus ist ein rhetorisches Stilmittel: Die beschönigende oder verharmlosende Umschreibung eines Begriffs, den man vermeiden will.

Was ist ein Euphemismus?

Der Euphemismus (auch: Hüllwort) ist ein Stilmittel, das zu den Tropen gehört. Er soll einen Gegenstand oder eine Person, einen Sachverhalt oder eine Aussage beschönigend oder mildernd umschreiben. Durch sprachliche Verhüllung eines Begriffs sollen unangenehme Wahrheiten positiver klingen. Euphemismen findet man deshalb sowohl in der Literatur als auch im Alltag, in der Werbung, in Wirtschaft und Politik.

Beispiele für Euphemismen
  • »vollschlank« statt dick
  • »für immer eingeschlafen« statt gestorben
  • »Seniorenresidenz« statt Altersheim
  • »Kundenbetreuer« statt Verkäufer
  • »Beitragsanpassung« statt Beitragserhöhung
  • »Fehltritt« statt Straftat
Euphemismus – Begriffsherkunft

Euphemismus ist die latinisierte Form von griechisch εὐφημία euphēmía = Worte von guter Vorbedeutung; letztlich zurückgehend auf εὖ eu gut und φημί phēmí ich sage. (Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. München/Wien 1965)

Die Bildung von Euphemismen

Euphemismen werden auf unterschiedliche Weise gebildet:

  • Es gibt euphemistische Umschreibungen, wie »gut beieinander« für dick.
  • In manchen Fällen wird nur ein Teil des Ganzen genannt. So bezeichnen viele Menschen die schwere Krankheit Krebs nur als »die Krankheit«.
  • Gern werden auch Wortspiele wie »Sapperment« für Sakrament benutzt.
  • Durch Euphemismen in Form von Abkürzungen soll häufig ein eher peinliches Wort vermieden werden. So kam der heute allgemein gebräuchliche Ausdruck »BH« für Büstenhalter zustande.
  • Besonders verbreitet ist die Verwendung von Fach- und Fremdwörtern. Wird das englische Wort »Event« für eine beliebige Veranstaltung verwendet, soll diese aufgewertet werden.
  • Auch mit einer aus einer Fremdsprache übernommenen Schreibweise ist eine Aufwertung beabsichtigt. Dies kommt häufig in der Werbung und in Produktbezeichnungen vor. Hier finden sich beispielsweise die Schreibweisen »Cosmetic« und »Cigaretten«.

Euphemismen ersetzen die ursprüngliche Bezeichnung

Nach einiger Zeit nehmen viele Euphemismen den als negativ empfundenen Sinngehalt der Bezeichnung an, die sie ersetzen. Oder sie verlieren zumindest die beschönigende Wirkung und werden zu neutralen Begriffen.

So ist heute zum Beispiel der ursprünglich eher scherzhaft verwendete Euphemismus »Raumpflegerin« so gebräuchlich, dass er als normale Berufsbezeichnung empfunden wird. Damit wurde der Begriff »Putzfrau« fast vollständig aus der Sprache verdrängt. Für die »Raumpflegerin« sind bereits neue Euphemismen im Umlauf. Heute noch fast ausschließlich scherzhaft gemeint ist der Euphemismus »Parkettkosmetikerin«.

Der Euphemismus im Alltag

Im täglichen Sprachgebrauch gibt es auffallend viele Euphemismen in Lebensbereichen, über die zahlreiche Menschen nicht gern offen sprechen. Neben Krankheit und Tod sind dies beispielsweise Sexualität, Körperfunktionen und bestimmte Körperteile. So werden etwa für Geschlechtsteile immer wieder neue Bezeichnungen erfunden. Nur wenige Menschen verwenden in privaten Zusammenhängen die medizinisch korrekten Bezeichnungen.

Euphemismen in der Alltagssprache sollen auch häufig bestimmte Dinge, Tätigkeiten und Menschen aufwerten. Dies geschieht etwa, wenn sich ein Friseur als »Coiffeur« bezeichnet.

Beispiele für Euphemismen im Alltag
  • »das Zeitliche segnen« statt sterben
  • »das Weite suchen« statt fliehen
  • »dritte Zähne« statt künstliches Gebiss
  • »nicht auf dem Damm« statt krank
  • »in anderen Umständen« statt schwanger
  • »stilles Örtchen« statt Toilette

Der Euphemismus in der Literatur

Euphemismen charakterisieren vor allem denjenigen, der sie benutzt. Daher findet man sie in der Literatur vorrangig in Dialogen. In Texten mit einem allwissenden/auktorialen Erzähler kommen sie eher selten vor.

Indem eine literarische Figur Euphemismen verwendet, können ihre Tabus deutlich gemacht waren. Ein offener Mensch nennt die Dinge eher beim Namen als eine gehemmte Persönlichkeit. Auch Rücksichtnahme, spöttische Einstellungen oder die ironische Sichtweise bestimmter Themen lassen sich in Dialogen an den entsprechenden Euphemismen erkennen. Euphemismen im literarischen Dialog machen auch negative Charaktermerkmale deutlich. Dies können Schmeichelei, Unehrlichkeit oder Versuche, andere Personen zu manipulieren, sein.

Außerhalb von Dialogen charakterisieren Euphemismen Figuren dann, wenn Szenen aus ihrer Sicht geschildert werden (personale Erzählweise). In literarischen Texten mit Ich-Erzählern sind Euphemismen durchgängig ein Mittel zur Charakterzeichnung des Ich-Erzählers oder der Ich-Erzählerin.

Der Euphemismus in Politik und Wirtschaft

Ebenso wie im Alltag, spielt in Politik und Wirtschaft die positivere Darstellung eigentlich negativer Sachverhalte eine wichtige Rolle. Mithilfe von Rhetorik gelingt es den Verantwortlichen, besser dazustehen. Angstbesetzte Themen und Tabus werden durch Euphemismen »leichter verdaulich« (ebenfalls ein Euphemismus!) gemacht. Unangenehme Tatsachen werden mithilfe von Euphemismen beschönigend dargestellt. Wenn Politiker zum Beispiel fordern, dass Bürger »mehr Eigenverantwortung übernehmen«, geht es in der Regel darum, dass diese etwas aus eigener Tasche bezahlen sollen. In der Wirtschaft werden anstehende Entlassungen gern als »Freisetzung von Personal« bezeichnet.

Beispiele für Euphemismen in der Politik
  • »Nullwachstum« statt Stillstand oder Stagnation
  • »bildungsfern« statt ungebildet
  • »Schwangerschaftsunterbrechung« statt Abtreibung
  • »Beitragsanpassung« statt Beitragserhöhung
  • »weiche Ziele« statt Soldaten oder Menschen
  • »militärischer Konflikt« statt Krieg
  • »Kollateralschaden« = ein (schwerer) Schaden, der im Kontext einer militärischen Aktion entsteht und nicht beabsichtigt ist, aber billigend in Kauf genommen wird
Beispiele für Euphemismen in der Wirtschaft
  • »Entzerrung des Preisgefüges« statt Verteuerung von Dienstleistungen
  • »Facility Manager« statt Hausmeister
  • »ausbaufähig« statt schlecht funktionierend
  • »Mitbewerber« statt Konkurrent
  • »kostenintensiv« statt teuer
  • »negative Zuwachsraten« statt Verluste

Der Euphemismus in der Werbung

Werbetexte vermeiden naturgemäß angstbesetzte Themen und Tabuthemen und beschreiben die Ware positiv. Deshalb ist das Stilmittel Euphemismus hier besonders verbreitet. So ist in der Sprache der Werbung für Deodorant grundsätzlich von »Transpiration« die Rede und nicht davon, dass jemand schwitzt.

Beispiele für Euphemismen in der Werbung
  • »das Frühstückchen« statt Schokoschnitte mit viel Zucker und Fett
  • »die Dritten« statt künstliches Gebiss
  • »Kundeninformation« statt Werbung
  • »Frischequell« statt Wasser
  • »Einsteigermodell« statt Ausführung mit beschränkten Funktionen
  • »weniger müssen müssen« statt seltener zur Toilette müssen

Disphemismus als Gegenstück zum Euphemismus

Eng verwandt mit dem Euphemismus ist ein anderes sprachliches Mittel: der Dysphemismus. Oft wird er als Gegensatz bezeichnet. Dysphemistische Umschreibungen wirken ebenfalls verhüllend, aber quasi umgekehrt: Neutrale oder positive Begriffe werden durch negative oder herabsetzende Wörter ersetzt.

Beispiele für bekannte Dysphemismen
  • »Penner« statt Obdachloser
  • »Tippse« statt Sekretärin
  • »Saftschubse« statt Stewardess
  • »Hartzer« statt Empfänger von Arbeitslosengeld II
  • »Bulle« statt Polizist
Seite veröffentlicht am 08.02.2015. Letzte Aktualisierung am 06.04.2021.